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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.12.2002 06:00

Liberalisierung beim Service public
Wettbewerb im Berggebiet

Randregionen, so wird gemeinhin befürchtet, haben von der Liberalisierung des Service public vor allem Nachteile zu gewärtigen. Eine Studie im Rahmen des NFP48 klärt nun, wie sich die Veränderungen im öffentlichen Dienst auf die Unternehmen in den peripheren Gebieten auswirken.

Von Felix Würsten

Der Service public ist im Umbruch. Die Post bereitet sich auf die härtere Konkurrenz vor und will ihr Dienstleistungsangebot überdenken; der Betrieb von Buslinien wird vielerorts öffentlich ausgeschrieben; auf dem Elektrizitätsmarkt werden zukünftig verschiedene Anbieter miteinander um die Gunst der Kunden buhlen; und in der Telekommunikationsbranche tobt schon seit längerem ein harter Kampf. All diese Veränderungen sind in der Bevölkerung umstritten. Vor allem die Randregionen, so wird von den Skeptikern argumentiert, hätten unter dem rauhen Wind der Marktwirtschaft zu leiden.

Wie verhalten sich Unternehmen?

Im Zentrum der Debatte steht meist die Bevölkerung der betroffenen Gebiete. Auch der Verlust von Arbeitsplätzen bei den öffentlich-rechtlichen Unternehmen führt zu hitzigen Diskussionen. Wie sich jedoch die Veränderungen beim Service public auf die Unternehmen in den Randregionen auswirken, darüber liegen bis jetzt noch keine genauen Daten vor.

Diese Lücke soll nun geschlossen werden, wie Alain Thierstein erklärt. Der Professor für Raumordnung am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH leitet im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP48 "Landschaften und Lebensräume der Alpen" ein Projekt, das die Auswirkungen der Liberalisierung für die Unternehmen genauer untersuchen will. "Wir vermuten, dass die Liberalisierung im Raum nicht neutral ist", erklärt Thierstein. "Das heisst: die peripheren Gebiete werden vermutlich benachteiligt."

Alain Thierstein gross

Drei Gebiete, vier Themen

Zusammen mit seinen Projektpartnern hat Thierstein diesen Herbst rund 7000 Fragebogen an Unternehmen in den drei Kantonen Graubünden, Uri und Wallis verschickt. Die Firmen werden gefragt, wie sie die heutige und zukünftige Situation beim Service public einschätzen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Die Resultate der Befragung sollen dann in einem zweiten Schritt mit zusätzlichen Interviews vertieft werden.


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Ein zuverlässiger Service public ist in den Randregionen ein zentraler Wettbewerbsfaktor. (Archivbild Postauto Schweiz) gross

Die Studie nimmt vier Bereiche genauer unter die Lupe: den Postverkehr, die Telekommunikation, die Stromversorgung und den öffentliche Verkehr. "Ein Abbau in einem einzelnen Bereich kann von einem Unternehmen je nach dem ohne weiteres aufgefangen werden", erläutert Thierstein. "Doch wenn die Dienstleistungen in allen Bereichen schlechter werden, kann dies für eine Firma problematisch werden."

Dienstleistungen in grösseren Kontext stellen

Der Service public darf als Wirtschaftsfaktor jedoch nicht isoliert betrachtet werden. "Es gibt für ein Unternehmen ja noch zahlreiche andere relevante Standortfaktoren, etwa die Verfügbarkeit von Arbeitskräften oder das Submissionsrecht. Diese sind unter Umständen viel wichtiger als der öffentliche Dienst", erklärt Thierstein. Die Forscher versuchen daher, bei ihren Befragungen den öffentlichen Dienst in einen grösseren Kontext zu stellen. Besonderes Augenmerk schenken sie dabei den jungen Unternehmen. Thierstein vermutet, dass diese im Gegensatz zu alt eingesessenen Firmen besonders sensibel auf die Veränderungen beim Service public reagieren.

In einem zweiten, anwendungsorientierten Teil des Forschungsprojektes werden die Resultate der Befragung in Umsetzungsworkshops von den verschiedenen Stakeholders diskutiert. Ziel ist es, zusammen mit Behörden, Wirtschaftsverbänden, Firmen und der Bevölkerung mögliche Handlungsoptionen zu erarbeiten. Daraus sollen schliesslich Vorschläge abgeleitet werden, mit welchen flankierenden Massnahmen eine Benachteiligung der Randregionen verhindert werden kann.

Günstige Wende in der Debatte

Auf den Versand der Fragebogen wurde in den einzelnen Kantonen mit einer Medienkonferenz aufmerksam gemacht. In allen drei Kantonen nahm ein Regierungsrat an der Pressekonferenz teil - für Thierstein ein deutliches Zeichen, dass das Forschungsprojekt bei den Gebirgskantonen auf grosses Interesse stösst. In dieses Bild passt auch der erfreulich gute Rücklauf der Fragebogen. Thierstein rechnet auf Grund der bisherigen Eingänge, dass 20 Prozent der angeschriebenen Unternehmen die Unterlagen zurückschicken werden.

Das Projekt profitierte dabei von einer unerwarteten Wende in der öffentlichen Debatte. "Als das Schweizervolk am 22. September das Elektrizitätsmarktgesetz verwarf, schien die Debatte um den Service public abzuflauen", berichtet Thierstein. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Just als die Fragebogen verschickt wurden, machte die Post ihre Pläne publik, die Zahl der Briefzentren massiv zu reduzieren, und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus.




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