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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 16.03.2004 06:00

Identifikation von Polymeren in Aerosolen
Durchblick im Feinstaub

Der Feinstaub in der Luft, die Aerosole, beeinflussen das Klima und die Gesundheit des Menschen. Forscher der ETH und des Paul Scherrer Instituts brachten nun Licht in den Staub. In einer in Science erschienenen Studie konnten sie zum ersten Mal zeigen, dass der organische Anteil an den Aerosolen zu einem grossen Teil aus Polymeren besteht. Diese erwiesen sich als weniger flüchtig als ihre Vorläufersubstanzen, was die bisherigen Modelle zum Einfluss des Feinstaubs in Frage stellt.

Von Christoph Meier

„Die Belastung der Luft mit winzigen Staubteilchen ist heute eine der grössten Herausforderungen für unsere Luftreinhalte-Politik.“ Das schreibt das Buwal in seinen Informationen zu den schwebenden Partikeln, deren Durchmesser kleiner als zehn Mikrometer ist. Der Grund für diese Einschätzung liegt einerseits in der gesundheitlichen Bedrohung durch die Aerosole, indem diese aufgrund ihrer Grösse bis in die feinsten Verästelungen der Lunge eindringen. Andererseits weiss man aber auch, dass die Feinstaubpartikel in Prozesse wie der Wolkenbildung oder den Strahlungshaushalt der Erde involviert sind.

Es ist auch bekannt, dass bis zur Hälfte der Aerosole aus organischem Material besteht. Diese organischen Substanzen haben wiederum ihren Ursprung in der Verbrennung fossiler Stoffe sowie in natürlichen Quellen, wie zum Beispiel der Vegetation. Dabei kommt aber ein Grossteil der Aerosole nicht direkt aus den Kaminen oder Auspuffen, sondern sie werden erst in der Atmosphäre unter der Einwirkung der Sonne gebildet. Entsprechend werden diese Stoffe auch sekundäre organische Aerosole (SOA) genannt.

So weit hatten die Forscher den Durchblick im Feinstaub gewonnen. Wollte man aber wissen, was die chemische Identität der SOA ist, dann fischte man bisher noch im Trüben. Licht ins Dunkel brachte jetzt jedoch eine Arbeit von Forschern der ETH (1) und des Paul Scherrer Instituts (PSI)(2). In ihrer Studie, die in der letzten Nummer des Wissenschaftsmagazin Science erschien (3), demonstrieren die Wissenschaftler, dass ein Hauptbestandteil der SOAs in der Atmosphäre aus Polymeren besteht.

Künstliche Sommertage, realer Sonnenbrand

Um der Identität der Aerosole auf die Spur zu kommen, bauten die Forscher am PSI eine Smogkammer auf. Diese besteht aus einem 27-Kubikmeter-Teflonsack, der in einer Holzkammer mit stabilen Klima steht. In den Sack wurde vorerst ein Gemisch des Abgasstoffes Trimethylbenzol (TMB), Stickoxide und Wasserdampf gepumpt. Die Mengen wurden in Grössenordnungen gewählt, wie sie an einem Sommertag vorkommen.

Künstliche "Sonnenstube": die Smogkammer in der grossen Halle des PSI. (Bild: PSI) gross

Jetzt fehlt noch die Sonne. Vier Hochdruck-Xenon-Bogenlampen mit total 16 Kilowatt Leistung simulierten sie. Markus Kalberer, Erstautor der Studie, erläutert, dass mit diesen Lampen ein Lichtspektrum erzeugt werden konnte, das dem der Sonne entspricht. Auch die Intensität der Lampen kann sich mit dem Zentralgestirn unseres Planetensystems vergleichen. Das erfuhr ein Doktorand am eigenen Leibe. Als er längere Zeit in der Smogkammer ohne Sonnenschutz arbeitete, holte er sich einen Sonnenbrand.

Doch wie reagierte das TMB auf einen künstlichen Sonnentag? Um diese Frage zu beantworten, mussten die Forscher zuerst die Aerosole zu verschiedenen „Tageszeiten“ einsammeln. Das geschah indem sie in einem Impaktor genannten Gerät die Luft der Smogkammer mit hoher Geschwindigkeit um enge Kurven pumpten. In diesen Kurven können die Aerosole dem Gasstrom nicht mehr folgen und bleiben an Stahlplättchen haften. War somit der Feinstaub dingfest gemacht, so ging es weiter mit einer Identifizierung der eingefangenen Partikel. Dies geschah mittels einer Laser-Massenspektrometrie, die in der Gruppe von ETH-Professor Renato Zenobi entwickelt wurde.

Erstaunlich grosse Moleküle

Und die Massenspektren zeigten Erstaunliches. Mehr als hundert verschiedene organische Verbindungen waren in der Smogkammer entstanden. Ein grosser Teil der Aerosole wies eine Molekularmasse von über 400 bis zu 1000 auf.


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Der Identität der Aerosole auf der Spur: Forscher in der Smogkammer am Paul Scherrer Institut. (Bild: PSI) gross

Dabei stellten die Forscher auch fest, dass mit zunehmender Bestrahlungsdauer der Anteil an grossen Aerosolbestandteilen zunahm. Zudem wies das Massenspektrum Massensignale in regelmässigen Abständen auf. All diese Befunde zusammen führten zum Schluss, dass es sich bei den gefundenen Aerosolbestandteilen um Polymere handeln musste, die teilweise bis zu neun Monomere enthielten.

Aerosole verflüchtigen sich kaum

Nachdem die Forscher die Aerosole als Polymere identifiziert hatten, wollten sie auch noch deren Flüchtigkeit testen. Dafür setzte das Team des Pauls Scherrer Instituts unter der Leitung von Urs Baltensperger den Feinstaub Temperaturen von bis zu 200 Grad Celsius aus. Und wieder kam es zu einer Überraschung. Denn je länger man die Aerosole bestrahlte, umso stabiler wurden sie. Das heisst, die Feinstaubpartikel verdampften weniger, wenn sie erhitzt wurden. Somit konnte bestimmt werden, dass die Polymere bis zu über 50 Prozent der Aerosolmasse ausmachen. Dieser Befund hat natürlich Konsequenzen auf Modelle der SOA-Bildung, die in globalen Klimamodellen verwendet werden, da nicht mehr einfach von einem Gleichgewicht zwischen der gasförmigen und der Aerosolphase ausgegangen werden kann.

Für Markus Kalberer, Urs Baltensperger und Renato Zenobi ist klar, dass die vorgelegte Studie erst einen Anfang darstellt.Sie wollen darum in der Zukunft beispielsweise die chemische Natur der Polymere noch exakter definieren. Denn auch wenn die Polymere theoretisch aus der linearen Kombination von vier Produkten der Photooxidation von TMB - Methylglyoxal, Formaldehyd, 3-5-Dimethylbenzaldehyd und Brenztraubensäure -erklärt werden können, erwarten die Forscher, dass noch weitere Substanzen am Prozess beteiligt sind.

Neue Aerosolpartikel werden höchstwahrscheinlich auch gefunden, wenn man von anderen Stoffen als TMB ausgeht. Im Fokus stehen dabei Vorläufersubstanzen, von denen man annimmt, dass sie klimatologisch besonders wichtig sind. Damit sind aber die Forschungsziele von Baltensperger und Kalberer noch nicht erschöpft. Sie planen nämlich auch in Zusammenarbeit mit Biologen, den Einfluss der gefundenen Aerosolpartikel auf das Lungengewebe zu untersuchen. Damit könnte man dann die gesundheitlichen Auswirkungen der organischen Aerosole besser abschätzen.

Das Laser-Massenspektrometer der Gruppe von ETH-Professor Renato Zenobi, mit dem die Aerosolproben gemessen wurden. gross


Fussnoten:
(1) Atmosphärenchemie innerhalb der Gruppe von ETH-Professor Renato Zenobi: www.zenobi.ethz.ch/atmosphere.html
(2) PSI-Labor für Atmosphärenchemie: http://lac.web.psi.ch/
(3) M. Kalberer et al. "Identification of Polymers as Major Components of Atmospheric Organic Aerosols", Science 12 March 2004: 1659-1662.



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