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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.09.2001 01:00

Beispiellose Terrorwelle in den USA
"Schwerster Schock seit Vietnam"

Das Unvorstellbare wurde Realität: Eine beispiellose Terrorwelle hat gestern in New York und Washington Tausende von Toten gefordert. Ein Interview aus aktuellem Anlass mit Andreas Wenger, ETH-Assistenzprofessor für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik am Zentrum für Internationale Studien (CIS) von ETH und Universität Zürich.

Das Interview führte Richard Brogle

Herr Professor Wenger, was dachten Sie, als Sie von der unglaublichen Serie der Terroranschläge hörten?

Ich sass gerade im Auto und hörte Präsident Bush am Radio und dachte daher weder an einen Scherz noch an einen Hollywood-Film, sondern an Freunde von mir, die im Pentagon arbeiten.

Welches waren die Ziele der Täter?

Das Ziel ist die Demütigung der einzig verbliebenen Supermacht. Die Täter wollten zeigen, dass selbst die USA stark verwundbar sind. Dazu haben sie sich zwei symbolträchtige Schaltzentralen ausgesucht – eine zivile und eine militärische.

Woher stammen die Täter?

Ich bin überzeugt, dass die Drahtzieher der Anschläge ausserhalb der USA zu suchen sind.

Woraus schliessen Sie das ?

Die Attentate sind eine Kriegserklärung gegen die westlichen Werte und einen Anschlag auf die Zivilisation. Die grosse Koordination und Ausführungspräzision zeigen auch, dass hinter den Anschlägen eine Organisation steht, die über grosse finanzielle Ressourcen verfügen muss. Es hat mich aber überrascht, dass eine Aktion von solchen Dimensionen tatsächlich möglich ist.

Könnten die Täter Globalisierungsgegner sein?

Das glaube ich nicht, aber die Täter haben die Vorteile der Globalisierung genutzt: durchlässigere Grenzen erlauben ihnen heute, an verschiedensten Orten der Welt Stützpunkte zu unterhalten. Mit militärischen Mitteln ist ihnen kaum beizukommen.

Welche Reaktionen der USA erwarten sie?

Meiner Meinung nach sind die Terroranschläge der schwerste Schock für die USA seit dem Vietnamkrieg. Innenpolitisch wird es zu gewaltigen Reaktionen führen. Erstens werden die Sicherheitsvorkehrungen enorm erhöht werden. Weiter wird sich – wie während des zweiten Golkriegs – das Zusammenleben mit arabischstämmigen Mitmenschen stark erschweren.

Und aussenpolitisch?

Ich rechne nicht mit einer Reaktion in den ersten Tagen und hoffe es auch nicht. Die USA müssen zuerst versuchen, sich einen Überblick über die Tragödie zu verschaffen.


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prof andreas wenger
Andreas Wenger, ETH-Professor für Sicherheitspolitik

Wird bei solchen Attentaten nicht das US-Raketenabwehrprogramm ad absurdum geführt?

Es ist klar, dass solche Selbstmordattentate damit nicht verhindert werden können. Dazu braucht es eine viel breitere Strategie. Aber der Druck auf Präsident Bush zur Durchsetzung des Raketenabwehrprogramms wird steigen, denn man wird fordern, die Verletzlichkeit der USA mit allen Mitteln zu minimieren.

Ist Europa auch in Gefahr?

Kaum. Vergleichbare Anschläge in Europa hätten nie die selbe Symbolkraft. Nein, die Attentäter wollten ganz klar die Weltmacht USA blossstellen. Und das haben sie erreicht. Das amerikanische Selbstvertrauen ist erschüttert worden. Aber die Amerikaner werden sich wieder fangen, hoffe ich.


Zur Person

Andreas Wenger ist seit dem 1. Oktober 1998 ETH-Assistenzprofessor für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik am Zentrum für Internationale Studien (CIS) von ETH und Universität Zürich.

Wenger verfasste seine Dissertation über die Rolle der Nuklearwaffen im internationalen System des Kalten Krieges. Kurz vor seiner Wahl zum Assistenzprofessor im Herbst 1998 arbeitete er als Visiting Fellow am International Security Studies Program der Yale University.

Zu seinen Schwerpunkten in Lehre und Forschung gehören Fragen der transatlantischen Beziehungen, der amerikanischen und russischen Aussen- und Sicherheitspolitik, der europäischen Sicherheitsarchitektur und der zukünftigen Ausgestaltung der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik. Andreas Wenger ist zudem Co-Projektleiter des International Relations and Security Network (ISN), einer elektronischen Netzwerkinitiative, die den sicherheitspolitischen Forschungsdialog fördert






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