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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 27.03.2001 06:00

Wissenschafter und ein Bauernvertreter zum verregneten letzten Monat
Regen im März: Symptom oder Zufall?

Der März 2001 wird meteorologisch als Regenmonat in Erinnerung bleiben. Ein Klimatologe, ein Vertreter des Bauernverbandes und ein Agrarwissenschafter nehmen von ihrer Warte aus Stellung und setzen einen grösseren Rahmen.

Von Christoph Meier

"Der diesjährige März ist der regenreichste seit Jahren", meldet die Sonntagszeitung, und weitere Medienberichte über die angespannte Hochwasserlage scheinen es zu bestätigen. Erkundigt man sich bei Meteo-Schweiz, so zeigt sich, dass bis zum 22. März von den 30 aufgeführten Stationen nicht weniger als 14 den bisherigen Monats-Höchstwert bereits überboten haben. In den Zentralalpen sind aber die Niederschlagsmengen nur zum Teil leicht über der Norm, oft sogar deutlich darunter. Ist also die Wetterdiskussion nur eine mediale Schaumschlägerei?

Ein Rekord macht noch keine Klimaerwärmung

Angesprochen auf den verregneten März erläutert der ETH-Klimatologe Christoph Schär (1): "Unsere Atmosphäre ist ein in hohem Grade nichtlineares und chaotisches System. Demzufolge besteht nur eine beschränkte Kausalität. Das bedeutet, dass die Ursache einzelner Wetterereignisse aus prinzipiellen Gründen nicht quantifiziert werden kann. Längerfristige und grossräumige Trends hingegen - wie sie sowohl in der Temperatur als auch im Niederschlag seit Beginn des letzten Jahrhunderts festgestellt werden - lassen sich jedoch mit der Klimaveränderung in Verbindung bringen.

Das globale Klima ist gegenwärtig im Begriff, den natürlichen Schwankungsbereich der letzten 1000 Jahre zu verlassen. Auf der Nordhemisphäre war es seit mindestens 400 Jahren nicht mehr so warm wie im letzten Jahrzehnt. Die gegenwärtige Warmphase kann nicht mehr mit natürlichen Schwankungen des Klimas erklärt werden."

klima maerz regen
Ein typisches Bild vom Zürichsee im Monat März.

Im Bezug auf Europa konstatiert Schär, dass in den letzten 100 Jahren der Temperaturanstieg deutlich schneller voranschritt als im globalen Mittel. Das hängt mit den veränderten Druckverhältnissen über dem Nordatlantik zusammen. Diese Beobachtungen seien innerhalb der Unsicherheitsbalken konsistent mit Klimaszenarien des anthropogenen Treibhauseffekts. Auf die Frage, ob der vermehrte Schneeniederschlag in den höheren Lagen der Alpen nicht auch Wasser binde und so stabilisierend wirken könne, entgegnet der Experte: "Im Alpenraum hat in der Tat eine beträchtliche Zunahme der winterlichen Niederschlagsmengen stattgefunden, in höheren Lagen als Schnee, in tieferen als Regen. Infolge der höheren Temperaturen hat dies jedoch einen negativen Nettoeffekt auf die Schneespeicherung.


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klima regen
Erachtet die momentane Erwärmung als unnatürlich: der ETH-Klimatologe Christoph Schär. gross

Die veränderten Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse führen zu einem veränderten Abflussverhalten von Flüssen, welches im Winterhalbjahr durch schnellere Abflussbildung gekennzeichnet ist."

Es muss gehandelt werden

Für die Zukunft erkennt Schär weitreichenden Handlungsbedarf. So habe sich die Wissenschaft nicht nur der Problemerkennung, sondern auch der Problemlösung anzunehmen. Erste Ansätze sind bereits in die internationalen Klimakonferenzen eingeflossen. Die weitere Verfeinerung von Klimamodellen und Szenarien, die Erarbeitung von Lösungsstrategien sowie deren Umsetzung auf einer globalen Skala benötigt Anstrengungen aus einem breiten Spektrum von Disziplinen, von der Mathematik über die Ingenieurwissenschaften bis zu den Gesellschaftswissenschaften. Dass die Wissenschaft sich um das Klima bemüht, erkennt man am dritten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC) (2), der am Montag vor einer Woche in Bern vorgestellt worden ist, oder dem "2nd Swiss Global Change Day" (3):, der am 6. April stattfinden wird.

Die Böden sind ausgewaschen

Welche Folgen haben die vermehrten Niederschläge aber auf unmittelbar Betroffene wie die Bauern? Bezogen auf dieses Jahr, sieht es gemäss Josef Wüst vom Bauernverband (4) folgendermassen aus. Die Aussaat von Sommerweizen, Sommergerste, Hafer und Ackerbohnen sowie das Auspflanzen von Frühkartoffeln und Kopfsalat-, Kohlrabi- und Kabissetzlingen wird verzögert oder zum Teil sogar verunmöglicht. Für eine Abschätzung der Einbussen sei es aber noch zu früh. Kurzfristig gilt, abwarten und auf besseres Wetter zu hoffen.

Grundsätzlich stimmt Ulrich Walther von der eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau im Reckenholz (5): mit dem Bauernvertreter überein. Er erwähnt als weitere Folgen des regnerischen Wetters, dass infolge der verspäteten Aussaat beim Sommergetreide kaum mehr Spitzenerträge möglich sein werden. Zusätzlich werde sowohl für Sommer- wie auch für Wintergetreide mehr Stickstoff-Dünger eingesetzt werden müssen, da der bodenbürtige Stickstoff grösstenteils ausgewaschen wurde. Teilweise sei das Wintergetreide durch stehendes Wasser auf den Feldern verfault.

Angesprochen darauf, ob die Bauern sich mit einer möglichen Klimaerwärmung schon arrangieren, erwidert Wüst, dass die Bereitschaft für den Anbau von Sonnenblumen und Sojabohnen zugenommen habe. Der Bauernvertreter vermutet auch, dass die Klimaerwärmung zum Teil für die erhöhten Märzniederschläge mitverantwortlich sei. Er schätzt die heutige Situation als ausserordentlich ein und fügt an: "Die Bauern wissen mit Wetterkapriolen umzugehen."


Fussnoten:
(1) Institute for Climate Research: www.geo.umnw.ethz.ch/
(2) Intervovernmental Panel on Climate Change: www.ipcc.ch/
(3) 2nd Swiss Global Change Day: www.proclim.unibe.ch/Events/2CHGCDay/2ndCHGCDay.html
(4) Bauernverband: www.bauernverband.ch/
(5) Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau im Reckenholz: www.admin.ch/sar/scripts/get.pl?fal+index_d.html+0+90010



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