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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.03.2003 06:00

Medienorientierung der ETH Zürich über den geplanten Gentechnik-Freisetzungsversuch
Ortstermin in Lindau

Der Aufmarsch der Medienschaffenden war eindrücklich: einen Tag nach der rabiaten Greenpeace-Aktion liessen sich am vergangenen Freitag gut zwanzig Journalisten von Radio, Fernsehen und Printmedien aus erster Hand über den ETH-Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen informieren.

Norbert Staub

"Warum muss die ETH dieses Experiment durchstieren?" Diese Frage werde ihm immer wieder gestellt, sagte ETH-Informationschef Rolf Probala zum Auftakt der Medienorientierung, welche die ETH am letzten Freitag in Lindau durchführte. Er sei froh, dass man hier vor den Medien noch einmal die Beweggründe der ETH darlegen könne. Einen Tag zuvor hatte die Umweltorganisation "Greenpeace" mit einer Attacke auf das Versuchsfeld ihren Willen kundgetan, das Experiment wenn nötig auch mit Gewalt zu verhindern.

Klärung der Unsicherheiten

Man sei sich an der ETH bewusst, dass in der Bevölkerung Ängste in Bezug auf die grüne Gentechnologie bestehen, sagte Ulrich W. Suter, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen. Doch das geplante Feldexperiment sei eben gerade ein Schritt hin zur Klärung bestehender Unsicherheiten, und das sei Aufgabe und Auftrag der öffentlichen Forschung. "Wie mit diesem Experiment umgegangen wurde, rührt an den Grundfesten einer Hochschule", hielt Suter fest. Zur Debatte stünden die Forschungsfreiheit und die Verlässlichkeit von Behördenentscheiden. Wenn beides in Zweifel gezogen werde, müsse sich eine Hochschule einsetzen, so Suter.

ETH-Pflanzenforscher und Versuchsleiter Christoph Sautter erläuterte - einmal mehr - die Hintergründe seines Experiments. In den Jahrtausenden, in denen Nutzpflanzen kultiviert werden, gingen die natürlichen Resistenzen der Pflanzen gegen Schädlinge nach und nach verloren oder wurden gezielt beseitigt, weil die entsprechenden Stoffe bitter oder für den Menschen selbst giftig sind. "Daher sind diese Pflanzen heute verhältnismässig anfällig für Krankheiten", so Sautter. Darum befasse man sich wissenschaftlich überhaupt mit dem Thema.

Gezielte Pilzbekämpfung

Für Weizen sind Pilze eine ganz wesentliche Bedrohung. Christoph Sautter: "Etwa 20 Prozent des jährlich angebauten Getreides geht weltweit durch Pilzkrankheiten verloren." Es gehe nun bei diesem Versuch darum, Wissen zu schaffen über die Pflanzengenetik, die Angriffslust der Pilze und den Einfluss von Umweltfaktoren. Denn das Zusammenspiel dieser drei Elemente sei bei der Pilzabwehr entscheidend. Das System, dass untersucht werden soll, richtet sich ganz spezifisch gegen die Brandpilze. "Die Wirkung gleicht einer Arznei, die man sich in der Medizin immer wünscht: Krankheitserreger werden spezifisch und ohne Nebenwirkungen bekämpft", sagte Sautter. Dies im Gegensatz zu klassischen Breitband-Fungiziden, die neben den avisierten Pilzen zahlreiche andere Organismen in Mitleidenschaft ziehen.

Zwei Schweizer Weizensorten - Greina und Golin -, wurden von Sautters Team gentechnisch mit einem viralen Gen (KP4) verändert. Die Versuche im Gewächshaus hätten gezeigt, dass der Pilzbefall bei den veränderten Pflanzen gegenüber dem Wildtyp markant geringer sei, etwa um 30 Prozent. Im Gewächshaus könnten jedoch nie jene Bedingungen hergestellt werden, die im Freien herrschen. Es mangle dort an Wind und es sei stets zu feucht - beides Faktoren, die den Pilzbefall fördern, erklärte Sautter. Der Sachverhalt müsse also im Freien überprüft werden.


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Christoph Sautter vor dem Versuchsfeld. Der Maschendrahtzaun wurde am letzten Donnerstag von Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace demoliert. gross

Natürliche Antibiotikaresistenz

Von den Gegnern des Versuchs wird als einer der Hauptkritikpunkte immer wieder das in die Pflanzen eingeschleuste Antibiotika-Resistenzgen ins Feld geführt. In der Tat ist eine Ampicillinresistenz bei den veränderten Pflanzen vorhanden. Viele vergessen in der Diskussion jedoch, dass Antibiotika natürliche Produkte sind. Jeder Mikroorganismus, der ein Antibiotikum bildet, hat auch eine Resistenz dagegen, damit er sich mit der von ihm hergestellten Waffe nicht selbst zerstört.

Laut Sautter findet man im normalen Boden natürlicherweise pro Gramm Erde 10'000 bis 100'000 Bakterien, die allein gegen Ampicillin resistent sind. "Wir rechnen damit, dass auf den geplanten acht Quadratmetern Anbaufläche zirka acht Milliarden Ampicillin-resistente Bakterien leben", sagte Sautter. Dagegen sei der Fall, dass ein Antibiotika-Resistenzgen aus einer Pflanze auf den Boden übergehe wenig wahrscheinliche. Sollte dieser Fall eintreten, wäre mit einer Zunahme von insgesamt etwa zehn solcher Bakterien auf dem ganzen Feld zu rechnen. Also ganz offensichtlich eine Quantité négligeable.

Vorsicht ist Programm

Sautter demonstrierte noch einmal, welche Vorkehrungen getroffen werden, um den Versuch zu sichern: 40 winddichte, spezielle Pollenzelte während der Blüte (wovon 16 mit insgesamt 1'600 transgenen Pflanzen), Bodenanker, welche die Zelte bei Sturm halten, eine Mantelsaat, Schneckenbleche und ein Maschendrahtzaun mit einem Vogelnetz. Geerntet wird, ehe die Samen reif sind; so sollte kein keimfähiges Korn auf dem Boden landen. Ein Jahr lang wird das Gelände nach dem Versuch beobachtet, und der Boden wird mit Hitze nachbehandelt, um allfällig neu entstandene Organismen zu entfernen.

Eine Reihe von Biosicherheitsexperimenten begleitet den Versuch: laufend werden zum Beispiel die Bodenmikroflora und die Auskreuzungsgefahr untersucht. "Summa summarum kann ich guten Gewissens sagen, dass wir hier das weltweit bisher am besten gesicherte Experiment mit transgenem Weizen beantragt haben", so Christoph Sautters Fazit. Die Zeit drängt nun allmählich: die Aussaat sollte von den Temperaturen her noch im März stattfinden, unter anderem, weil Stinkbrand sich am besten entwickelt, wenn die Erdtemperaturen während anderthalb bis zwei Wochen unter zehn Grad sind.

Ob die Greenpeace-Aktion, bei der Mist auf das Versuchsfeld geworfen wurde, Folgen für den Versuch hat, konnte Sautter noch nicht sagen. Am Mittwoch wird sich zeigen, wie es in Lindau weitergeht. Das Bundesgericht entscheidet dann, ob der Beschwerde von Umweltverbänden die aufschiebende Wirkung entzogen wird oder nicht.

   



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