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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 07.07.2002 06:00

ETH-Studierende zwischen Prüfungsstress und Sommervergnügen
... denn sie wissen, was sie tun

Die ganze Schweiz freut sich auf die Sommerferien, verdrängt jegliche Gedanken an den nächsten Herbst. Die ganze Schweiz? Nein, ein kleines Völkchen hält die Stellung und hat nur die kommende Jahreszeit mit zahlreich anstehenden Prüfungsterminen vor Augen – die ETH-Studierenden. Von einem Pflicht erfüllten Leben rund um bQm und Polyterrasse.

Von Silvan Lerch

"Vieni stasera?" Der braun gebrannte Mitzwanziger mit trendiger Irokesenfrisur setzt sich lässig aufs Geländer unter dem knallgelben Sonnenschirm. Die angesprochene junge Dame im Sommerkleid nimmt einen weiteren Schluck Ice Tea, blickt von ihrem Plastikstuhl auf und nickt.

Ein Hauch Italianità

Wenige Meter von dieser Szenerie entfernt sitzt Esther Müller: "Die Atmosphäre hier erinnert mich ein wenig an Italien." Kein Wunder, befinden wir uns doch an der schönen Seepromenade Locarnos oder zumindest vor dem viel besuchten Frascati an Zürichs Flaniermeile beim Utoquai, nicht wahr? - Aber nein, weit gefehlt!

polyterrasse stud
Naheliegende Synthese: Luft- und Wissenszufuhr auf der Polyterrasse. gross

Die zukünftige Umweltingenieurin Esther Müller geniesst einige freie Minuten vor dem bQm, dem Studierendencafé der ETH! Gleiches gönnt sich Adrian Baumeyer, einer der vielen Stammgäste der 1997 eröffneten Lokalität. "Hier trifft man Gleichgesinnte und kann erst noch zu günstigen Preisen feine Getränke oder Snacks konsumieren", begründet der Informatik-Student seine regelmässigen Besuche.

Dauerbrenner Cappuccino und Bier

"Bei uns herrscht ein familiärer Umgang zwischen Gästen und Angestellten. Ausser mir und einer weiteren Person sind sie ja alle Studierende", streicht Geschäftsführerin Anja Brons heraus. Insgesamt kommen im Service bis zu 30 Immatrikulierte von ETH und Universität zum Einsatz - und schenken täglich 1'200 Cappuccinos und Kaffees sowie 400 Liter offenes Bier aus. Ein nötiger Umsatz, denn Ende Jahr muss das bQm der Auftraggeberin ETH einen Gewinn von 150'000 Franken vorweisen. 15 Prozent dürfen in den Kulturfonds des VSETH investiert werden, der Rest dient zur Defizitdeckung der Mensen. Dafür fallen keine Miet-, Strom oder Wasserkosten an.

Anja Brons legt Wert darauf "dass unsere Tische nicht vollgepfercht werden mit Büchern und Laptops. Unsere Gäste sollen sich hier austauschen und entspannen können." Dies gelingt ganz offensichtlich, wie Teilzeitkraft Matylda Walczak bestätigt: "Der Hochschul-Kontext ist bei uns nur selten spürbar." Orte des Lernens gibt es an der ETH genügend. Diese werden denn auch rege genutzt. "Die Studierenden scheinen mir in den letzten zwei Jahren seriöser geworden zu sein. Das bQm jedenfalls hält bestimmt niemanden davon ab, sein Studium gewissenhaft zu betreiben", versichert Anja Brons.

Lernen, was das Zeug hält

Beim intensiven Lernen anzutreffen ist beispielsweise Susanne Wydenkeller. Vor ihr liegt mit "Fundamentals of Biochemistry" ein äusserst dicker Brocken, aufgeschlagen etwa in der Mitte - auf den Seiten 762 und 763.


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poly terrace
Lernen - oder doch lieber an den See? Studierende vor der sommerlichen Qual der Wahl. gross

Um nicht Gefahr zu laufen, im Herbst durch das 1. Vordiplom in Biologie zu rasseln, hat Susanne gar ihre 10-Prozent-Arbeitsstelle aufgegeben. "Mehr als sechs Stunden pro Tag zu lernen, halte ich aber nicht aus“, gesteht sie. Gar sieben Stunden hat sich über die vorlesungsfreie Zeit Isaak Tsalicoglou vorgenommen - und kommt so beinahe an die Vorgaben des Professors heran, der noch 60 Minuten mehr empfohlen hat! Der Maschinenbau-Student empfindet es als normal, über den Sommer Buch um Buch zu wälzen, anstatt länger in die Ferien verreisen zu können. Eines stört ihn jedoch: "In der ETH-Bibliothek hat es gar keinen Platz für uns, da dort bereits so viele Studierende der Universität sind!"

Selbstdisziplin der noch strikteren Art legt Martin Bräker an den Tag. Obwohl er sein 1. Vordiplom in Physik im Herbst abzulegen hat, wird er die nächsten 8 Wochen 100 Prozent auf einer Bank arbeiten – und trotzdem versuchen, sein Studium nicht zu vernachlässigen. "Ich werde halt jeweils abends lernen und nur noch einmal die Woche ausgehen." Permanenter Druck und allfälliger Zeitmangel setzen dem Zweitsemester nicht zu: „Das Studium macht man ja freiwillig."

Sonnenschein und Schattenseiten

Von dieser vorbildlichen Haltung will sich Daniel Ott nicht anstecken lassen. „Bist du bereits in der Badi?“, erkundigt sich der Umweltingenieur per Handy und fasst spontan den Entschluss, die Polyterrasse zu Gunsten des kühlen Nass aufzugeben: "Ich komme gleich!" Einen relaxten Eindruck hinterlassen auch Felix Hofer und Sven von Fellenberg. Gemütlich frönen sie in der Schaukel vor dem bQm ihrem Bier - die Ruhe vor dem Sturm. "Uns stehen 3 Monate Praktikum bevor", seufzen die Maschinenbauer im 6. Semester, "aber wir sind es uns langsam gewohnt, wegen der ETH auf Sommerferien zu verzichten!"

Ähnlich denken alle Befragten. Trotz wenig Freizeit und einer starken finanziellen Abhängigkeit von den Eltern ziehen sie das Studium einer herkömmlichen Arbeit vor. "Sich weiterzubilden ist allemal interessanter, als vom Büro aus aufs sommerliche Treiben zu blicken!", fasst der kurz vor seinem Abschluss stehende Umweltnaturwissenschafter Roland Steiner zusammen.

Prioritäten setzen - in jeder Lebenslage

Diesem sommerlichen Treiben ist Christian Betschart nicht abgeneigt. Ob es ihm nicht missfalle, bei Höchsttemperaturen und verlockendem Sonnenschein zu lernen? "Nein, nein", schüttelt der Informatik-Student lachend den Kopf. Offenbar gilt es aber zuerst einmal, den Bier offerierenden „Kontrahenten“ beim Tischfussball zu schlagen. Sich aufs 1. Vordiplom vorzubereiten, ist unmittelbar danach angesagt... Viel Zeit bleibt da für Ferien nicht. Davon kann auch Magalie Sanctvary ein Lied singen. Sie wird die Sommermonate zwar im Ausland verbringen, jedoch in ihrem Heimatland Luxemburg - "aus Angst, hier zu stark abgelenkt zu werden". Denn ihre Eltern haben ihr zu verstehen gegeben, dass sie den Aufenthalt in Zürich nur weiter finanzieren, wenn sie ihr 1. Physik-Vordiplom auf Anhieb besteht. Schöne Aussichten!




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