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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 29.10.2001 06:00

Von der "Tox" zum NET
"Der Stoffhuberei entgegenwirken"

Er ist der neue "Mister NET": Christian Sengstag, der als Biologe begann und über die Hochschuldidatik zur modernsten Lerntechnologie kam. Auch in der ETH-World-Projektleitung hat der habilitierte Naturwissenschaftler kürzlich Einsitz genommen. ETH Life befragte ihn zu seinen Plänen und Zielen.

Interview: Norbert Staub

Herr Sengstag, was ist das NET und wozu ist es gut?

Christian Sengstag: Wir vom "Network for Educational Technology" bieten Dozierenden zum Beispiel Unterstützung beim Einsatz von Neuen Medien für ihre Lehrveranstaltungen. Stichworte dazu sind: Webbasiertes Lernen, Interaktivität (z.B. Diskussionsforen).

Worin liegen für Sie die Herausforderungen beim Lernen via Web?

Sengstag: Zum Beispiel bei der Ausarbeitung von interaktiven Lernprogrammen. Echte Interaktivität heisst, dass das System als Antwort auf eine Frage nicht einfach "richtig" oder "falsch" ausspuckt. Sondern dass ein echtes Feedback gegeben wird, bei dem auf mögliche Missverständnisse eingegangen wird. Das Schwierige dabei für den Dozenten ist, mögliche Fehler der Studierenden vorwegzunehmen und ins Fragebogen-Design zu integrieren.

Sie sind habilitierter Naturwissenschaftler. Wie kamen Sie zum NET?

Sengstag: In den neunziger Jahren baute ich innerhalb der ETH-Instituts für Toxikologie eine molekularbiologische Forschungsgruppe auf. Nach meiner Habilitation 1996 gab ich vermehrt Vorlesungen - die Lehre faszinierte mich, insbesondere auch alles, was mit dem Einsatz Neuer Medien zu tun hatte. So wurde ich zum NET-Kunden. Es entspann sich eine sehr gute Zusammenarbeit, in welcher ein netzbasiertes Begleitprogramm zu meiner Vorlesung über chemische Kanzerogenese entstand. 1997 wurde dann bekanntlich entschieden, das Institut für Toxikologie zu schliessen. Das erleichterte mir die Richtungsänderung in meiner Karriere. Seit zwei Jahren bin ich im Didaktikzentrum (www.diz.ethz.ch ) der ETH Leiter der Dozentenausbildung und im Juli 01 habe ich die Funktion der NET-Leitungübernommen.

telepoly
Hier bietet NET unterstützendes Know-how an: "Telepoly" im ETH-Medienzentrum, das die Direktübertragung einer Vorlesung in pharmazeutischer Chemie von Zürich nach Basel erlaubt - und umgekehrt. gross

Sie haben also Ihre Forscher-Vergangenheit abgestreift?

Sengstag: Nicht ganz. Mein Know-how als Wissenschaftler kommt mir jetzt bei der Schaffung neuer Lerninstrumente enorm zugute. Sehen Sie: das übliche Lernverständnis der Studierenden ist problematisch. Normalerweise wird nicht so sehr während des Semesters, sondern zeitverzögert auf Prüfungen hin gelernt. Dabei ist es für die Lernenden entscheidend, Stoff unmittelbar zu verarbeiten. Mit durchdachtem Einsatz Neuer Medien lässt sich der reinen Stoffhuberei entgegen wirken.

Was wollen Sie bei NET im Vergleich zu Ihrem Vorgänger Hans Hänni anders machen?

Sengstag: Es soll keine grundsätzlichen Änderungen geben. Wichtig ist, den hohen Standard beizubehalten. Ich kann vielleicht wie angetönt mehr Dozierenden-Erfahrung einbringen. Ich möchte auch, dass an dieser Hochschule ein stärkeres Bewusstsein entsteht für die Möglichkeiten, welche die Neuen Medien für den Lehralltag eröffnen. In den Naturwissenschaften herrscht chronischer Zeitmangel - gerade auch für didaktische Neuerungen. Beim NET tragen wir dem Rechnung, indem wir an Lösungen nach dem Prinzip "Plug and Play" arbeiten, an Lernumgebungen, die intuitives Arbeiten zulassen.


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christian sengstag
Will an der ETH das Potential der Neuen Medien für den Lehrbetrieb bewusst machen: NET-Leiter Christian Sengstag. gross

Sie arbeiten neuerdings auch in einem anderen virtuellen ETH-Bereich in einer Schlüsselstellung, nämlich im Projektleitungs-Team von ETH World. Welche Akzente wollen Sie dort setzen?

Sengstag: Da ich, wie Sie richtig sagen, bei ETH-World noch sehr neu bin, sehe ich auch nicht überall dahinter. Auf mich macht ETH World derzeit noch schwergewichtig den Eindruck eines Infrastrukturprojekts, sprich: das Leben der ETH-Angehörigen soll mittels Technologie erleichtert werden - siehe das Projekt "Neptun". Bei vielem an ETH World besteht noch grosser Gestaltungsspielraum - so fehlt mir noch etwas der klare Bezug zu den Naturwissenschaften. Als mögliches konkretes Projekt sähe ich hier etwa die Ermöglichung einer webbasierten Administration von Gruppenseminaren.

Wagen wir einen Ausblick: Wie wird an der ETH in zehn Jahren gelehrt werden?

Sengstag: Der grösste Unterschied wird sein: Es gibt keine klassischen Vorlesungen mehr.

Warum?

Sengstag: Weil sie als ineffizient erkannt werden. Wer noch auf diese Art doziert, sieht sich je länger je mehr der Konkurrenz von guten Lernprogrammen ausgesetzt. Aus heute noch frontal Dozierenden werden Diskussionsleiter und Moderatoren für gezielte Problemlösungen. Zudem werden gedruckte Lehrbücher zur Seltenheit werden: alles muss und wird online verfügbar sein. Und nicht zuletzt: In der Lehre wird eine stärkere Aufgabenteilung Fuss fassen. Es wird Spezialisten für das Fach selbst, für die Didaktik sowie für die multimediale Umsetzung der Lehrveranstaltung geben.

Vorlesungen - und damit auch die Generierung von Wissen - leben doch von der direkten Interaktion zwischen Dozierenden und Studierenden. Besteht, wenn im Prinzip alles vom Studierzimmer aus möglich ist, nicht die Gefahr der Verarmung?

Sengstag: Nicht unbedingt. Wenn die Vorlesungen mit Hunderten von Hörern wegfallen, entsteht Zeit und Raum für Treffen kleinerer Lernteams, und die Dozierenden haben mehr Gelegenheit, diese – nicht nur online – zu betreuen. Dass dies alles nicht nur Zukunftsmusik ist, zeigt zum Beispiel der Fonds "Filep" des ETH-Rektorats, wo ab 2002 jährlich vier Millionen Franken für innovative Lernprojekte bereitstehen. Soeben wurden bei der zweiten Ausschreibung 24 Projekte eingereicht - ich meine: eine eindrückliche Zahl.


Blick auf den Stand der Dinge

Gleich mit zwei vom NET organisierten Tagungen gibt die ETH in diesen Tagen Einblick in den Stand der Dinge in Sachen Einsatz Neuer Medien in der Lehre:

Am Freitag, 2. November findet im ETH-Zentrum die "NET'2001" statt, eine Tagung, die sich mit dem Einsatz neuer Medien im Hochschulunterricht auseinandersetzt. Fachleute für die universitäre Lehre aus dem In- und Ausland werden über neueste Technologien und deren Konsequenzen für Lehrende und Lernende informieren und diskutieren.Tags darauf, am 3. November, findet im Audimax der ETH die Fachtagung "Unterrichten mit Neuen Medien" statt. Diese Fachtagung versteht sich als Forum für Pädagogen und Anwender von der Volks- bis zur Fachhochschule.



Literaturhinweise:
Weitere Informationen zu den Tagungen finden Sie unter: www.net.ethz.ch/public_html



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