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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.03.2001 06:00

Wie viel Freiheit verträgt das Internet?
Sperrung von Internet-Seiten betrifft auch die ETH

Die Swisscom hat kürzlich den Zugang zu mehreren Internetseiten mit rechtsradikalen Inhalten gesperrt. Angehörige der ETH kritisieren nicht die Sperrungen an sich; sie sind aber mit dem intransparenten Vorgehen unzufrieden und bezweifeln die Tauglichkeit der Sperrungen. Sie fordern klare Richtlinien. Verbesserte Gesetze für das Internet fordert auch eine ständerätliche Motion.

Von Richard Brogle

Kürzlich hat sich ein Student bei der Ombudsstelle der ETH darüber beklagt, dass die Sperrung von Internet-Seiten durch die Swisscom auch die ETH betrifft. In der Tat läuft die US-Internetverbindung der ETH über eine Swisscomleitung. Weiter kritisierte der Student, dass die Sperrung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt sei.

Auch von der Swiss Internet User Group (SIUG) kommen kritische Töne. Felix Rauch, Präsident der SIUG und Assistent im Departement Informatik der ETH, kritisiert in erster Linie, dass die Sperrungen nicht als solche gekennzeichnet werden. "Beim Aufruf der gesperrten Seiten erscheint die Meldung, es liege ein technischer Fehler vor. Dadurch werden die Benutzer irregeführt." Mit der Sperre werde das Problem des Rechtsextremismus verdrängt, aber in keiner Art und Weise gelöst.

Unbekannte Kriterien

Weiter bemängelt Rauch, dass die Kriterien nicht bekannt seien, nach denen die einzelnen Seiten gesperrt würden. Die besagten Kriterien sind aber auch Armin Brunner, Leiter der Sektion (technische) Kommunikation der ETH, nicht bekannt. Auch sei die ETH von der Swisscom nicht über die Sperrungen unterrichtet worden. Selber habe man keine Seiten gesperrt.

Josef Huber, Pressesprecher der Swisscom, nennt die Kriterien, nach denen die Seiten gesperrt werden: "Die Swisscom sperrt Seiten, wenn sie von der Bundespolizei oder durch ein Gericht verbindlich Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten erhält und diese auf einem isolierbaren Rechner angeboten werden." Die Beurteilung, ob einem Sachverhalt strafrechtliche Bedeutung zukomme, sei Sache der Behörden. Die Sperrung der Seiten würden nicht als solche deklariert, um keine Anhaltspunkte zu liefern, unter welchen Stichworten allenfalls ähnliche Internetseiten zu finden seien.

Wirkung der Sperrungen angezweifelt

Die SIUG kritisiert in einer Pressemitteilung im weiteren, dass die Sperrungen praktisch wirkungslos seien, dass sie sehr einfach zu umgehen seien. Die Inhalte seien über Suchmaschinen, die die Seiten in einem Archiv ablegen, oder über Anonymizer problemlos abrufbar.

Dies bestätigt auch Brunner: "Über den Sinn einer solchen Sperre kann man durchaus kontrovers diskutieren", meint der Chef der Sektion Kommunikation. "Die Umgehung einer solchen Sperre ist tatsächlich relativ einfach. Wer an rechtsradikale Inhalte herankommen will, wird das auch weiterhin können - jedoch mit etwas mehr Aufwand."

Ähnlich tönt es bei der Swisscom. "Es ist richtig, dass die Sperrungen nur sehr bedingt wirksam sind", sagt Josef Huber. "Solange auf diesem Gebiet keine Rechtssicherheit besteht, nimmt Swisscom ihre Verantwortung wahr und trifft die technisch möglichen und zumutbaren Massnahmen."


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Fritz Rauch
Felix Rauch: "Mit der Sperre wird das Problem des Rechtsextremismus verdrängt, aber in keiner Art und Weise gelöst." gross

Verantwortung der Provider?

Huber betont, dass die Swisscom als Access-Provider keine Überwachungspflicht treffe. Diese Auffassung wird auch von der Rechtsabteilung der ETH gestützt. Marion Völger schreibt dazu: "Eine allgemeine Verpflichtung zur Kontrolle der über das Internet vermittelten Inhalte durch den Internet-Provider besteht nicht und wäre angesichts der Datenmasse auch nicht praktikabel. Hat der Internet-Provider Kenntnis von strafbaren Inhalten, welche über das Internet verbreitet werden, so ist er verpflichtet zu verhindern, dass dies mittels seiner Infrastruktur und Dienstleistungen geschieht, indem er raschmöglichst den Zugriff sperrt und die auf seinem Server befindlichen Daten löscht."

Rechtsunsicherheit im Internet beseitigen

Soweit ersichtlich gebe es in der Schweiz noch keine Urteile, die sich zur strafrechtlichen Verantwortung von Internet-Providern äussern, schreibt Völger. Mit anderen Worten: Es herrscht Rechtsunsicherheit. Mittlerweile wurde das Problem der mangelnden gesetzlichen Grundlagen auch in Bern erkannt. In einer Motion fordert Ständerat Thomas Pfisterer (FDP, Aargau) den Gesetzgeber auf, das Strafgesetzbuch diesbezüglich zu ändern. Pfisterer schreibt: "Gegenwärtig herrscht Rechtsunsicherheit." Zu der Sperrung von Internetseiten meint er: "Die Bundespolizei muss handeln dürfen (nicht bloss die Kantone), aber differenziert statt mit lähmenden globalen Sperraufträgen."

Nun ist die Politik gefordert. Es wird darum gehen, einen demokratischen Weg zu finden, das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit und die effektive Bekämpfung von Rassismus, Kinderpornographie und Kriminalität im Internet unter einen Hut zu bringen. Die freiheitsliebende Internetgemeinde wird lernen müssen, dass es auch im globalen Netz nicht ohne Gesetze geht.


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Beim Aufruf einer gesperrten Seite erscheint eine technische Fehlermeldung


Literaturhinweise:
Die Motion von Ständerat Thomas Pfisterer: www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/2000/d_gesch_20003714.htm
Tages-Anzeiger vom 17.02.2001 "Hunderte Nazi-Homepages verbannt" http://tages-anzeiger.ch/ta/taZeitungRubrikArtikel?ArtId=71386&ausgabe=1240&archive=t
Veröffentlichung der ETH-Rechtsabteilung "Rechtsfragen rund ums Internet" von lic.iur. Marion Völger www.president.ethz.ch/ForzaReferatText.pdf



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