|
Rubrik: Tagesberichte |
Print-Version
|
Das Landesmuseum zeigt ETH-Forschung einmal anders Genreis-Experiment im Museum |
Die 300 Quadratmeter grosse Bodeninstallation "Good bye Tomato - Good morning Rice!" erzählt die Geschichte des an der ETH entwickelten "Golden Rice". Damit will die Arbeitsgruppe "Xperiment!" Wissenschaft als solche kulturell reflektieren und mit dem Publikum darüber diskutieren. Sowohl Reisentwickler als auch Gentech-Gegner betrachten den ungewöhnlichen Ansatz mit vorsichtigem Wohlwollen. "Das riesige Bodentuch ist eigentlich unser Zwischenbericht ans Forschungsministerium", kommentiert der 41-jährige Filmemacher Bernd Kraeftner die 38 Meter lange Bodeninstallation in der Ruhmeshalle des Schweizerischen Landesmuseums. Die begehbaren Zeichnungen und Texte erzählen die Geschichte des an der ETH entwickelten "Golden Rice" (siehe Kasten). Zusammen mit seinen Kolleginnen Judith Kröll und Isabel Warner bildet Bernd Kraeftner seit 1997 die Wiener Arbeitsgruppe "Xperiment!", einen gemeinnützigen "Verein für das Experimentieren mit wissenschaftlichen Ideen". In ihrem Ziel, durch künstlerische Reflexion Wissenschaft in der Öffentlichkeit zu diskutieren, wird Xperiment! unterstützt durch das Österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst. Die heute eröffnete Ausstellung im Landesmuseum kam durch Zusammenarbeit mit der Stiftung "Science et Cité" und dem Collegium Helveticum der ETH zustande.
"Tod der Tomate" "Ursprünglich wollten wir unter dem Titel 'Tod der Tomate' das Verschwinden der Gen-Tomate aus dem britischen Lebensmittelsortiment untersuchen", meint die 42-jährige bildende Künstlerin Isabel Warner. Da diese Thematik in England aber bereits sozioökonomisch untersucht wurde, wich die Gruppe auf den unter anderem auch an der ETH entwickelten gentechnisch veränderten "Golden Rice" aus (siehe Kasten). Daher auch der Ausstellungstitel "Good bye Tomato - Good morning Rice! - Ein Reis(e)bericht aus dem Museum". Kostenloser Vitaminreis Gentech-Lüge?
"Die Story um den ‚Golden Rice' dient uns als Katalysator für die generelle Diskussion über Wissenschaft", erklärt die 29-jährige Soziologin Judith Kröll. Neben ihrer Arbeit in Xperiment! schreibt sie zurzeit an ihrer Dissertation über das menschliche Genom-Projekt aus sozialwissenschaftlicher Sicht. Ihr Xperiment!-Kollege Kraeftner hatte ursprünglich Medizin studiert und arbeitet heute als Nebenerwerbsforscher mit audio-visuellen Medien im Bereich Wissenschaftsforschung.
|
Keine Polarisierung Mit dem Projekt "Good bye Tomato - Good morning Rice!" will die Gruppe Xperiment! die Entwicklung des Golden Rice Projektes beobachten, beispielsweise wie die Wissenschaftler vorgehen, um die humanitäre Grundidee umzusetzen. Dies geschieht durch Interviews mit den Forschern, Betroffenen und Kritikern sowie über Tonaufnahmen, Videos, Texte und Bilder. Dabei versuchte Xperiment! tragfähige Kontakte mit Entwicklern und Gentech-Kritikern aufzubauen. "Bisher wurde uns noch keine Tür zugeschlagen, trotz oder gerade wegen unserem experimentellen Ansatz", vermutet Kraeftner. Auch Reisentwickler Potrykus interessiert sich für den originellen Ansatz und wird darum auch an der Vernissage teilnehmen: "Der Zugang ist sicher ungewöhnlich, aber interessant." Xperiment! habe sich wesentlich stärker für den "Golden Rice" interessiert als die ETH, die sich während der ganzen Entwicklung vornehm zurückgehalten habe.
Bereits seit anderthalb Jahren beobachtet Xperiment! den Gen-Reis. "Jetzt wollen wir unsere Erfahrungen an die Öffentlichkeit zurückspielen", erläutert Judith Kröll. Letztes Jahr geschah dies in einer Parkgarage im Stadtzentrum von Wien. "Das war gleichzeitig unser Labor, wo wir experimentieren, wie die Naturwissenschaftler", scherzt Kraeftner. Die Besucher konnten sich im "Labor" damit auseinandersetzen, wie Wissenschaft abläuft: Von der Projekteingabe über die Finanzierung bis zu den involvierten Personen. "Im Gespräch entdeckten wir bei vielen Besuchern eine grosse Neugier betreffend Forschungspraxis und Alltag der modernen Wissenschaften", erzählt Judith Kröll. Von der Garage ins Landesmuseum In der Garage erschien die Bodeninstallation allein schon durch die unkonventionelle Umgebung unabhängig und originell. Dies ändert sich nun in der Ruhmeshalle des altehrwürdigen Schweizer Landesmuseum natürlich völlig: "Ich hoffe, die Besucher gehen nicht gleich auf die Knie vor Ehrfurcht", witzelt Kraeftner. Doch dem Autor war schon etwas mulmig zumute, als er mit den nassen Schneeschuhen zwischen den Wandgemälden von Hodler über das Ausstellungsobjekt trampelte. "Kein Problem - das hält!", versichert die bildende Künstlerin Warner. Mit einer speziellen Lasurtechnik schützt sie die begehbare Forschungsarbeit vor der Zerstörung. Die physische Grösse des "Zwischenberichts" und die vielen Detailstationen in der Geschichte des Gen-Reises verhindern einen Gesamt-Überblick. Man steht selbst mittendrin im Forschungsprojekt. Dies soll auch so sein. "Leider haben wir hier in der Ruhmeshalle das Pech, dass es zur Betrachtung der Hodler-Wandgemälde eine Kanzel mit Feldstecher gibt. Von dort ist eine Distanzsicht auf das Projekt möglich (siehe Bild oben), was zu diesem Zeitpunkt eigentlich unzulässig ist, handelt es doch um ein laufendes Projekt", klagt Kraeftner, der die Kanzel darum nur in Ausnahmefällen öffnen will. Aktive Mitwirkung Doch die Ausstellung besteht nicht allein aus der Betrachtung des Gesamtwerks. "Es geht uns vor allem auch um die Kommunikationsarbeit mit den Besuchern", bekräftigt Judith Kröll. Das ist Teil des Experiments. Auch die Besucher können aktiv mitwirken: In einer Art Gästebuch können sie Kommentare und Statements auf den Boden kritzeln. Kröll, Kraeftner und Warner werden während den nächsten zweieinhalb Wochen immer anwesend sein. "Wenn wir's aushalten", relativiert Kröll, denn die Temperatur in der riesigen Ruhmeshalle beträgt momentan kühle 11 Grad. "Doch bis zur Vernissage heizen wir noch tüchtig ein", verspricht "Xperiment!" zum Abschied.
|
|||||||||||||
Literaturhinweise:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |