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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 15.09.2003 06:02

Einsprachefrist zum Feldversuch mit Genweizen abgelaufen
Klare Spielregeln

Im März 2003 wollte das Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH mit der Aussaat von Gentechweizen in einem kontrollierten Feldversuch in Lindau beginnen. Eine Beschwerde ans Bundesgericht blockierte das Vorhaben (siehe Kasten) ein weiteres Mal. Heute läuft die Einsprachefrist zur Neuausschreibung des Versuchs ab.

Von Regina Schwendener

Welche Gedanken bewegen in diesem Moment den Vizepräsidenten Forschung, Ueli Suter?

Ueli Suter: Ich hoffe, dass alle, die sich vom Experiment betroffen fühlen, auch Einspruch erhoben haben. Das Bundesgericht rügte ja nicht das Gesuch der ETH, sondern das Bewilligungsverfahren. Man hatte die Betroffenen nicht formell eingeladen, Einsprache gegen unser Gesuch zu erheben. Jetzt soll das Verfahren mustergültig ablaufen.

Von den "Gegnern" des Feldversuchs wird der ETH Zwängerei vorgeworfen. Warum ist dieses Experiment so wichtig?

Es geht einmal um Freiheit und Verantwortung der Forschung. Die grüne Gentechnologie ist umstritten und viele Menschen fürchten unabsehbare Risiken. Die Öffentlichkeit erwartet zu Recht von den Hochschulen schlüssige Antworten auf die Fragen nach Nutzen und Gefahren der grünen Gentechnologie. Solche Antworten finden sich aber nur durch verantwortungsvolles Forschen. Dazu brauchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Forschungsfreiräume. Solche Freiräume sind z.B. streng kontrollierte überblickbare Feldversuche. Forschungsfreiheit ist kein Selbstzweck; sie ist für eine Hochschule eine Voraussetzung, um Ihrer Verantwortung nachzukommen.

Eine zweite, ganz wichtige Voraussetzung für wissenschaftliche Arbeit ist, dass Forschende wissen müssen, welche Voraussetzungen ihre Gesuche zu erfüllen haben, damit sie bewilligt werden. Die Spielregeln müssen klar sein und dürfen nicht während des Spiels geändert werden, wie dies im Fall des Weizenversuchs geschehen ist. Wir wollen eine klare Antwort der Behörden auf die Frage, unter welchen Bedingungen in der Schweiz die Forschung mit gentechnologisch veränderten Pflanzen möglich ist.

"Freiheit" in der Forschung – ist sie grenzenlos?

Nein, sicher nicht! Es muss klare Grenzen geben, welche die Forschung nicht überschreiten darf. Und diese Grenzen müssen vom Gesetzgeber und von den Behörden festgelegt werden, wie auch die Verfahren, mit denen Forschende eine Bewilligung für erlaubte Experimente bekommen können. Und diese Verfahren müssen nach klaren und festen Regeln ablaufen.

Hätte die ETH nicht Geld sparen können, wenn sie mit dem Freisetzungsversuch grad in die USA – ins Land der „grenzenlosen Möglichkeiten“ - ausgewichen wäre?

Gegen diese Art des Outsourcing sprechen zwei Gründe: Zum einen ist die volle Kontrolle über das Experiment sehr viel schwieriger. Und gerade bei solchen Experimenten ist das besonders wichtig – der Versuch in Lindau wäre ja der global sicherste! Zum andern finde ich es auch unethisch, in der Schweiz nicht durchführbare Experimente einfach in ein möglichst fernes Land zu exportieren. Man darf doch nicht mit zwei Ellen messen!


Chronologie eines Experiments
auflistungszeichen Oktober 1999: Christof Sautter reicht erstmals ein Gesuch ein, das vom Buwal aus formellen Gründen abgelehnt wird
auflistungszeichen 15. November 2000: Gesuch durch ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften eingereicht
auflistungszeichen 20. November 2001: Ablehnender Entscheid des Buwal
auflistungszeichen 31. Dezember 2001: ETH Zürich reicht Verwaltungsbeschwerde beim UVEK ein
auflistungszeichen 13. September 2002: UVEK heisst Beschwerde gut
auflistungszeichen 20. Dezember 2002: Buwal bewilligt Gesuch
auflistungszeichen Anfang März 2003: Betroffene fechten Bewilligung an, Buwal verweigert aufschiebende Wirkung
auflistungszeichen 13. März 2003: Bundesgericht spricht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu, weist Fall ans Buwal zurück
auflistungszeichen 2. April 2003: ETH Zürich beantragt beim Buwal Aufhebung der Bewilligung und Neuausschreibung mit Einbezug aller Betroffener von Anfang an
auflistungszeichen 26. Juni 2003: Neueinreichung des aktualisierten, aber sonst unveränderten Gesuchs
auflistungszeichen 22. Juli 2003: Publikation im Bundesanzeiger
auflistungszeichen 15. September 2003: Ende der Einsprachefrist




"Wir suchen den Dialog mit den Kritikern auch weiterhin", betont Ueli Suter, Vizepräsident Forschung. (Bild: Peter Würmli) gross

Warum ist Ihrer Meinung nach besonders der Bereich der sogenannten grünen Gen-Forschung so umstritten?

Das Thema Nahrung ist besonders stark emotionell belegt; jeder von uns fühlt sich dabei angesprochen und der Wunsch, gesunde und bekömmliche Nahrungsmittel zu haben ist sicher bei allen Menschen vorhanden. Gleichzeitig ist der Bedarf für genetisch veränderte Lebensmittel nicht für Alle offensichtlich. Anderseits wächst die Anbaufläche gentechnisch veränderter Nutzpflanzen weltweit und der Druck, sie einzuführen, steigt. Selbst wenn die Schweiz eine gentechfreie Insel bleibt, können wir doch nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und sagen, diese Technologie wollen wir nicht, also soll sie auch nicht erforscht werden. Damit riskieren wir, dass wir in einigen Jahren in der Schweiz nicht einmal mehr die Kompetenz haben, die Entwicklung in der grünen Gentechnologie zu beurteilen, geschweige denn mit ihr umzugehen.

Wie kann die Wissenschaft das benötigte Vertrauen in ihre Forschungsvorhaben bei der Bevölkerung aufbauen? Die Bevölkerung macht ja ihre eigenen Erfahrungen und sieht zum Beispiel, dass die Natur nicht immer vorhersehbare Regeln hat – sprich: die aus Amerika eingeführte Regenbogenforelle vernichtet die einheimischen Bachforellen und anderes.

Die Wissenschaft muss auf diese kritischen Stimmen aus der Bevölkerung hören. Dies setzt voraus, dass die Forschenden offen informieren und das Gespräch mit den Kritikern suchen. Im Fall unseres Feldexperiments mit Weizen haben wir dies von Anfang an versucht. Wir haben immer klar gemacht, dass unsere Forschungsvorhaben nicht mit späteren Umsetzungsplänen verknüpft sind, sondern Fragen grundsätzlicher Natur nachgehen. Und wir haben Kritik der Gegner aufgenommen und die Sicherheitsmassnahmen noch verstärkt.

Wir suchen diesen Dialog mit den Kritikern auch weiterhin. Denn wir haben ja ein gemeinsames Problem zu lösen – das Problem, wie wir in der Schweiz mit der Erforschung von gentechnologisch veränderten Pflanzen umgehen. Feldversuche einfach verbieten oder mit Gewalt verhindern, kann ja auch für verantwortungsbewusste Umweltorganisationen nicht die Antwort sein. Wir möchten daher am Beispiel des Feldexperiments mit Weizen eine für uns alle schlüssige Antwort finden.

Sollte sich die ETH nicht mit diesen Ängsten auseinandersetzen und zum Beispiel die Biosicherheitsforschung verstärken?

Gerade das angesprochene Feldexperiment hat ja eine starke Biosicherheitskomponente. Es geht hier auch darum, die Vor- und Nachteile des chemischen und des biologischen Pflanzenschutzes gegeneinander abzuwägen.

Ein anderer Vorschlag: Könnte es eine Lösung sein, Ängste ernst zu nehmen, indem man mehr Mitsprache gewährt? Zum Beispiel indem man einen Forschungsfonds für Biosicherheit schafft, in dem auch NGOs wie Greenpeace ein Mitspracherecht dabei hätten, welche Themen und Projekte erforscht werden sollten?

Ich finde das eine ausgezeichnete Idee. Zum Beispiel könnte eine private Stiftung eingerichtet werden, in deren Vergabegremium auch die wichtigsten „stakeholders“ vertreten sind.




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