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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.01.2001 06:00

Vereinigung des Mittelbaus (AVETH) zu Doktorierenden-Löhnen
"Forschung ist kein Hobby"

In einer am 20. Dezember 2000 in ETH Life erschienenen Kolumne verglich Professorin Katharina von Salis die Minimallöhne für Doktorierende der ETH mit jenen der Migros. Dieser Vergleich gefiel nicht allen. Die Personalabteilung legte am 22. Dezember ihre Sicht der Dinge dar. Deren Argumente beruhen auf einer falschen Auffassung der Rolle der Doktorierenden, entgegnet jetzt Moritz Kälin, Co-Präsident der AVETH.

Von Regina Schwendener

Moritz Kälin definiert aus seiner Sicht die Rolle der Doktorierenden wie folgt: "Gemäss den Vertretern der Personalabteilung dient das Doktorat in erster Linie der Weiterbildung der Doktorierenden. Dies ist grundsätzlich richtig", meint er -jedoch: "Der von der Personalabteilung zur Untermauerung ihrer Argumentation ins Feld geführte Begriff 'PhD student' ist aber unzutreffend - mag er auch noch so modisch englisch sein. Das Doktorat ist nämlich kein Studium im Sinne des Diplomstudiums." Doktorierende, so Kälin, arbeiten in erster Linie als wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Forschungsgruppen, und in zweiter Linie als Assistierende in der Lehre. Die Forschung und die Lehre dienten primär nicht der Ausbildung der Doktorierenden, vielmehr könnten sie sich "learning on the job" weiterbilden. Sie liefern vollwertige Arbeit, ohne die die ETH nicht funktionieren könnte. Das Doktorat als bezahlte Weiterbildung abzutun und dadurch die tiefen Löhne der Doktorierenden zu begründen, sei nicht zulässig.

Hundertprozentiger Einsatz - bei 50 Prozent Lohn

Die Personalabteilung spricht von einem Gehalt der Doktorierenden von 60'000 Franken brutto. Diese Summe - sie entspricht etwa dem Einkommen eines gut qualifizierten KV-Angestellten im gleichen Alter - wäre an und für sich vernünftig für eine Arbeit, von der auch der Doktorierende profitiert. Leider ist dies laut Kälin jedoch eher die Ausnahme. Ein Grossteil der Doktorierenden ist zu 75 Prozent angestellt. In gewissen Departementen herrschen sogar 50-Prozent-Anstellungen vor, die mit 2000 Franken netto pro Monat entlöhnt werden. Das heisse jedoch nicht, dass diese Personen Teilzeitarbeit verrichten. Die Anstellung sei faktisch eine hundertprozentige, wenn nicht gar mehr. Kälin meint entrüstet: "Man finde einen Professor, der akzeptiert, dass sein zu 50 Prozent bezahlter Doktorand oder seine Doktorandin nach dem Mittagessen nach Hause geht oder erst dann erscheint!"

Forschung ist Arbeit

Sorge bereitet Moritz Kälin im weiteren das Argument der Personalabteilung, man würde jungen Forschenden den Zugang zu einer Dissertation an der ETH verwehren, wenn wegen höherer Löhne weniger Stellen zur Verfügung stünden. "Forschung ist Arbeit, und kein Hobby der Doktorierenden. Wenn das Budget nicht reicht, ist dies ein Problem, mit dem sich die Forschungsleiter zu befassen haben, und nicht die Angestellten". Nettolöhne von 2000 Franken würden es Doktorierenden mit Familie zudem verunmöglichen, ein Doktorat überhaupt in Erwägung zu ziehen.


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Moritz Kdlin (AVETH)
Moritz Kälin setzt sich für die Doktorierenden ein, die am 15. Februar, 17.30 Uhr, ihre Mitgliederversammlung im GEP-Pavillon haben. gross

Allen sei klar, welchen Lebensstandard man mit diesem Nettolohn als Alleinstehender in der Stadt Zürich zu erwarten habe. An den Unterhalt eines Kindes sei dabei gar nicht zu denken, geschweige denn an die Finanzierung eines Krippenplatzes.

Professorenschaft unter Erfolgszwang

"Man kann jedoch nicht allein der Professorenschaft den Vorwurf machen, sie bezahlten ihre Mitarbeiter schlecht", räumt der AVETH-Co-Präsident ein. Sie würden als Forscher unter stetem Erfolgszwang stehen. Weniger Doktorierende bedeuten aber auch weniger Forschungsergebnisse. Die Löhne werden deshalb so weit als möglich gedrückt, um die Anzahl der Mitarbeitenden zu maximieren. Moritz Kälin fordert: "Hier sind von Seiten der Schulleitung klare Vorschriften bezüglich der Minimallöhne nötig." Es dürfe nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt qualitativ hochstehende Forschung mit den Löhnen von Billigst-Arbeitskräften finanziert werde.

Zahl der Doktorierenden wird sinken

Abschliessend stellt Moritz Kälin fest, dass sich die ETH tatsächlich nicht mit der Migros vergleichen lässt: Die Angestellten der Migros haben sich erfolgreich gewehrt. Die Doktorierenden der ETH, unpolitisch eingestellt und häufig aus Ländern mit schlechten Einkommens- und Karriereaussichten stammend sowie oft der deutschen Sprache nicht mächtig, wehren sich nicht. Die Lohnpolitik der ETH könnte sich, so Kälin, jedoch eines Tages gegen sie selbst richten. Der Anteil an Schweizer Doktoranden und Doktorandinnen werde wegen der unattraktiven Anstellungsbedingungen weiter sinken. In Fachrichtungen, in welchen eine Dissertation und ein ein- bis zweijähriges Postdoc-Praktikum im Ausland für eine interessante Stelle in der Industrie ein Muss sind, sinkt die Zahl der neuen Studierenden. Kälin. "Im Departement Chemie ist dies zum Beispiel bereits der Fall. Am Ende könnte die ETH, die ja nach eigenen Aussagen 'Exzellenz' in Forschung und Lehre anstrebt, vor dem Problem stehen, dass sie zwar sehr gute ausländische Forscher ausbildet, die anschliessend in ihre Heimat zurückkehren, jedoch keine schweizerischen mehr." Für den Forschungsplatz Schweiz hätte dies, so der AVETH-Copräsident, im Endeffekt fatale Auswirkungen.




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