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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.06.2001 06:00

Arbeiten beim Formel 1-Rennstall Red Bull-Sauber-Petronas
"Um Weltmeister zu werden, muss alles stimmen"

Leo Ress, Leiter Research and Development des Schweizer Formel 1 Rennstalls Sauber, konnte als Keynote-Speaker für die Diplomfeier der Werkstoff-Ingenieure von heute 17.00 Uhr im Auditorium Maximum der ETH gewonnen werden. ETH Life unterhielt sich mit dem deutschen Ingenieur über seine Arbeit in der Formel 1.

Interview: Christoph Meier

Warum arbeiten Sie in der Formel 1?

Die Formel 1 ist für jeden technisch interessierten Menschen ein sehr aufregendes Arbeitsgebiet. Man beschäftigt sich immer mit den neuesten Entwicklungen auf vielen Gebieten. Für mich besteht noch ein besonderer Anreiz darin, dass wegen der schnellen Modellfolge - jedes Jahr ein neues Auto - auch der persönliche Lerneffekt sehr hoch ist.

Wie sieht ihre Arbeit aus?

Die genaue Bezeichnung heisst 'Leiter R&D' (Research and Development). Meine Hauptaufgabe ist die Entwicklung von Fahrzeug-Konzepten und von komplexeren Komponenten, die im Rahmen der normalen Fahrzeug-Entwicklung keinen Platz finden. Dies hat man sich folgendermassen vorzustellen: Wir haben zirka sechs Monate Zeit für die Entwicklung eines neuen Fahrzeug-Modells. Dabei bleiben für viele Neuerungen keine Zeit. Um trotzdem technische Fortschritte zu machen, müssen einige Komponenten ausserhalb dieses Zyklus entwickelt werden.

Auf der Sauber-Homepage steht, dass der neue Motor "Petronas 01A" eine Weiterentwicklung jenes äusserst zuverlässigen Motors sei, der das Fahrzeug von Weltmeister Michael Schumacher und Rubens Barrichello so erfolgreich machte. Heisst das, dass Sie die alten Motoren von Ferrari verwenden können und diese zu verbessern versuchen?

Ja, der Petronas 01A ist eine Weiterentwicklung von Schumachers Weltmeistermotor des Jahres 2000. Im Vergleich zu dem letztjährigen Modell ist er stärker und leichter. Ausserdem konnte der Schwerpunkt abgesenkt werden. Während der Saison wird dieser Motor laufend verbessert. Pro Jahr gibt es zwei bis drei grössere Entwicklungsstufen. Dabei handelt es sich meistens um Leistungserhöhungen oder Gewichtsreduktionen.

Welche Auflagen kommen dabei von Ferrari?

Wir dürfen diese Motoren nicht öffnen und zerlegen. Seit Ende der Saison 2000 arbeiten jedoch Petronas-Ingenieure mit dem Ferrari-Team an der Entwicklung eines verbesserten Schmieröls. Das 'Synthium' genannte Öl weist auch bei hohen Temperaturen gute Eigenschaften auf und wurde in den letzten vier GPs der Saison erfolgreich eingesetzt. Inzwischen wurde dieses Öl auch für den Petronas 01A zugelassen. Es wird in der Saison 2001 von Beginn an eingesetzt .

Hätten Sie nicht Lust, selbst einen Motor zu entwickeln als den Ferrari-Motor für 50 Millionen Franken pro Jahr zu leasen?

Lust und Interesse hätten wir schon. Aber einen solchen Motor zu entwickeln ist nicht einfach und braucht eine grosse Organisation von mindestens 200 Leuten sowie eine entsprechende Infrastruktur. Da ist Leasing deutlich billiger; und ausserdem ist der Betrag geringer als Sie angeben.

Wie viele Leute arbeiten denn beim Sauber-Team?

Für das Formel1 Team 'Red Bull-Sauber-Petronas' arbeiten rund 240 Personen.

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Das Forschungsobjekt von Leo Ress: Der C20 von Red Bull-Sauber-Petronas.

Wie gross ist der Anteil der Technik am Erfolg im Vergleich zur Fahrerleistung? Oder anders gefragt: Könnte Michael Schumacher auf Ihren Autos Weltmeister werden?

Um Weltmeister zu werden, muss alles stimmen: Chassis, Motor, Reifen und Fahrer. Ich glaube, dass ein Schumacher allein noch nicht reicht, um Weltmeister zu werden. Da müssen wir auch noch etwas dazu beitragen.


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Keynote-Speaker bei der Diplomfeier der Werkstöffler: Leo Ress vom Red Bull-Sauber-Petronas Team. gross

Im C20, dem Fahrzeug des Sauber-Teams, werden, wo immer möglich, Titan und Keramik eingesetzt. Wo ist dies nicht möglich und welche Werkstoffe werden dort eingesetzt?

Der überwiegende Teil unseres Fahrzeuge wird aus Carbon-Verbundfaserwerkstoffen hergestellt. Carbon ist sehr leicht (vergleichbar mit Magnesium), hat aber die Steifigkeit von Stahl. Dazu verwenden wir noch häufig Aluminium und wo es verlangt wird, kommt auch Stahl zum Einsatz.

Sie sprechen an der Diplomfeier der Werkstoffingenieuren. Wie kamen Sie dazu? Gibt es Forschungen an der ETH, die sie für ihre Arbeit nützen können?

Das war eine Anfrage von der ETH. An dieser Hochschule gibt es viel Grundlagenforschung und auch Versuchsanlagen, die uns nützen könnten. Es ist aber eine Personalfrage, dies alles auszuschöpfen.

Was raten Sie einem ETH-Werkstoffingenieur-Absolventen, der in die Formel1 einsteigen möchte?

Wichtig neben der guten theoretischen Ausbildung sind auch einige Jahre Berufserfahrung, um die Probleme der Praxis kennen zu lernen .

Fahren Sie bei Gelegenheit selbst auch in den Formel 1-Autos?

Nein, dazu braucht es Spezialisten, keine Sonntagsfahrer .

Formel 1, oder grundsätzlich schnelle Autos, werden mit Erotik verbunden. So steht bei der Beschreibung des C20, dass dieses wie ein Topmodel niemals an Gewicht zulegen dürfe. Gibt es auch erotische Aspekte in der Forschung?

Diese Anschauung kommt eher von Aussenstehenden. Die Arbeit um ein solches Fahrzeug ist eher zu anstrengend, als das man sie als erotisch bezeichnen könnte. Werkstoffe wie Stahl und Carbon haben für mich nichts mit Erotik zu tun, die sind kalt und tot.

Ist Ihnen auch schon ein vergleichbarer Lapsus passiert, wie ihrem Chefmechaniker am GP in Österreich, wo er die Weiterfahrt nach einem Boxenstopp unnötig verzögerte?

Solche Sachen passieren überall, aber am Ende entscheidet die gesamte Teamleistung über Erfolg oder Misserfolg?

Der GP von Monaco war für Ihr Team nicht gerade von Erfolg gekrönt. Wie schnell wirkt sich ein Ausfall wie jener der Traktionskontrolle beim Auto von Räikkönen auf Ihre Arbeit aus?

Wir sind ein kleines Team. Obwohl es scheint, als dauerten Änderungen bei uns etwas länger, sind alle Mitarbeiter in allen Bereichen sehr damit beschäftigt, die Performance unseres Fahrzeuges zu verbessern. Traktionskontrolle und automatischer Start sind nicht direkt meine Arbeitsgebiete. Aber auch aus der Distanz kann ich erkennen, wie kompliziert die Elektronik- und Computer-geregelte Abläufe sind. Das gilt übrigens für alle Teams, auch für die ganz grossen.

Würden Sie es begrüssen, wenn es in Zukunft auch Formel 1-Rennen in der Schweiz gäbe?

Das wäre sicher schön für die Schweizer Fans. Für uns hätte dies dazu noch den Vorteil, dass wir auch in der Schweiz testen könnten und zu den Teststrecken nicht immer so weit fahren müssten.


Die Laufbahn von Leo Ress

Leo Ress wurde 1951 geboren. Nach dem Studium an der Technischen Hochschule Aachen ging er 1979 zu Mercedes-Benz. 1982 wechselte er zu BMW. Diese Firma verliess er 1985, um im Hinwiler Rennstall Sauber zu arbeiten, wo er 1993 Chef-Designer wurde. Er behielt diese Funktion bei, auch wenn sich das Team von Sauber-Mercedes über Red Bull-Sauber-Ford zu Red Bull-Sauber-Petronas wandelte. Heute hat Ress die Position des Leiter "Research and Development" inne.






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