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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.06.2006 06:00

Abschiedsvorlesung des ehemaligen ETH-Vizepräsidenten Albert Waldvogel
Mit feu sacré und Diplomatie

Er hat zunächst als Professor für Atmosphärenphysik die Entwicklung der Klima- und Umweltforschung an der ETH mitgeprägt. Als Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen und anschliessend als Delegierter für Strategische Erfolgspositionen sowie für Fundraising übernahm Albert Waldvogel während Jahren wichtige Leitungsfunktionen der Hochschule. Vergangenen Mittwoch nun hielt er seine Abschiedsvorlesung mit dem Titel "Vom Regentanz in die Schulleitung". Aber die Forschung lässt ihn nicht los. Künftig will er beim virulenten Thema Klimaveränderung Impulse geben.

Interview: Norbert Staub

Herr Waldvogel, als Atmosphärenphysiker haben Sie sich wissenschaftlich intensiv mit Wolken, Regen und den Einflüssen der Witterung auf unsere Umwelt beschäftigt und mit den Schadstoffen, die via Atmosphäre in Erde und Wasser gelangen. Was hat Sie an diesen Phänomenen speziell fasziniert?

Albert Waldvogel: Die Atmosphäre ist eine unglaublich faszinierende "Forschungslandschaft". Von der Mikrometerskala bis zu Phänomenen von Tausenden von Kilometern müssen Phänomene gleichzeitig berücksichtigt werden. Atmosphärenchemie, Aerosolwissenschaften, Strahlung, dynamische Vorgänge und atmosphärenphysikalische Prozesse wirken mit unterschiedlichen und nie genau vorhersehbaren Mechanismen ineinander. So ist zum Beispiel die genaue Prognose einer Gewitterzelle nach Intensität, Ausdehnung, Verlagerung und Dauer nach wie vor ein ungelöstes Problem, da sowohl die mesoskaligen als auch mikrophysikalischen Anfangsbedingungen nur ansatzweise bekannt sind. Für grossräumigere Phänomene wie Klimaänderungen trifft dies in noch viel höherem Mass zu.

Lange vor der heute selbstverständlichen allgemeinen Sensibilisierung für Umweltfragen haben Sie sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Wie hat sich aus Ihrer Sicht das zunehmende Umweltwissen auf das politische und gesellschaftliche Handeln ausgewirkt?

Die Sensibilität in Umweltfragen hat eindeutig zugenommen. Es werden sehr viele Probleme behandelt, erforscht und zum Teil auch Massnahmen durchgesetzt. Was fehlt, ist eine Priorisierung nach dem wirklich bedrohlichen Klimawandel. Dieser wird alles andere in den Schatten stellen. Beim Ozonloch ist eine Vollbremsung geglückt, weil am Südpol eine nicht zu übersehende Katastrophe eingetreten ist. Bei der Klimaveränderung gibt es möglicherweise einen völlig anderen Ablauf. Es kann sich durchaus um eine schleichende Veränderung handeln, an die man sich langsam "gewöhnt", bis es zu spät ist. Für diese Art von Bedrohungen ist die Menschheit sehr schlecht gerüstet, weil es so von den lebenden Menschen noch nie erlebt wurde. Eigentlich sind wir schon mitten in einer Veränderung drin, aber wir merken es nur noch nicht oder wollen es nicht wahrhaben. Denken wir nur an das Verhalten der grossen Industrienationen.

Welches waren die wichtigen Entscheidungen, die in Ihre Amtszeit als Vizepräsident der ETH für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen fielen?

Eine wichtige Entscheidung war neben der Förderung von guten, originellen und zum Teil auch unkonventionellen Forschungsprojekten sicher die Konzentration der freien Mittel auf einige interne Grossprojekte; die Polyprojekte und Einrichtungen wie das FIRST Lab (1). In dieser Zeit war auch die "Grundsteinlegung" für die SEP-Projekte, die so genannten Strategischen Erfolgspositionen.(2) Diese führten in logischer Konsequenz zu Science City. Die Frage drängte sich ja förmlich auf: Wenn wir schon attraktive Plattformen für Forscher und Doktorierende schaffen, wieso "bauen" wir nicht eine ganze Stadt? Eine weitere, ganz entscheidende Weichenstellung war die massive Förderung des Technologietransfers durch die Venture-Wettbewerbe und die Förderung von Spin-offs. So konnte die Anzahl von Firmengründungen aus der ETH heraus in drei Jahren von sechs auf 16 erhöht werden.


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Albert Waldvogel: Atmosphärenphysiker und Hochschulmanager. Jetzt verabschiedet er sich von der ETH und engagiert sich weiterhin in der Forschung. gross

Welche Ihrer Talente kamen in Ihrer Funktion als Delegierter für die Strategischen Erfolgspositionen besonders zum Tragen? Und worauf ist bei solch ambitionierter Forschungsförderung generell zu achten?

Sicher ist ein gewisses diplomatisches Geschick hilfreich, aber die Erfolgsgeschichte der SEP-Projekte hängt in erster Linie mit der extrem hohen Qualität der vorgeschlagenen Projekte und dem "Drive" der dahinterstehenden Leute zusammen. Dies gilt insbesondere für das Functional Genomics Lab und das Risk Lab. Zudem hatte ich in meinem "Gegenüber" Prof. Alex Borbély von der Universität Zürich einen Mitstreiter, der mit den bürokratischen Hürden auf der Seite der Universität sehr elegant umgehen konnte. Natürlich sind die vorhandenen finanziellen Mittel eine ganz entscheidende Hilfe. Nur weil beide ETH die sogenannte Autonomiedividende zur Verfügung hatten, waren die SEP überhaupt möglich. Weil ich die Bedeutung von freien Mitteln und die Möglichkeiten, welche man sich damit erschaffen kann, hautnah erlebte, kam dann die Idee auf, eine Stiftung für die ETH zu gründen. So entstand die ETH Zürich Foundation.

Welches sind Ihre Zukunftspläne? Bleiben Sie der Forschung erhalten?

Ja. Meine Forschungszukunft ist zu einem grossen Teil durch die stattfindende Klimaveränderung bestimmt. Die Menschheit hatte mit dem Ozonloch eine drastische Warnung erhalten, welche Gefahr eine anthropogene Veränderung bedeuten kann. "Dank" dem Ozonloch konnte die grosse Gefahr mit dem Protokoll von Montreal (1987, (3)) gerade noch abgewendet werden. Ich werde mich weiterhin intensiv mit diesen Fragen befassen und versuchen, entsprechenden Einfluss zu nehmen.

Was wünschen Sie der ETH für ihre Entwicklung bis hin zum Jahr 2020?

Der ETH wünsche ich nur das Beste, insbesondere eine glückliche Wahl bei der Bestimmung neuer Forscherpersönlichkeiten, welche mit ihrer Begeisterung die Attraktivität der Hochschule weiter anheben und die vielen zukünftigen Studierenden mitreissen und deren "feu sacré" entfachen können, sei es im Bereich der Ingenieurwissenschaften, der Naturwissenschaften oder der Grundlagenwissenschaften. Vor 150 Jahren wurde die ETH mit dem Ziel gegründet, die Schweiz aus dem Armenhaus zu einer goldenen Zukunft zu führen. Wie wir wissen, ist dies geglückt. Die globalen Umweltprobleme sind jetzt bedrohlicher als je zuvor. Möge die geballte Kreativität von Ingenieurwissen und Naturwissenschaften genutzt werden, um einen wesentlichen Beitrag zu erbringen. Die Möglichkeiten sind vorhanden.


Fussnoten:
(1) Informationen zum FIRST Lab unter: www.first.ethz.ch/
(2) Mehr zu den Strategischen Erfolgspositionen siehe unter: www.sep.ethz.ch/. Siehe dazu auch den "ETH Life"-Bericht "Labor für Exzellenz" vom 2. Juni 2004: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/SEPbilanz.html/
(3) Details zum Protokoll von Montreal finden Sie unter: http://ozone.unep.org/Treaties_and_Ratification/2B_montreal_protocol.asp



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