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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.02.2002 06:00

Von der Forschung gesucht: freiwillige Probanden
Probieren geht neben Studieren

An ETH und Uni Zürich sind freiwillige Probanden sehr gesucht. Die Annoncen klingen harmlos. Doch sind es die Experimente auch? Experten raten, zum Beispiel beim Hausarzt immer eine zweite Meinung einzuholen. Tatsache ist: Wer seinen Körper für wissenschaftliche Experimente zur Verfügung stellt, behält ein Restrisiko.

Von Axel Lier

ETH-Student Peter H. (28) ist als Proband ein Experte. Macht zehn bis 15 Experimente im Jahr mit, kennt sich aus. Seinen vollen Namen möchte er nicht in ETH Life lesen: Aus Angst, bei künftigen Jobs ausgeschlossen zu werden. Peter ist nicht der einzige Proband im Dauereinsatz. "Da gibt es noch zwei, drei andere", sagt er. Alle von der ETH. Man kennt sich, trifft sich immer wieder und gibt sich Tipps, wo leicht Geld zu holen ist.

Einträgliches "Multitasking"

Warum stellt er seinen Körper zur Verfügung? "Man kann so Geld verdienen, ohne dass man den Finger krumm machen muss", sagt Peter. Doch von sporadischen Probanden-Jobs kann niemand leben. Sein Trick: "Man muss verschiedene Versuchsreihen nebeneinander laufen lassen." Nicht immer einfach. Gerade wenn Peter Psychopharmaka schlucken und danach zum Ausdauer-Test bei den Sportwissenschaftlern muss. Oder zum Test mit blutdrucksteigernden Mitteln, danach Schlaflabor. "Herzrasen, Übelkeit oder totale Erschöpfung sind normal", sagt er gelassen.

Peters grösste Sorge gilt nicht seiner Gesundheit, sondern dass man ihn als Parallel-Proband erwischen könnte. Um das Risiko klein zu halten, meldet er sich mit unterschiedlichen Namen. Manchmal ist das gar nicht nötig. Peter: "Viele Versuchsleiter an der ETH geben die E-Mail-Adressen der Probanden an Kollegen weiter. Die sind froh über jeden potentiellen Kandidaten."

Forschung ist auf Probanden angewiesen

"Ohne Probanden wäre unsere Arbeit unmöglich", bestätigt Marc Frauchiger, Doktorand der Agrar- und Lebensmittelwissenschaften an der ETH. Sein aktuelles Forschungsprojekt - die Wirkung von Chrom auf den Stoffwechsel - hat Peter ausgelassen: "Zu viel Aufwand, zu wenig Geld", sagt er und winkt ab. Für die dreimonatige Studie braucht Frauchiger 25 Probanden, die er selbst organisieren muss. Seine Erfahrung: Auf Inserate melden sich vor allem Sport- und Medizinstudenten, weil sie etwas über ihren Körper erfahren möchten. Und Studierende aus dem Ausland, weil sie nicht arbeiten dürfen, aber Geld brauchen. Häufig springen Freiwillige wieder ab, aus Zeitmangel oder aus Angst. Dabei erklärt Marc Frauchiger die Risiken genau. Jederzeit kann man aus dem Experiment aussteigen. Und: Alle Probanden sind per ETH-Haftpflichtversicherung abgesichert.

Gesuche am Schwarzen Brett und im Internet locken mit hohem Lohn. Bis zu 600 Franken. Je nach Dauer und Unannehmlichkeit. Doch wie gefährlich sind die Experimente? "In der Regel handelt es sich um harmlose Projekte, noch nie wurde eine Studie von uns abgelehnt, höchstens zur Überarbeitung noch mal zurückgewiesen", bestätigt Hans-Peter Schreiber, Vorsitzender der Ethik-Komission der ETH.


Aktuelle Projekte mit Probanden
auflistungszeichen Untersuchung zur Wirkung von tibetischem Heilmittel (Padma) auf Blutfette und Gefässwand. Gesucht werden Probanden im Alter zwischen 30 und 60 Jahren (Frauen bis 65). Vergütung: Nach Absprache. Infos unter: ruth.schindler@dim.usz.ch.
auflistungszeichen Gesichter mit dazugehörigen Berufen sollen eingeschätzt werden: Passen Gesicht und Beruf zusammen? Gesucht werden männliche Probanden, Studenten, Muttersprache deutsch. Zeitaufwand: ca. eine Stunde. Vergütung: 25.-. Ort: Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Lenggstrasse 31.
auflistungszeichen Einfluss des Erythropoietin (EPO) auf das Plasmavolumen. Gesucht werden gesunde männliche Probanden mit Grundlagenausdauer (mindestens 18 Jahre alt). Weitere Infos unter: sabine.hartmann@fhk.usz.ch.




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proband
Versuchsleiter erklären die Experimente mit Probanden für harmlos - doch es gibt auch skeptische Stimmen. gross

Diese beurteilt den gesundheitlichen Gefährdungsgrad und entscheidet dann, ob eine Studie zugelassen wird. Unter 30 bis 40 begutachteten Experimenten am oder mit Menschen ist auch Skurriles wie die Erforschung der optimalen ergonomischen Form einer Zahnbürste. Die Kommission sieht sich als Anwalt der Probanden. Aber: "Wir kritisieren nicht Wege und Methoden der Studien", warnt Schreiber, "wer ganz sicher gehen will, holt sich eine zweite Meinung ein, vom Hausarzt zum Beispiel."

Folgeschäden ausgeschlossen?

"Bei kleinen Strahlenbelastungen ist eine genaue Abschätzung des Risikos nicht möglich", so Alfred Buck, Leitender Arzt im Uni-Spital, Abteilung Nuklear-Medizin. Das Positronen-Emissions-Tomographie-Zentrum (PET) arbeitet mit etwa 100 freiwilligen Studenten pro Jahr. Bei PET-Untersuchungen werden Stoffwechselvorgänge im Körper erfasst. Dazu werden den Probanden radioaktive Substanzen in die Blutbahn gespritzt. Anschliessend kommen sie in eine Röhre. Auf dem Computer kann man dann sehen, wie Gehirn oder Herz arbeiten. Wie gross ist das gesundheitliche Risiko? "Grosse Strahlenbelastungen können zu Mutationen im Erbgut und zur Begünstigung von Tumorentstehung führen", sagt Buck. Bei PET-Untersuchungen sei das aber ausgeschlossen: "Die Belastung beträgt vier bis fünf Millisievert. Das ist etwa so hoch, wie wenn der Zürcher Proband ein Jahr in den Jura zügeln würde", erklärt der Nuklear-Mediziner. Dort sei die natürliche Strahlung höher.

Um das Thema Folgeschäden machen Ärzte, Doktoranden und Versuchsleiter meist einen grossen Bogen. Alle Projekte seien vom Ethik-Rat abgesichert. Das höchste Risiko seien blaue Flecken. Auch Roger Lüchinger hält Folgeschäden bei Probanden für ausgeschlossen. Er arbeitet als Doktorand am Institut für Biomedizinische Technik der Universität und ETH. Er beschäftigt sich mit den Sicherheitsaspekten von Magnetresonanzbildgebung (MRI). Bei MRI werden starke Magnet- und Radiofrequenzfelder verwendet. Man kann damit beispielsweise untersuchen, wie das Erinnern im Gehirn funktioniert. Für solche Studien werden oft Probanden eingesetzt. "Das Gefährlichste an einer MRI-Untersuchung ist der Weg zum Spital und wieder nach Hause", sagt Roger Lüchinger.

Umstritten: Tests mit Ecstasy

Es bleiben Zweifel, auch innerhalb der Ärzteschaft. Besonders umstritten sind MDMA-Experimente, also Studien mit Ecstasy. "Ich bin überzeugt, dass es auch bei einer einmaligen Verabreichung einer geringen Dosis Ecstasy zu einer Vergiftung der Nerven kommen kann", behauptet ein Arzt der Psychiatrischen Universtitätsklinik Burghölzli in Zürich, der anonym bleiben möchte. "Oft bin ich mir nicht sicher, ob die Probanden über alle Risiken aufgeklärt werden", zweifelt er. Trotz umfangreicher Voruntersuchungen reagiere jeder Proband auf die Substanz anders. Nebenwirkungen wie Psychosen, Delirium und Krämpfe seien zwar selten. "Ich war aber Zeuge, als der Blutdruck bei einigen sehr schnell in einen kritischen Bereich stieg. "Für Probanden, die ohne ihr Wissen Herz-Kreislauf-Schädigungen haben, kann das sehr böse Folgen haben", warnt er. Überhaupt seien Vorschäden - auch psychische - oft nicht bekannt. Oder sie werden verheimlicht, um den Lohn trotzdem einstecken zu können.

Fest steht: Vor Ort könne man im Notfall sofort helfen. Doch gesund sei das Ganze sicher nicht. - Profi-Proband Peter zupft zwei Zettel vom Schwarzen Brett in der ETH-Cafeteria, will sich für eine Ultraschall-Gefässreaktions-Studie und einen MDMA-Test als Proband melden. Solange er keine ernsthaften Nebenwirkungen spürt, will er bei allem mitmachen, was leicht Geld bringt. Peter: "Sollte mein Körper irgendwann doch mal streiken, kann ich meine Mutter um Rat fragen." Sie ist Krankenschwester im Uni-Spital.




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