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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 04.07.2001 06:00

Symposium zu Recht im Internet
Prekäre Freiheit

Internet und Recht verbindet ein schwieriges, noch nicht geklärtes Verhältnis. Gestern diskutierten im Auditorium Maximum der ETH anlässlich des Symposiums "Freiheit und Internet" Experten aus dem In- und Ausland über illegale Websites und die Frage der Verantwortung.

Von Norbert Staub

Dass das noch junge Internet nicht die beste aller Welten ist, hat sich in jüngster Zeit gezeigt, als das Netz zunehmend wegen krimineller Inhalte wie rassistischen und pornografischen Sites oder wegen verheerender Virusattacken im Stil von "I love you" in die Schlagzeilen geriet. Die Unterscheidung, was im Internet legal und was illegal ist, scheint vor allem für die End-User angesichts der Flut von Daten und ihrer schrankenlosen Verfügbarkeit immer schwieriger zu werden.

"Wir müssen und wollen uns in dieser Welt bewegen", sagte Carl August Zehnder, ETH-Professor für Informatik zur Begrüssung der gut 200 Symposiumsbesucher gestern im Audimax. "Als öffentliche Institution sagt die ETH zum einen 'Nein' zu illegalen Inhalten auf ihren Computern. Andererseits darf die Hochschule sich deswegen nicht vom offenen Zugang zur Welt verabschieden."

Der Stärkere hat Recht

Der auf das Internet spezialisierte Jurist und Publizist David Rosenthal eröffnete die Referatsrunde mit einer brillanten Einführung in das Problem der Regulierbarkeit. Er enttäuschte gleich alle, die gehofft hatten, das Problem krimineller Sites lasse sich mit einer universalen Strafnorm bekämpfen.

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Experten aus den Bereichen Recht, Politik, Hochschule, Provider und User debattierten gestern im Audimax über Verantwortung und Freiheit im Netz. gross

Es gelte das Recht des Stärkeren: "Gewisse Staaten können ihre Vorstellungen weltweit besser durchsetzen als andere - einfach aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Potenz", hielt Rosenthal fest. Die USA zum Beispiel würden ihrer Empfindlichkeit für Urheberrechtsverletzungen international weit wirksamer Nachachtung veschaffen als die Schweiz etwa ihrem Antirassismus-Gesetz. Das gelte im besonderen auch für Netzinhalte.

Rosenthal schlug vor, anstelle internationaler Rechtssysteme die Selbstregulierung spielen zulassen, obwohl auch dies aufgrund der mangelnden demokratischen Kontrollmöglichkeiten und möglicher Missbräuche "keine Zauberlösung" sei. Doch führe sie wenigstens zu Resultaten. Bekanntestes Beispiel hierfür: die einsamen Entscheidungen der "Internet-Regierung" ICANN.

Netz der Begehrlichkeiten

Andy Müller-Maguhn ist einziger gewählter Direktor genau dieser Behörde für Europa. Die Chaos-Computer-Club-Legende setzte einen anderen Akzent. Müller-Maguhn plädierte dafür, das Netz nicht mit der kanalisierten Information à la Fernsehen zu verwechseln und das Prinzip "Freier Informationsfluss im Netz" möglichst weit gehend zu respektieren. Andernfalls würden so problematische Begehrlichkeiten wie das zwischenstaatliche Ersuchen der Sperrung von Sites geweckt. Jüngst sei die deutsche Regierung mit einem solchen Wunsch bei den niederländischen Behörden vorstellig geworden und habe damit prompt historische Ressentiments erzeugt.

Letzlich sei mit der Sperrung von Sites ein Problem wie der Rechtsradkalismus nicht aus der Welt zu schaffen, sagte Müller-Maguhn. Solche Sites seien der Gesellschaft sogar von Nutzen: "Sie verweisen auf ein Problem, das ohne das Internet vielleicht nicht wahrgenommen worden wäre."


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Die Podiumsteilnehmer David Rosenthal, Andy Müller-Maguhn und Andreas Dudler (v.l.). gross

Was ist also zu tun? Müller-Maguhn postulierte unter anderem mehr Transparenz, worunter er Dinge wie die "maschinenlesbare Regierung" subsumierte, sowie vor allem eine erhöhte Medienkompetenz der Internet-Benutzer. Hehre Ziele: des Eindrucks, hier werde einem Missstand mit Schlagworten begegnet, konnte man sich nicht ganz entziehen.

"Don't shoot the messenger!"

Eine ähnliche Position wie der ICANN-Direktor vertrat André Oppermann, Chef des Backbone-Providers Telehouse Zurich. Es könne nicht darum gehen, für schlimme Inhalte den Boten - und nur diesen - verantwortlich zu machen. Vor allem die Politik neige dazu. Eine "sinnvolle Regulierung" sei aber auf jeden Fall anzustreben und mit den vorhandenen Rechtsmitteln auch durchführbar. Gehe es um die Überprüfung und allfällige Sperrung von Inhalten, funktioniere in der Schweiz die Zusammenarbeit von Providern und zuständigen Bundesbehörden laut Oppermann bereits reibungslos.

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Carl August Zehnder, André Oppermann, Rainer Richard, Regine Aeppli und Christian Schwarzenegger (v.l.). gross

Eine besondere Behörde vertrat Rainer Richard: Er ist stellvertretender Leiter der Bayerischen Internetpolizei. Die insgesamt 50 Beamten des Kommissariats 343 sind mit nichts anderem als der Verfolgung von Internet-Kriminalität beschäftigt. Seine Einheit war es, die vor einigen Jahren den Grossprovider CompuServe wegen pornografischer Inhalte vor Gericht brachte. "Das bequem zugängliche Internet heizt Interessen an, die den Tätern zuvor gar nicht bewusst waren", berichtete Richard aus seiner Erfahrung. Das Netz als Medium sei nicht unbeteiligt und insofern auch nicht unschuldig am explosionsartig gewachsenen und weiter zunehmenden Bedürfnis nach illegalen Inhalten.

"Kein rechtsfreier Raum"

In der anschiessenden Diskussion bejahte die Zürcher SP-Nationalrätin Regine Aeppli das mehrfach gebrauchte Bild vom Internet als Spiegel der Gesellschaft. Gerade deshalb müsse man aber auch im Netz Phänomenen wie der Kinderpornographie entschlossen und mit massiven Sanktionen zu Leibe rücken. Andreas Dudler, Direktor der Informatikdienste der ETH, pflichtete dem bei: "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum". Es sei an der Politik, Rechtssicherheit zu schaffen.

Illegale Links: Unbefriedigende Rechtslage

Nur noch am Rande kam das komplexe Problem des Verweisens auf illegale Links zur Sprache. Podiumsleiter Christian Schwarzenegger, Strafrechtsprofessor an der Uni Zürich, erklärte, dass in der Schweiz diesbezüglich eine unbefriedigende Rechtslage herrscht. "Das Strafgesetzbuch hat den Tatbestand nicht vorgesehen", so Schwarzenegger. Ein spezifischer Bundesgerichtsentscheid zu Links auf illegale Websites im Ausland liege noch nicht vor. Doch habe das Bundesgericht in anderem Zusammenhang entschieden, dass eine Hilfeleistung zu einer Auslandstat in der Schweiz nicht verfolgt werden könne. Übertragen auf die Link-Problematik würde dies heissen: das Setzen eines Links auf illegale Inhalte im Ausland ist in der Schweiz nicht verfolgbar. "Der Entscheid wird aber stark kritisiert", sagte Schwarzenegger. David Rosenthal meinte, solche Fragen sollten nicht den Gerichten überlassen werden: "Hier braucht es politische Richtlinien."




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