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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.03.2002 06:00

Jahr der Berge: manche nicht "offizielle" Aktivität
"We are all mountain people"

So lautet das Motto der UNO zum internationalen Jahr der Berge 2002. Gleichzeitig wurden das ETH-Projekt "Primalp" abgeschlossen, das seit längerem schon das Konzept der Nachhaltigkeit für den Alpenraum untersucht, und das Nationale Forschungsprogramm 48 "Landschaften und Lebensräume der Alpen" gestartet.

Von Christoph Meier

Nachhaltigkeit (1) - 1998 als Staatsaufgabe in der Bundesverfassung verankert - ist auch ein Schlüsselbegriff der Agenda 21, dem Schlusspapier des Erdgipfels in Rio 1992. Basierend darauf erklärte die UNO-Generalversammlung 1998 auf die Initiative von Kirgistan hin das Jahr 2002 zum Jahr der Berge. Der ETH-Agrarwissenschaftler Nikolaus Gotsch erläutert dazu: "Dass die Agenda 21 mit Kapitel 13 sogar ein eigenes Kapitel ‚Nachhaltige Bewirtschaftung von Berggebieten' enthält, war massgeblich das Verdienst der Schweiz und engagierter Schweizer Wissenschaftler." Es war denn auch der ehemalige Bundesrat Ogi, der am 11. Dezember 2001 in New York das UNO-Jahr der Berge eröffnen durfte. In der Schweiz übernahm diese Aufgabe Bundesrat Deiss, der stolz auf die "internationale Bergführerrolle" der Schweiz verwies.

Bund investiert 5,5 Millionen

Doch was machen die "Bergführer" in ihrem eigenen Land, wo 62 Prozent der Fläche aus Alpenraum besteht, auf der ein Fünftel der Bevölkerung lebt? Als erster Erfolg kann die Aufnahme des Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn-Gebietes in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes betrachtet werden. Zudem sind eine Reihe von Aktivitäten geplant unter der Federführung des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) (2). In gut schweizerischer Tradition wird dabei stark auf das Prinzip der Subsidarität gesetzt. Laut Stefan Frey von der Schweizer Koordinationsstelle für das UNO-Jahr der Berge unterstützt die DEZA die Aktivitäten mit 4,9 Millionen Franken - dieser Betrag wir gemäss DEZA-Richtlinien vor allem, aber nicht nur, international eingesetzt. Dem Bundesamt für Raumentwicklung stehen für die Aktivitäten in der Schweiz 600'000 Franken zur Verfügung.

Direktzahlungen zur Abfederung sozialer Härtefälle

Was die Schweiz zudem vorweisen kann, ist Forschung zur nachhaltigen Entwicklung in den Bergen. Das erste Alpenforum mit Alpenexperten aus den sieben Alpenländern 1994 in Disentis führte zur Erkenntnis, dass an der ETH Zürich die wissenschaftlichen Kompetenzen vorhanden sind, die sich auf gemeinsame Fragestellungen zur Nachhaltigkeit für den schweizerischen Alpenraum ausrichten lassen. "Vom Jahr der Berge war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht die Rede", schildert Nikolaus Gotsch die Situation, die zum von ihm geleiteten ETH-Projekt "Primalp" (3) führte.


Internationales Jahr der Berge

Die vereinten Nationen proklamierten das Jahr 2002 zum Jahr der Berge, um das internationale Bewusstsein zu erhöhen für die globale Rolle der Ökosysteme der Berge. Die Welternährungsorganisation (FAO) übernimmt dabei in Zusammenarbeit mit Regierungen, NGOs und anderen UN-Organisationen die Führungsrolle.

Ziel ist es, dass die nachhaltige Bergentwicklung auf das gleiche Fundament gestellt wird, wie der Klimawechsel, die tropische Entwaldung und die Wüstenbildung.



Für Primalp wurde Nachhaltigkeit bezüglich Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Gesellschaft untersucht. Die Modellrechnungen der ETH-Forschenden für Graubünden ergaben zum Beispiel, dass bei Streichung der Direktzahlungen an Bauern, das Brachland zunehmen wird.


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Alpen
Den Berglandschaften soll die Aufmerksamkeit im internationalen Jahr der Berge gelten.

Zusätzliches Brachland wäre aber vor allem in steilen Lagen aus Sicht des Schutzes vor Naturgefahren und besonders in hohen Lagen hinsichtlich einer Verringerung der Biodiversität unerwünscht. Kein Geld für die Landwirtschaft würde auch zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen. Am Status quo will aber Gotsch nicht festhalten: "Strukturwandel soll nur zeitlich befristet bei sozialen Härten mit Direktzahlungen abgefedert werden, so für ältere Arbeitskräfte, die keine Möglichkeit mehr haben, eine Tätigkeit ausserhalb der Landwirtschaft aufzunehmen."

Lasten verteilen

Die Modellrechnungen haben auch folgendes Problem aufgezeigt: Will man weiterhin Brachland verhindern, was aufgrund der klimatischen und topografischen Gegebenheiten im Alpenraum eigentlich nur mit Beweidung mit Rindern möglich ist, so nimmt man eine relativ hohe Produktion des "Treibhausgases" Methan in Kauf. Gotsch sieht eine mögliche Lösung in einer Lastenverteilung: "Es ist vermutlich volkswirtschaftlich vorteilhafter, eine Reduktion des anthropogenen Treibhauseffektes in der Schweiz mit verbesserten Energie- oder Mobilitätstechnologien bzw. den entsprechenden Politiken zu erreichen, statt die Berg-Landwirtschaft zu einem Beitrag zu zwingen."

Lässt das Modell "Win-Win-Szenarien" zu? Ja und nein, lautet die Antwort des Agrarwissenschaftlers. So sei die Reduktion von Brachland durch grössere Betriebe eine Win-win-Situation hinsichtlich der beiden Indikatoren "Brachlandfläche" und "Einkommen der Betriebe". Dafür nehme aber natürlich die Anzahl der in der Landwirtschaft Tätigen ab und ihr Beitrag zur dezentralen Besiedlung des Berggebietes sinke, was gemäss dem heutigen politischen Zielsystem unerwünscht ist.

Im Dienste der Berggebietspolitik

Auf Bundesebene wird der Alpenforschung mit dem Nationalen Forschungsprogramm 48 "Landschaften und Lebensräume der Alpen" (NFP 48)(4) Nachdruck verliehen. Mit dabei ist auch die ETH mit mehreren Projekten. "Das Forschungsprogramm soll Einsichten in die ablaufenden Prozesse des Wandels von Landschaften und Lebensräumen liefern", erläutert ETH-Agrarökonom Bernard Lehmann, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 48. Daraus sollen fundierte Zielvorstellungen über die Zukunft des alpinen Lebensraumes entwickeltwerden. Das NFP 48 stehe somit auch im Dienste der schweizerischen Berggebietspolitik und der sich anbahnenden verstärkten internationalen Zusammenarbeit im europäischen Alpenraum. "Es erarbeitet zudem wichtige Grundlagen für die Umsetzung der Ziele des Landschaftskonzeptes Schweiz (1997) (5) und es entspricht den Forderungen der OECD (1999), die Anstrengungen im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes zu verstärken", ergänzt Lehmann. Es werde auch grossen Wert darauf gelegt, die Praxis beziehungsweise die Akteure im Alpengebiet zu integrieren. Was erhofft Bernard Lehmann sich vom Jahr der Gebirge? - "Das Berggebiet, das sowohl Lebens- wie Erholungsraum ist, soll als wertvolles Gemeingut wieder in Erinnerung gerufen werden."

Das Jahr der Berge 2002 war auch Anlass für das neue ETH-Bulletin unter dem Titel "Bergwelten".


Fussnoten:
(1) Definition der Nachhaltigkeit gemäss dem Brundtland-Bericht: http://sdgateway.net/introsd/definitions.htm
(2) Veranstaltungen zum Jahr der Berge in der Schweiz: www.berge2002.ch/events/cal/index.html
(3) "Primalp"-Schlussveranstaltung: Montag, 10. Juni 2002, nachmittags im AudiMax; weitere Informationen zu "Primalp" unter: www.primalp.ethz.ch/
(4) Nationales Forschungsprogramm 48: www.snf.ch/de/rep/nat/nat_nrp_48.asp
(5) Artikel von Bruno S. Waldner, Projektleiter Landschaftskonzept Schweiz, BUWAL: www.umwelt-schweiz.ch/imperia/md/content/buwalcontent/umwelt/20014/13.pdf



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