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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 29.06.2004 06:00

Hitzige Dabatte um gemeinsame Ziele und Wege im Klimaschutz
Fliegen hinterlässt Spuren

Wie weiter mit dem Klimaschutz im Flugverkehr? Diese Frage entfachte unter den geladenen Experten aus Wirtschaft, Umweltverbänden und Wissenschaft am vergangenen Mittwoch eine hitzige Debatte. Eingeladen zu der öffentlichen Podiumsdiskussion in Liestal hatte die Klimaschutzorganisation myclimate (1), ein Spin-off der ETH Zürich (2). Die Veranstaltung war Teil des 7. Internationalen Energieforums sun21 (3), das die Bevölkerung auf die Dringlichkeit der Energiewende hin zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz aufmerksam machen will.

Von Gabriele Aebli

„Über den Wolken muss die Freiheit noch grenzenlos sein“, sang Reinhard Mey in den 70er Jahren. Dies scheint auch heute noch zu gelten. Fliegen ist so billig wie noch nie, und der Flugverkehr weist Wachstumsraten wie kein anderer Verkehrsträger auf: Seit 1970 haben sich in der Schweiz die im Flugverkehr geleisteten Personenkilometer mehr als verdreifacht (4).

Die Kehrseite der Medaille ist die immense Menge an Abgasen und festen Partikeln, die jeder Flug in die Luft hinausschleudert und welche die Atmosphäre stark belasten. Dass diese Ausstösse zum Klimaeffekt beitragen war bei den Experten in Liestal unumstritten. Uneinigkeit herrschte aber schon in der naheliegenden Frage, wie hoch der Beitrag des Flugverkehrs zum Treibhauseffekt denn sei.

Wie viel trägt der Flugverkehr zum Klimaeffekt bei?

„Fast neun Prozent, global gesehen“ sprach die Wissenschaft, vertreten durch Johannes Stähelin, ETH-Professor am Institut für Atmosphäre und Klima (5) und Co-Autor der IPCC-Studie „Aviation and the Global Atmosphere“ (6). Klimawirksam seien vor allem folgende Abgas-Komponenten: CO2, Stickstoffoxide sowie die Aerosole, Russ und Schwefeloxide.

„Auffallend ist“, führte er weiter aus, „dass immer wieder widersprüchliche Zahlen auftauchen, zu wie viel Prozent der Flugverkehr zur globalen Erwärmung beiträgt.“ Ein Grund sei, dass die Wirkung der Aerosole auf das Klima noch zu wenig geklärt sei. An diesen kondensiert Wasser, das Streifen und Cirrus-Wolken bildet. Diese dichten, weissen Wolken reflektieren Wärme besonders gut. Zudem leben sie relativ lange, da die kleinen Tröpfchen nur langsam die Grösse von Regentropfen erreichen.

Unterschiedliche Berechnungsarten

Lediglich drei Prozent sei der Beitrag des Luftverkehrs zur globalen CO2-Emmission, so Paul Kurrus, Mitglied der SWISS Geschäftsleitung. Er betonte, dass dies bescheiden sei und die Folgerung nahe lege, dass zuerst die anderen Verbraucher von fossilen Brennstoffen ihre Hausaufgaben machen sollten.

Mit 20-30 Prozent schätzte Patrick Hofstettler vom WWF Schweiz den Beitrag des Flugverkehrs zum Klimaeffekt am höchsten ein. Bei diesen Zahlen richtete er sein Augenmerk allerdings ausschliesslich auf die Schweiz.


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Ein Flugzeug hebt ab ... und hinterlässt Spuren ... (Bild: myclimate) gross

Er wies zudem darauf hin, dass jene Länder, die am meisten Luftverkehr hätten – also die Industrieländer – auch dafür verantwortlich seien, etwas gegen die schädlichen Auswirkung zu tun: „Wir müssen da aktiv werden, wo es nötig ist.“

Airlines: Kerosinsteuer ist nicht nachhaltig!

Aktiv werden ja, doch wie? Und schon gingen die Meinungen wieder auseinander. Von einer Besteuerung des – heute steuerfreien – Kerosins (7) wollten sowohl der SWISS-Vertreter Kurrus als auch Andreas Waibel von der Lufthansa partout nichts wissen. Sie sei nicht nachhaltig – das heisst für die Fluggesellschaften immens teuer und bringe kaum etwas. Für Odette Deuber vom Öko-Institut in Berlin und auch für den WWF Schweiz wären Steuern dagegen eine Möglichkeit. Besser wäre nach Odette Deuber allerdings eine Optimierung der Flugrouten oder sogar ein Flugverbot in Lufträumen mit Cirrus-Wolken.

CO2-Emmissionshandelssystem: vielleicht

Bessere Chancen als die Kerosinsteuer, hätte ein internationales CO2-Emmissionshandelssystem. Dieses wird heute auf internationaler Ebene als langfristige Option zur Reduktion von Treibhausgasen favorisiert und ist offenbar auch für Airlines eine Variante. Kurrus: „Die SWISS arbeitet an der Prüfung eines EU-Emmissionshandelssystems mit.“ Doch einfach sei es nicht. Und Waibel: „Wem sollen die CO2-Emmissionen eines Lufthansa-Fluges von Berlin nach Portugal, auf dem sich sowohl Deutsche, als auch Italiener, Portugiesen und Schweizer befinden über Frankreich zugeordnet werden?“ …

Aus ganz anderen Gründen bezweifelte auch Odette Deuber, dass es ein einfaches, funktionierendes System, basierend auf CO2 geben kann. Sie betonte wiederholt, dass auch der Stickoxid-Ausstoss beobachtet werden müsste: Eine Reduktion des CO2-Ausstosses der Triebwerke durch erhöhte Verbrennungstemperaturen werde durch ein Ansteigen, der ebenso klimawirksamen Stickoxide mehr als kompensiert. Und Hofstettler erklärte unter Applaus aus dem Publikum, dass freiwillige Massnahmen wie CO2 Optimierung nicht genügten – sie sollten mit verbindlichen Massnahmen ergänzt werden.

Fazit: Der Handlungsbedarf ist erkannt, das „wie“ aber keineswegs einfach.


Fussnoten:
(1) Homepage von myclimate: www.myclimate.org/
(2) myclimate wurde in folgenden „ETH Life“-Artikeln vorgestellt: „Flugtickets fürs gute Gewissen: www.ethlife.ethz.ch/articles/CLiPPTicketsAGS.html und „Qualität gesichert“: www.ethlife.ethz.ch/articles/myclimatezert.html
(3) Homepage von sun21: www.sun21.ch
(4) Homepage des Bundesamt für Statistik: www.statistik.admin.ch/
(5) Homepage des Instituts für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich: www.iac.ethz.ch/
(6) IPCC Special Report Summary: „Aviation and the Global Atmosphere“: www.ipcc.ch/pub/av(E).pdf
(7) Der Flugverkehr muss keine Mineralöl- oder Mehrwertsteuern bezahlen. Sowohl das Kyoto-Protokoll als auch das Schweizer CO2-Gesetz, ja sogar das WTO-Recht gewähren ihm einen Sonderstatus.



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