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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 27.04.2004 06:00

ETH-Fallstudie über die wirtschaftliche Entwicklung Appenzells
Appenzell ist nicht nur Käse

Die Zukunftschancen der Textil-, Holz- und Milchwirtschaft im Appenzell Ausserrhoden haben Studentinnen und Studenten der Umweltnaturwissenschaften untersucht. Die entstandene Fallstudie (1) wurde kürzlich dem Ausserrhoder Volkswirtschaftsdirektor und Ständerat Hans Altherr sowie dem Land- und Forstwirtschaftsdirektor Hans Diem in Heiden überreicht.

Von Michael Breu

Appenzell Ausserrhoden (2) war ein Frühstarter im Industriezeitalter. Bereits um 1800 beschäftigte sich „beinahe alles mit der Fabrikation und dem Verkauf von Mousseline und Baumwollwaren“, heisst es in der Kantonsgeschichte. Gleichzeitig wurde traditionell mehr als die Hälfte der Kantonsfläche landwirtschaftlich bearbeitet, ebenso war die Holzbranche ein wichtiger Wirtschaftszweig. Auch heute ist das noch so. Zwar hat der Dienstleistungssektor deutlich zugelegt (inzwischen auf 54 Prozent); Textil-, Holz- und Milchwirtschaft sind aber volkswirtschaftlich wichtige Branchen geblieben. Doch kämpfen sie ums Überleben. Das ist ein Problem für den Halbkanton. Für die Zukunft stellen sich deshalb wichtige Fragen: Haben die Traditionsbranchen eine Chance in der ländlich geprägten Agglomeration? Welchen Anforderungen müssen sie sich in einer globalisierten Wirtschaft stellen? Wohin sollen sie sich entwickeln?

Zukunftsszenarien für Appenzell Auserrhoden

36 Studentinnen und Studenten der Umweltnaturwissenschaften haben unter Anleitung von Professor Roland W. Scholz vom ETH-Institut für Mensch-Umwelt-Systeme (3), begleitet von 15 Dozenten und rund 150 Personen aus dem Umfeld von Textilindustrie, Sägereien und Milchverarbeitung, zwischen Juni 2002 und Dezember 2003 das Appenzellerland unter die Lupe genommen und mögliche Zukunftsszenarien evaluiert. Ende März haben sie in Heiden ihre Fallstudie vorgestellt und den Berichtband den beiden anwesenden Regierungsräten Hans Altherr und Hans Diem übergeben.

Zusammenschluss mit anderen Sägereien? Die Speicherer Kleinsägerei Naef setzt auf Nischen und betätigt sich auch im Holzbau. gross

Am positivsten beurteilt wird in der Studie die Textilbranche. Eine grosse Zahl von Unternehmen befinde sich in einer gefestigten Stellung, heisst es. „Diesen Betrieben gelang es, hervorragende Produkte in spezifischen, hohes technologisches Know-how verlangenden Bereichen zu entwickeln.“ Trotzdem sei „ein unternehmerisches Umdenken einzuleiten“. Am meisten Chancen werden den Unternehmen eingeräumt, wenn sie sich schweizweit vernetzen, innovative Produkte auf technologisch höchstem Niveau lancieren und den Marktauftritt optimieren. Am Industriestandort Schweiz wird nicht gerüttelt, „er ist besser als sein Ruf“, sagte Othmar Forster, Vizepräsident des Heidener Hightech-Textilunternehmens Sefar AG.


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Die Gemeinde Speicher im Ausserrhoder Mittelland befindet sich noch knapp im Agglogürtel. Das Nachbardorf Trogen hingegen gilt als ländlich und kämpft deshalb mit Abwanderung. gross

„In der Milchverarbeitung wird der Appenzeller Käse als Marke erhalten bleiben – vorausgesetzt, die Marke operiert weiterhin erfolgreich am Markt“, glauben die Studierenden. „Für eine erfolgreiche Zukunft der regionalen Milchverarbeiter sind zwei Punkte bedeutsam“, hiess es an der Präsentation: Nischenprodukte zum Beispiel könnten ein zweites Standbein bilden. So sei der Biomarkt eine prüfenswerte Option, etwa Biomilch mit eigener Marke oder einem Label (Appenzeller Milch, Säntis Milch etc.). Aus wirtschaftlicher Sicht sei „ein Verbund von kleinen und mittelgrossen Betrieben der Region mit einer teilweisen Zusammenlegung von Produktionsstandorten“ eine weitere Möglichkeit. Interessante Perspektiven biete aber auch der Tourismus, eine Verbindung mit der Schaukäserei in Stein oder mit dem geplanten Reka-Feriendorf in Urnäsch (das in der ersten Fallstudie über die Appenzeller Landschaftsnutzung angeregt wurde).

Holztag als erste Reaktion

Mittelfristig am unsichersten scheint die Situation der Sägereien, kommen die Studierenden zum Schluss. Hier sei der gesamtschweizerische Strukturwandel noch nicht erfolgt. Auch seien die Auswirkungen der neuen Schweizer Waldpolitik noch nicht absehbar. In der Studie heisst es: „Die Sägereien leiden unter zu hohen Rohstoffpreisen. Hinzu kommt der Mangel an qualitativ hoch stehenden Hölzern.“ Wie in der Landwirtschaft sollen auch bei den Sägereien Zusammenschlüsse von kleinen und mittelgrossen Betrieben angestrebt werden, hiess es an der Präsentation, und in der Fallstudie steht: „Die von der Appenzeller Holzindustrie angestrebte Lösung über eine Holzkette ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, um Profilierung und Kooperation zu erzeugen.“ Erste solche Bemühungen wurden bereits getroffen, zum Beispiel in Urnäsch mit einem Zusammenschluss kleiner Sägereien und mit dem ersten Appenzeller Holztag, der am 22. April in Herisau stattfand.

Auf die Marke Appenzellerland setzen

„Für den Kanton Appenzell Ausserrhoden stellen sich vor diesem Hintergrund unterschiedliche Aufgaben. Ein möglichst grosser Teil der Wertschöpfung muss in der Region gehalten werden. Und für den Erhalt bzw. die Ansiedlung neuer Betriebe müssen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, wurde an der Präsentation festgehalten. Laut Roland Scholz sollte den traditionellen Stärken des Kantons genügend Beachtung geschenkt werden. Volkswirtschaftsdirektor und Ständerat Hans Altherr lobte die in der ETH-Fallstudie zusammengetragenen Fakten und die konkreten Empfehlungen. Im aktuellen Regierungsprogramm seien bereits zehn Projekte aufgenommen worden, welche die Fallstudie anregte. Hans Altherr: „Die Marke Appenzellerland ist stark. Jetzt müssen wir sie pflegen und nutzen.“


Literaturhinweise:
Zum gleichen Thema erschien in ETH Life vom 6. Januar 2003 der Beitrag „Ein Kanton sucht seine Zukunft“: www.ethlife.ethz.ch/articles/AppenzellFallst2.html.
Über die erste Appenzeller Fallstudie berichtete ETH Life in den Beiträgen „Diagnose erwünscht“ vom 31. Oktober 2001: www.ethlife.ethz.ch/articles/FallstudieAppenzell.html und „Jetzt wird es konkret“ vom 17. Juni 2003: www.ethlife.ethz.ch/articles/urnaesch.html.

Fussnoten:
(1) „Appenzell Ausserrhoden: Umwelt – Wirtschaft – Region. ETH-UNS Fallstudie 2002“, Verlag Rüegger, Chur/Zürich, 2003: www.fallstudie.ethz.ch/fs/fsprod/pdf_files/Prospekt_2002.pdf oder http://www.rueggerverlag.ch
(2) Appenzell Ausserrhoden: http://www.ar.ch
(3) ETH Transdisciplinarity Lab: www.fallstudie.ethz.ch/



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