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Rubrik: Tagesberichte |
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Neue Gefahr bei der Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien Gefährliche Rohwurst? |
Eine neue Forschungsarbeit der ETH zeigt, dass mehrfach antibiotikaresistente Bakterien aus Rohwürsten ihre Resistenzen auch auf menschliche Krankheitserreger übertragen könnten. Damit kommt eine neue Dimension in die Problematik der Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien, die bis jetzt vor allem in den Spitälern für grosse Schwierigkeiten sorgten. Diese Entwicklung könnte direkt mit dem zum Teil unverhältnismässigen Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zusammenhängen. Von Dora Fitzli und Jakob Lindenmeyer "Wenn ich krank oder schwanger wäre, würde ich keine Rohwürste mehr essen", rät die 32-jährige Lebensmittelingenieurin Franziska Schwarz vom Laboratorium für Lebensmittel-Mikrobiologie der ETH. In ihrer Doktorarbeit isolierte sie aus Schweizer Salsiz (eine Rohwurst, siehe Kasten 2 rechts unten) ein gewöhnliches Darmbakterium, das ein besonderes Stück übertragbares Erbgut (Plasmid, siehe Kasten 1 links unten) enthielt. Das isolierte Bakterium "Enterococcus faecalis" besass Resistenzgene gegen nicht weniger als zwölf Antibiotika. Zu diesen zählen gängige Mittel wie Chloramphenicol, Streptomycin und Kanamycin. Weiter konnte im Labor nachgewiesen werden, dass das isolierte Darm-Bakterium seine Resistenzgene auch auf weitere Bakterien wie Listerien, Laktokokken und andere Enterokokken übertragen kann.
Speziell gefährdet: Senioren und HIV-Positive "Enterokokken stellen für einen gesunden Menschen keine Gefahr dar", erklärt Frau Schwarz. Trotzdem tragen diese Darmbakterien durch ihre Fähigkeit zum Resistenztransfer zur Ausbreitung von Resistenzgenen bei. Wenn Patienten mit resistenten Enterokokken im Darm ins Krankenhaus kommen, kann das die dortige Resistenzproblematik verstärken. "Insbesondere immunschwache Menschen wie Senioren oder HIV-Positive sind gefährdet, weil Antibiotika-Therapien nicht mehr greifen können", warnt Schwarz. Resistenzen kaum im Zaum zu halten Die vollständige Analyse des Resistenzerbguts brachte aber noch Alarmierenderes ans Licht. Ein Teil der Resistenzgene stammt nämlich von Krankheitserregern, die für Blutvergiftung, Ohr- und Rachenentzündungen und andere ansteckende Krankheiten verantwortlich sind. Dies zeigt, dass es Bakterien dank leicht übertragbaren Erbgutträgern (Plasmiden) gelingt, die Artenschranke zu durchbrechen. Dadurch können Resistenzgene zwischen harmlosen und gefährlichen Bakterien munter ausgetauscht werden.
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Nach Käse und Wurst jetzt Gemüse und Salat "Aus einer früheren Studie mit Rohmilchkäse wussten wir, dass bei rohen Lebensmitteln Resistenzgene vorhanden sind", erklärt Franziska Schwarz, wieso sie in ihrer Arbeit gerade die Rohwürste unter die Lupe nahm. "Als nächstes Projekt untersucht unser Labor jetzt Gemüse und Salat." Die Studie von Franziska Schwarz und Professor Michael Teuber belegt, dass Lebensmittel Träger und Überträger von antibiotikaresistenten Bakterien sein können. Im weiteren sind die Resistenzwerkzeuge der Bakterien weltweit die gleichen. Ein Resistenztransfer ist zwischen unterschiedlichsten Bakterien möglich, ob die Bakterien nun vom Essen oder von Fäkalienproben, von kranken oder gesunden Tieren respektive Menschen stammen. Reduktion auf medizinisch notwendiges Mass Im Fall der Rohwürste rühren die antibiotikaresistenten Bakterien entweder vom Fleisch her, aus dem die Würste gemacht wurden oder von der Metzgerei, in der sie hergestellt wurden. Da frühere Studien auch antibiotikaresistente Bakterien in Rohmilchkäse nachwiesen, ist es wahrscheinlicher, dass die beobachteten resistenten Darmbakterien von den Tieren stammen. Weitere Forschungsarbeiten belegen, dass zwischen der Häufigkeit antibiotikaresistenter Bakterien und dem routinemässigen Einsatz von Antibiotika zu prophylaktischen und leistungssteigernden Zwecken ein klarer Zusammenhang besteht. Darum fordert Franziska Schwarz: "Der Einsatz von Antibiotika muss auf das medizinisch notwendige Mass reduziert werden!" Resistente Bakterien in Lebensmitteln eröffnen eine neue Dimension, für welche die Wissenschaft noch keine endgültigen Lösungskonzepte anbieten kann. Ein Verzicht auf unnötige Anwendung von Antibiotika in Medizin und Landwirtschaft, eine sorgfältige Hygiene auf allen Stufen der Herstellung von Lebensmitteln sowie gegebenenfalls ein Abtöten von Krankheitskeimen durch Pasteurisieren kontaminierter Lebensmittel sind wirksame Komponenten einer Strategie, die noch zu entwickeln ist.
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