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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.10.2005 06:00

Vontobel-Preis für Neuentwicklung in der Schädlingsbekämpfung
Wärmeinsel lockt Käfer in die Falle

Der Apfelblütenstecher ist in Apfelplantagen gar nicht gern gesehen. Eine ETH-Forscherin verwirklichte eine genial einfache Idee, um den Befall genau festzuhalten. Das hilft den Obstbauern, den Käfer gezielter zu bekämpfen.

Peter Rüegg

Jeden Frühling, wenn die Märzsonne den winterkalten Boden zu wärmen beginnt, krabbeln die Apfelblütenstecher aus ihren Winterverstecken hervor. Ihr Ziel: Obstplantagen. Mit ihrem Rüssel stechen die Käfer Apfelblütenknospen für ihren Reifungsfrass an, und die Weibchen legen später ihre Eier darin ab. Die Blüte verendet, bevor sie aufblüht. Der Obstbauer muss, je nach Befall, mit mehr oder weniger grossen Ernteausfällen rechnen.

Die Biologin Claudia Hausmann vom Institut für Pflanzenwissenschaften, Angewandte Entomologie, hat nun ein Verfahren entwickelt, um den Befall der Obstanlagen mit dem Apfelblütenstecher zu prüfen und zu überwachen. Damit erhalten die Obstproduzenten wertvolle Hinweise, ob und ab welchem Zeitpunkt sie den Rüsselkäfer mit chemischen Mitteln bekämpfen sollen. Für ihre Arbeit, die für den europäischen Obstbau grossen theoretischen und praktischen Wert hat, hat Hausmann den Hans Vontobel Preis 2005 gewonnen.

Schwäche für Wärme ausgenützt

Dieses Überwachungssystem ist denkbar einfach. Es nützt die Tatsache aus, dass Apfelblütenstecher Wärme wahrnehmen und geschützte Orte gezielt aufsuchen. Hausmann hat deshalb eine Shelter-Falle entwickelt, die diese Vorliebe ausnützt. Die Falle ist im Prinzip eine Manschette mit einer inneren Schicht aus Isolierfolie und einer äusseren dunklen Abdeckung, die am Stamm angebracht wird. Darin suchen die Käfer Schutz vor der Kälte.

Tests und Vergleiche mit anderen, zum Teil selbst gebauten Fallen haben der Wissenschaftlerin gezeigt, dass die Anzahl der Käfer in der neu entwickelten Falle sehr zuverlässig die Stärke des Befalls widerspiegeln. Eine klassische Methode ist das Abklopfen der Käfer von Ästen. Das Problem dabei: selbst wenn ein Obstbauer Anthonomus pomorum nachweisen konnte, wusste er nicht, wie stark seine Bäume besiedelt waren und – für den möglichen Einsatz eines Insektizids wichtig - ob die Schadschwelle bereits erreicht war.

„Die neue Falle zieht den Apfelblütenstecher spezifisch an, und man kann mit ihr nun das Maximum der Einwanderung in die Obstanlage zeitlich festlegen“, erklärt Claudia Hausmann. Die Falle arbeitet zudem auch an kalten und nassen Tagen, wenn mit den herkömmlichen Methoden die sechs Milimeter grossen Krabbeltierchen kaum mehr nachgewiesen werden können. Bei nasser Witterung lassen sie sich nicht abklopfen, weil sie an den Ästen kleben bleiben.

Mikroklima für Aktivität wichtig

Den Grundstein für das neue Nachweisverfahren legte die Doktorandin der Gruppe für Angewandte Entomologie im Labor. Bei Versuchen fand die Forscherin nämlich heraus, dass die Temperatur eine zentrale Rolle bei der Orientierung des Käfers spielt. In einer speziellen Testarena mit einem Temperaturverlauf von kühl zu warm suchten sowohl Männchen als auch die Weibchen stets die wärmsten Mikrolebensräume auf.

Dieses Verhalten lässt sich auch draussen beobachten und macht biologisch Sinn. Denn Anthonomus wird früh im Frühling aktiv, doch die Körpertemperatur von Insekten wird von der Umgebungstemperatur bestimmt. Um bei kühlem Vorfrühlingswetter nicht zu Schaden zu kommen, orientiert sich der Käfer anhand von mikroklimatisch günstigen Orten. Ebenfalls eine Rolle scheint die Orientierung über den Sehsinn zu spielen, den Claudia Hausmann auch untersuchte.

Claudia Hausmann präsentiert ihre Käferfalle.


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Nur 6 mm gross und mit Appetit auf die Knospen der Apfelblüten: Der Apfelblütenstecher Anthonomus pomorum (Bild: Diasammlung Entomologische Sammlung ETH) gross

Die Käferweibchen können offenbar gewisse Farben und Silhoutten erkennen und richten sich danach aus. Wie weit sie diese Fähigkeiten brauchen, um von ihren Winterverstecken zu den Obstanlagen zu finden, bleibt jedoch noch zu untersuchen.

Gibt es bald eine kommerzielle Anwendung?

Forschungsanstalten aus der Schweiz und aus Frankreich haben sich mittlerweile dafür interessiert, diese grundlegenden Befunde in die Praxis umzusetzen. Um das Produkt in den Handel zu bringen, brauche es zuerst grossflächige Versuche, sagt Hausmann. Diese seien nötig, um die genauere Aussagen machen zu können, wann die Schadschwelle wirklich erreicht sei. „Die Forschungsanstalten müssen die Falle in Zusammenarbeit mit den Bauern testen“, so die Forscherin.

Bis zu 80 Prozent der Ernte vernichtet

Apfelblütenstecher können in Apfelplantagen zum Teil beträchtliche Schäden anrichten. Wegen dieses Rüsselkäfers ging vor dem 2. Weltkrieg bis zu 80 Prozent der Apfelernte verloren. Mit der Anwendung von breit wirkenden Insektiziden in der Nachkriegszeit ging der Befall allerdings stark zurück. Zurzeit befindet sich Anthonomus pomorum wieder auf dem Vormarsch, weil die Bauern im Rahmen der Integrierten Produktion kaum mehr Breitband-Insektizide einsetzen, dafür einzelne Schädlinge gezielter bekämpfen. Davon profitiert die Artenvielfalt, aber auch der Apfelblütenstecher. Umso wichtiger ist es, ein Frühwarnsystem zu entwickeln, welches den Bauern zuverlässig über die Befallsstärke informiert.




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