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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.12.2002 06:00

Aktuelle Szenen vom grössten Vulkan Europas
Gefährlich, aber kein "Killer-Vulkan"

Der Ätna speit wieder Feuer und Asche und verbreitet Furcht und Faszination. Welweit sind Vulkane inzwischen gut erforscht. Beim Ätna jedoch rätselt die Wissenschaft nach wie vor darüber, wie die Magmen entstehen. Das nährt Forscher-Spekulationen, auch solche mit mangelnder wissenschaftlicher Basis.

Von Volker Dietrich und Norbert Staub

Nach einer kurzen Ruhepause von eineinhalb Jahren entfaltet der Ätna auf Sizilien seit Ende Oktober wieder enorme Aktivität. Unaufhörlich werden Schlacken und Aschen ausgeworfen, und langsam wälzen sich Lavaströme die Hänge herab - ein faszinierendes Schauspiel. In der Vergangenheit konnten nur Schutzpatrone solche bedrohlichen Eruptionen stoppen: Am 5. Februar 253, ein Jahr nach dem Martyrium der Santa Agatha von Catania, brachte deren Totenschleier, den die Catanesen dem Vulkan entgegenhalten, die Lava zum Stillstand. 1669 hatten die Reliquien der Schutzpatronin allerdings keine Wirkung mehr: die Laven begruben einen Teil der Hafenstadt.


Ätna-Ausbruch als Video
Der Vulanologe Peter Diethelm hat den aktuellsten Ätnaausbruch filmisch festgehalten. Ausschnitte aus seinen Videos finden Sie unter folgendem Link:

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Der Ätna ist mit einer Höhe von 3350 m, einem Volumen von 350 km3 und einer Oberfläche von 1200 km2 der grösste Vulkan Europas. Er entstand über einen Zeitraum von 200 000 Jahren hinweg. Über 250 historische Ausbrüche sind bekannt. Sie machen den Ätna zu einem der berühmtesten Vulkane der Erde.

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Abwehr mit Wasserwerfern und Bulldozern

Trotz zahlreicher geophysikalischer Messungen kann man über die gegenwärtige Ausbruchdauer und die Nachschubmenge an Lava nur spekulieren. Glücklicherweise wird das Leben der Bevölkerung bei diesem Ausbruch nicht gefährdet, dafür aber in grossen Mass Hab und Gut. Mit Helikoptern und Wasserwerfern versucht man, die Laven zum Erstarren zu bringen. Mit Bulldozern werden Barrieren errichtet, um die Lava umzulenken.

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Der Grund, warum der Ätna auf diese Weise ausbricht, liegt in der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung der Magmen. Diese haben einen geringen Gehalt an Kieselsäure und weisen daher eine geringe Viskosität auf. Aus solchen Magmen können Gasanteile während des Aufstiegs zur Oberfläche leicht entweichen. Daher kommt es am Ätna nicht zu grossen und gefährlichen Explosionen.

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Beliebtes Spekulationsobjekt

"Entgegen dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand, wie Magmen entstehen, sind Herkunft und Entstehung der Ätnamagmen noch weitgehend unbekannt", sagt der Vulkanologe Volker Dietrich, Professor am Institut für Mineralogie und Petrographie der ETH. Denn trotz seiner imposanten Kegelform ist der Ätna kein typischer Subduktionsvulkan, wie sie etwa an der Westküste Nord- und Südamerikas oder in Japan häufig vorkommen. Auch mit anderen Vulkanen lässt sich der grosse Berg auf Sizilien nicht vergleichen. Kein Wunder, sei der Ätna seit einigen Jahren "Tummelplatz petrologischer und geochemischer Spekulation", so Dietrich gegenüber ETH Life.


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Darunter figuriert auch eine Hypothese, die durch ihre Publikation in der Fachzeitschrift Nature im Jahr 2001 einige Wirkung entfaltete -bis hin zur Befürchtung bei der örtlichen Bevölkerung, der Ätna könnte weit gefährlicher für Leib und Leben sein als bisher angenommen und gar zum "Killer-Vulkan" mutieren. Die Hypothese basierte auf Spurenelementanalysen von Glaseinschlüssen in silikatischen Mineralien. Diese Glaseinschlüsse weisen im Gegensatz zu den kristallisierten Mineralien die gleiche Zusammensetzung auf wie das Magma. Die Forscher behaupteten in dem Artikel nun, die chemische Zusammensetzung der Magmen ändere sich gegenwärtig, und es sei daher davon auszugehen, dass sich das Ausbruchsverhalten verändere. Der bisher relativ ruhig ausbrechende Ätna werde möglicherweise zu einem hoch-explosiven Vulkan, wie sie im Feuergürtel rund um den Pazifik häufig vorkommen. (Nature 412, 30.8.2001).

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Kaum spontane Veränderungen

Diese Hypothese sei fehlerhaft dokumentiert, sagt Volker Dietrich. "Solche Veränderungen, sofern sie überhaupt durch unabhängige chemische und physikalische Parameter glaubwürdig nachweisbar sind, dürften kaum spontan ablaufen, sondern in geologischen Zeiträumen und Dimensionen, wie sie für plattentektonische Prozesse üblich sind", hält der ETH-Vulkanologe fest. Der Ätna, so Dietrich, markiere eine Schnittstelle von tief reichenden Störungen in der Erdkruste, die offenbar seit Hunderttausenden von Jahren das Aufsteigen von Magmen aus der unteren Kruste und dem oberen Erdmantel ermöglichen. Ein Bündel von Ursachen liegt diesen Störungen zugrunde: "Einerseits tauchen in der Region die letzten Teile des ehemaligen Ozeans Tethys ab. Andrerseits kollidiert am Südrand der Europäischen Platte die Afrikanische Platte mit dem Mikroplattenmosaik, das sich vom Tyrrhenischen Meer über Kalabrien bis hin zur Adria erstreckt", erklärt Volker Dietrich.

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Hautnah dabei
Das spektakuläre Bildmaterial sowie das Video-File auf dieser Seite stammt von Peter Diethelm, Biologielehrer im Kanton Zürich und passionierter Vulkanologe, der seit Jahren mit Volker Dietrich zusammenarbeitet. Diethelm hat Vulkane in allen Erdteilen besucht und den aktuellen Ätna-Ausbruch hautnah miterlebt und dokumentiert. Als sich am 7. Dezember während eines Schneesturms die Eruptionssäule des Vulkans, bestehend aus roten Vulkanbomben, Lapillis, heisser Asche und Gasen über seinem Unterstand entlud, rettete Diethelm sich in letzter Minute ins Freie. Das Haus versank in der heissen Asche. Der Vulkanologe hatte Glück: seine Flucht durch den Vulkanbomben-Hagel bescherte ihm keine Verletzungen ausser Schrammen, Beulen und einer durchlöcherten Windjacke.





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