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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.04.2002 06:00

Fehlende Versicherung ist ETH-Usus
Die "Tethys": schmerzlich vermisst

Der Brand auf dem ETH-Forschungsschiff "Tethys" hat einschneidende Folgen. Zunächst finanzielle: Eine Kaskoversicherung fehlte, da die ETH generell als Eigenversicherer auftritt. Noch nicht geklärt ist, wie ein definitiver Ersatz finanziert werden soll. Einschneidender sind die wissenschaftlichen Konsequenzen: die ETH-Seeforschung ist momentan blockiert.

Von Norbert Staub

"Das achteinhalb Meter lange Schiff hat 1971 inklusive Radar 70'000 Franken gekostet. Wäre es versichert, wäre es heute wohl abgeschrieben", vermutet der kürzlich zum Professor ernannte ETH-Geologe Flavio Anselmetti. - Warum wurde keine Versicherung abgeschlossen? "Das macht die ETH grundsätzlich nicht. Sie ist Eigenversicherer", erklärt Beat Müller, Chef der Abteilung Sicherheit der ETH. Der Grund: "Die Summe der zu bezahlenden Prämien würde um Faktoren höher liegen als die Summe der effektiven Schäden." Von diesem Grundsatz könne abgewichen werden, wenn die Ablärungen der Abteilung Sicherheit eine entsprechende Risikohöhe ergeben. Im vorliegenden Fall besteht laut dem ETH-Sicherheitschef eine Haftpflichtversicherung. Diese wirkt gegenüber dritten Geschädigten; dies natürlich nur, falls die ETH Urheber des Schadens ist. Völlig unklar ist derzeit noch, wer für die Kosten der spektakulären Boots-Hebung am vergangenen Montag aufkommt. Dazu kommen Beträge für die Löscharbeiten durch die Feuerwehr und die noch anstehende Entsorgung des Wracks.

Symbol der Zürcher Seeforschung

Einschneidender als der pekuniäre Schaden sind aber die Folgen für die Wissenschaft; vor allem für die Gruppe um Flavio Anselmetti, die im Bereich Limnogeologie wegweisende Forschung betreibt. Die "Tethys" sei ein Symbol für die Zürcher Seeforschung gewesen, meint Anselmetti. "Die Seegrundforschung in der Schweiz ist eng mit der mit der jetzt zerstörten ‚Tethys ‘ verknüpft". Sie habe, so Anselmetti, vor einigen Jahren dank diesem Schiff zu einem regelrechten Boom angesetzt. Über die Jahre haben die ETH-Limnogeologen eine emotionale Bindung zu dem Gefährt entwickelt. - Als umso herber wird jetzt der Verlust empfunden. (1)

flavio anselmetti
Forschungspläne in Frage gestellt: ETH-Professor Flavio Anselmetti verfolgt die Hebung des Wracks.

Flavio Anselmetti ging davon aus, seine durch den Nationalfonds samt zusätzlichen Stellen ermöglichte Professur an der ETH unter der Perspektive anzutreten, dass diese Forschung vorangetrieben wird. Nun ist mit der "Tethys" ein zentraler Bestandteil der vorgesehenen Infrastruktur weggebrochen, und das für das Sommersemester geplante Programm zu Rutschungen im Zürich- und im Vierwaldstättersee kann nicht starten.

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wrack der tethys
Bergungsaktion für die völlig zerstörte "Tethys" am vergangenen Montag im Hafen Wollishofen. gross

Gut gemeint: Partyboot-Offerte

Ersatz für das Schiff ist - noch - nicht in Sicht. Da aber die Wissenschaftler die teuren Messinstrumente wie immer vom im Hafen parkierten Boot abmontiert hatten, sind immerhin diese erhalten und sofort wieder einsetzbar. "Was uns fehlt, ist ein Motorboot. Es kann auch ein fahrtüchtiges Occasionsmodell sein", meint der Geologieprofessor. Wichtig sei eine gewisse Geräumigkeit und eine geschlossene Kabine, in der gearbeitet werden könne.

Solche Vorfälle wecken in der Bevölkerung immer auch die karitative Ader: Ein Party-Veranstalter hat dem sich in Verlegenheit befindenden Forschungsteam bereits Ersatz angeboten, ein Schiff mit Jahrgang 1914, das auf dem Walensee kursierte. "Es scheint sich für unsere Zwecke allerdings nicht zu eignen", bedauert Anselmetti.

Die Uni hilft

Die Lehre ist insofern tangiert, als mehrere in diesem Semester angebotene Kurse zur Limnogeologie und Mikropaläontologie nicht wie geplant stattfinden können. "Die Kurse sind bei Studierenden sehr beliebt", sagt Anselmetti. Er hat nun mit der Uni Zürich eine Lösung zum Überbrücken des Engpasses gefunden: die Nachbarhochschule hat angeboten, eines ihrer in Kilchberg stationierten Boote für die zoologische Forschung den ETH-Geologen zur Verfügung zu stellen. "Das kann aber nur eine Notlösung sein", hält Anselmetti fest. Mit dem ETH-Stab Forschung, der Schulleitung und allenfalls dem ETH-Rat müssten jetzt die weiteren Schritte punkto definitiven Ersatz besprochen werden.

Strafantrag bei Sabotage

Zur Ursache des Unglücks ist bisher nichts Näheres bekannt. Mit ersten Erkenntnissen ist laut dem Brandermittlungsdienst der Zürcher Kantonspolizei heute Freitag zu rechnen. Klar ist: beim "Parkieren" des Bootes im Wollishofer Hafen hat es keinerlei Unregelmässigkeiten gegeben; die Batterie der "Tethys" wurde gemäss Flavio Anselmetti wie immer deaktiviert. Dass, wie immer noch nicht ganz auszuschliessen, ein Kurzschluss die Ursache gewesen sein könnte, ist für Anselmetti "schwer vorstellbar". Würde sich herausstellen, dass der Brand vorsätzlich, also durch Sabotage entstanden ist, würde die ETH laut Sicherheitschef Beat Müller Strafantrag machen und Schadenersatzforderung erheben. Das Strafrecht sieht für vorsätzliche Brandstiftung den Tarif "Gefängnis nicht unter zwei Jahren" vor.


Literaturhinweise:
Bisherige ETH-Life-Berichte zum Brand der "Tethys": www.ethlife.ethz.ch/news/show/0,1046,0 sowie: www.ethlife.ethz.ch/news/show/0,1046,0-5

Fussnoten:
(1) Vergleiche den ETH-Life-Bericht zur Seerutschungsforschung im Vierwaldstättersse vom 11. 9. 2001: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/



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