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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 01.07.2004 06:00

Fachtagung "Waldwirtschaft und Senken in der Schweiz"
Der Wald in der Klimapolitik

Landökosysteme nehmen global gesehen einen beträchtlichen Teil des vom Menschen ausgestossenen CO2 auf. Auch die Schweizer Wälder nehmen netto mehr Kohlenstoff auf als sie abgeben. Anfang Woche diskutierten Fachleute an einer Tagung, welche Rolle diese Senken zukünftig in der schweizerischen Klimapolitik spielen sollen.

Von Felix Würsten

Im Prinzip ist sich die internationale Staatengemeinschaft einig: Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre muss innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf einem vertretbaren Niveau stabilisiert werden. Wie das konkret bewerkstelligt werden soll, darüber gehen die Meinungen jedoch auseinander. Umstritten ist etwa, welche Rolle biologische Senken bei der Lösung des Problems übernehmen sollen. Unter gewissen Bedingungen können Landökosysteme mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen, als sie an diese zurückgeben, mithin also einen Teil der anthropogenen CO2-Emissionen absorbieren. Das Kyoto-Protokoll, das einen ersten, wenn auch bescheidenen Schritt zur Reduktion der menschlichen Treibhausgas-Emissionen darstellt, erlaubt es den unterzeichnenden Staaten, die Leistung dieser Senken an ihre Reduktionsverpflichtungen anzurechnen. An einer Fachtagung (1) am letzten Montag diskutierten rund hundert Fachleute an der ETH Zürich, welche Bedeutung biologische Senken für die Schweiz haben und inwieweit diese in die hiesige Klimapolitik einbezogen werden sollen.

Bedeutender Beitrag zum Kreislauf

Für Andreas Fischlin vom Institut für terrestrische Ökologie (ITÖ) (2) der ETH Zürich ist klar, dass Senken sicher nicht das alleinig selig machende Mittel sind, um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Der Einbezug der Landökosysteme sei für einen erfolgreichen Klimaschutz jedoch unabdingbar, macht doch der Austausch zwischen diesen Systemen und der Atmosphäre einen beträchtlichen Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs aus. Zudem werde so verhindert, dass einzelne Staaten ihre Wälder übernutzen, um fossile Brennstoffe zu substituieren.

Die konkrete Umsetzung dieses Bereichs des Kyoto-Protokolls ist allerdings äusserst delikat. Grundsätzlich können die Staaten nur Senkenleistungen von bewirtschafteten Wäldern anrechnen lassen. Was aber heisst "Bewirtschaftung" konkret? Gehört dazu auch die ökonomisch bedingte Vergandung des Weidelandes im Alpenraum, die zweifellos zu einer vermehrten Aufnahme von Kohlenstoff führt? Oder die Bekämpfung von Waldbränden, die umgekehrt CO2-Emissionen verhindert? Und was geschieht, wenn nach einem grossen Sturm plötzlich aus einem "Senkenwald" eine Quelle wird, weil die umgeworfenen Bäume vermodern und der eingelagerte Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre zurückfliesst?

Was ist ein Wald?

Unter den heutigen Bedingungen gehören auch die Schweizer Wälder zu den biologischen Senken. Gemäss Kyoto-Protokoll könnte sich die Schweiz eine Senkenleistung anrechnen lassen, die etwa drei Prozent der gesamten CO2-Emissionsmenge entspricht. Würde sie das tun, müsste sie in der ersten Verpflichtungsperiode 2008 – 2012 ihre Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 nur noch um fünf statt um acht Prozent senken.

Angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten, die selbst gewählten Reduktionsverpflichtungen einzuhalten, fordern vor allem bürgerliche Politiker, von dieser Option Gebrauch zu machen. Dazu müssten vorerst aber noch verschiedene rechtliche Fragen geklärt werden, wie Erwin Hepperle vom ITÖ erläuterte. Die Kantone verfügen heute bei der Festlegung, was ein Wald ist, über einen gewissen Spielraum. Die Anrechnung gemäss Kyoto-Protokoll würde jedoch eine einheitliche Walddefinition erfordern. Die Kompetenzen der Kantone müssten also beschnitten werden. Zudem drohen unerwünschte Nebeneffekte. Der qualitative Waldbegriff der heutigen Gesetzgebung ist mit der quantiativen Definition des Kyoto-Protokolls nicht durchwegs kompatibel. Kleine, ökologisch wertvolle Waldstücke könnten also den gesetzlichen Schutz verlieren, weil sie nicht mehr als Wald ausgewiesen werden können.


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Waldfläche Berneren bei Unterägeri zwei Jahre nach dem verheerenden Sturm "Lothar". In den Jahren nach dem Sturm nahmen die Schweizer Wälder insgesamt deutlich weniger Kohlenstoff auf als in den vorangegangenen Jahren.(Bild: Thomas Hess, Korporation Unterägeri) gross

Kontraproduktive Nutzung

Würde man die eidgenössische Forstpolitik zukünftig nur noch auf eine maximale CO2-Aufnahme ausrichten, so müsste man den Wald am besten sich selbst überlassen. Zu diesem Schluss kommt Edgar Kaufmann von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) auf Grund von Modellrechnungen. Eine stärkere Nutzung und Verjüngung der überalterten Wälder, wie dies das gegenwärtige Waldprogramm des Bundes vorsieht, ist aus Sicht des Klimaschutzes eher kontraproduktiv, da die Kohlenstoffbilanz der Wälder dadurch viel ungünstiger ausfällt.

Peter Hofer von der Firma "GEO Partner" bezweifelt jedoch, dass eine vermehrte Nutzung des Waldes aus klimapolitischer Sicht wirklich so ungünstig wäre. Wird das Holz etwa zum Bau von Häusern gebraucht, entweicht der im Holz gebundene Kohlenstoff ja nicht sofort wieder in die Atmosphäre. Das Kyoto-Protokoll erlaubt es allerdings nicht, die Verwendung von Bauholz als Beitrag zur Emissionsreduktion anzurechnen. Entsprechende Verhandlungen auf internationaler Ebene sind zwar im Gang, dürften aber erst in acht bis zehn Jahren abgeschlossen sein.

Abgeltung der Waldbesitzer

Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion bestätigte sich, dass es rund um die biologischen Senken noch zahlreiche offene Fragen gibt. Peter Hofer plädierte beispielsweise für eine Gesamtbetrachtung von Holz- und Waldnutzung. Eine einseitige Fokussierung auf die Senkenleistung sei nicht gerechtfertigt, zumal jede biologische Senke innerhalb von wenigen Jahrzehnten aufgefüllt sei. Auch Christian Küchli, Bereichsleiter Wald und gesellschaftlicher Wandel bei der Eidgenössischen Forstdirektion, plädierte für eine gesamtheitliche Sicht, die den verschiedenen Interessen und Anforderungen an den Wald gerecht wird.

Felix Lüscher, Vertreter der Oberallmeindkorporation Schwyz, der grössten Waldeigentümerin in der Schweiz, vertrat hingegen dezidiert die Auffassung, Senken müssten auch in der Schweiz an die CO2-Bilanz angerechnet werden und die Waldbesitzer seien für diese Leistung zu entschädigen. Eine Abgeltung der Senkenleistung fällt beim heutigen CO2-Preis von etwa 10 Franken pro Tonne zwar nicht gerade üppig aus. Lüscher hofft jedoch, dass der CO2-Preis in einigen Jahren massiv ansteigen wird und sich eine klimafreundliche Waldpflege dannzumal auszahlen wird.


Fussnoten:
(1) Eine zweite Fachtagung thematisierte am darauf folgenden Tag die Frage: "Chancen und Risiken biologischer Kohlenstoffsenken - Was und wieviel wissen wir?" Informationen zu dieser Tagung finden sich unterwww.ito.umnw.ethz.ch/SysEcol/Senkentagung/Sinks29_D.html
(2) Homepage des Instituts für Terrestrische Ökologie: www.ito.umnw.ethz.ch/



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