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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.06.2005 06:00

Glaziologische Untersuchungen beim Gornersee
Abfluss durch den Gletscher

Beim Gornergletscher im Kanton Wallis staut sich jedes Jahr Schmelzwasser zu einem See. Dieser kann sich innerhalb kürzester Zeit entleeren und so Schäden im Tal verursachen. Glaziologen und Geophysiker der ETH Zürich untersuchen nun, wie sich der See genau entleert.

Von Felix Würsten

Wenn im Frühjahr die Schneeschmelze einsetzt, staut sich unterhalb des Monte Rosa Massivs im Wallis das Wasser zu einem kleinen See. Der Gornersee bildet sich dort, wo Gorner- und Grenzgletscher zusammentreffen. Wenn das Wasser einen gewissen Pegelstand erreicht, beginnt es, unter dem Gletscher abzufliessen. Im ungünstigsten Fall entleert sich der volle See innerhalb weniger Tage; in anderen Jahren wiederum dauert dieser Prozess etwas länger an. Welche Faktoren den Ausbruch des Sees steuern, untersucht Martin Funk, Professor für Glaziologie an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) (1) der ETH Zürich nun zusammen mit seinem Team im Rahmen eines Nationalfondsprojekts. (2)

Wiederholte Schäden in Zermatt

In der Vergangenheit führte der Ausbruch des Sees immer wieder zu Schäden. (3) So zerstörte die Flut in den Jahren 1900, 1944 und 1966 in Zermatt Häuser und Brücken und überschwemmte Kulturland. Geringfügige Schäden wurden letztmals im Jahr 1974 verzeichnet. Damals erreichte der Abfluss eine Spitze von beachtlichen 200 Kubikmetern pro Sekunde. Im Vergleich zu früher ist der Ausbruch des Gornersees heute nicht mehr so bedrohlich, weil der Gletscherstand inzwischen nicht mehr so hoch liegt. Dennoch, so erklärt Funk, dürfe die Gefährdung, die vom Gornersee ausgeht, nicht unterschätzt werden.

Für die betroffene Bevölkerung wäre es natürlich günstig zu wissen, wann und wie schnell sich der See leeren wird. Genau dies vorauszusagen fällt aber schwer. "Wir wissen zum Beispiel nicht, wie das Wasser genau durch den Gletscher fliesst", erklärt Martin Funk. "Das Wasser könnte sich zum Beispiel langsam durch Wegschmelzen einen Weg bahnen. Möglich wäre auch, dass durch den Wasserdruck im Eis Risse entstehen."

Umfangreiches Messdispositiv

Die ETH-Forscher haben nun ein umfangreiches Messdispositiv auf dem Gletscher eingerichtet: Fünf GPS-Messstationen registrieren die Eisbewegungen zentimetergenau. Zusätzlich werden mehrere Dutzend Markierstangen von Laser-Theodolithen alle ein bis drei Stunden automatisch eingemessen. Mit Hilfe von Geophonen und Seismometern des Instituts für Geophysik werden die Erschütterungen im Gletscher registriert. "Wir hoffen, dass uns die seismischen Signale Hinweise auf Rissbildungen im Gletscher geben", so Martin Funk. Schliesslich misst das Team an verschiedenen Stellen den Wasserdruck im Gletscher und überwacht mit einer Kamera, wie sich der Seespiegel verändert.

Wie kompliziert die Vorgänge sind, zeigte sich bereits letzten Sommer. Damals entleerte sich der Gornersee Anfang Juli innerhalb von vier Tagen. Direkt am Rand des Sees hob sich das Eis um bis zu drei Meter in die Höhe. Wenige hundert Meter unterhalb davon hob sich das Eis hingegen nur um 20 Zentimeter. Der grosse Unterschied erstaunte die Forscher.


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Der Gornersee bildet sich dort, wo der Gornergletscher (links) und der Grenzgletscher zusammenfliessen. (Bild: M. Funk, VAW) gross

Mit Hilfe von warmem Wasser bohren die ETH-Forscher Löcher in den Gletscher, um den Wasserdruck zu messen. (Bild: SNF) gross

Mit der diesjährigen Messkampagne möchten sie nun die Vorgänge in den beiden Bereichen genauer studieren. "Wir vermuten, dass sich der Gletschersee genau dann zu leeren beginnt, wenn das Wasser durch den Überdruck die Eisbarriere anzuheben vermag", meint Martin Funk.

Wasserfassung als Glücksfall

Für die Studien erweist es sich dabei als günstig, dass die Betreiberin des Kraftwerks "Grande Dixence" wenig unterhalb des Gletscherendes Mitte der sechziger Jahre eine Wasserfassung einrichtete. Von dort aus wird ein Teil des Schwelzwassers in den Lac des Dix geleitete. Seither werden die Abflussmengen aus dem Gornersee kontinuierlich aufgezeichnet. "Wir haben präzise Daten zu den Ausbrüchen der letzten 40 Jahre", erklärt Martin Funk. "So etwas ist weltweit einmalig."


Fussnoten:
(1) Homepage der VAW: www.vaw.ethz.ch/
(2) Informationen zum Projekt: www.vaw.ethz.ch/research/glaciology
(3) Informationen zum Gornergletscher:http://glaciology.ethz.ch/inventar/glaciers/gorner.html



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