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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.04.2001 06:00

Eine Stunde des Dankes und der Einkehr
Beten an der ETH

Ostern: nicht nur das Fest der Hasen und Süssigkeiten, sondern ein christliches Fest. Grund genug für einen Besuch bei einer Gebetsgruppe an der ETH, die im Anschluss an ihre Gebetsstunde auch über Glaubensfragen diskutiert.

Von Christoph Meier

Vorbei an der Mensa und am Kraftraum bin ich beim Musikzimmer angelangt, wo sich die Gebetsgruppe über Mittag trifft. Acht Studierende, zwei Frauen und sechs Männer, versammeln sich hier zum Gebet. Später kommen noch drei weitere dazu. Der Empfang ist herzlich. Den Anfang macht eine Gebetsrunde, in der drei Teilnehmende ihren Dank an Gott aussprechen. Dieser umfasst das Studium, die Möglichkeit, sich gemeinsam zu treffen und das Geborgensein beim Herrn. Im Anschluss singt die Gruppe christliche Lieder mit Gitarrenbegleitung, teilweise sogar mehrstimmig.

"I de Wält umeseckle"

Nach dem gesungenen Dank eröffnet sich erneut die Möglichkeit, seine Dankbarkeit auszudrücken. Ruhig und konzentriert, oft mit geschlossenen Augen, lassen sich die Betenden auch nicht durch anschwellende Klavierklänge aus dem Nebenzimmer beirren. Das "Umeseckle i de Wält" und mathematische Formeln würden noch keinen Sinn erzeugen, aber beim Herrn liesse sich dieser - Gott sei Dank - finden, bringt ein Mann ein. Es sei eine Gnade, dass Gott uns sein wahres Wort zukommen lasse, ebenso wie ein gelungener, segensreicher Semesterbeginn. Gott wird von Teilnehmenden als Befreier und als spürbar erfahren. Abgeschlossen wird die Runde mit einem leisen aber bestimmten "Amen".

beten an der ETH
Vertieft ins Gebet: Mitglieder der Gebetsgruppe an der ETH.

Der wahrscheinliche Gott

Der Vorschlag, sich für weiteres Diskutieren in zwei Gruppen aufzuteilen, wird fallengelassen. Der Grund: die Fragen des Gastes von ETH Life sollen besprochen werden. Gott helfe ganz allgemein als Sinnstifter, vor Gott werde man nicht über die Leistung definiert, wird auf die Frage hin geantwortet, wie der Glaube im Studium helfe. Glauben und naturwissenschaftliches Denken würden sich auch nicht widersprechen. Aus den Antworten kristallisiert sich heraus, dass die Wissenschaft nur einen begrenzten Geltungsanspruch haben könne und sich mit der göttlichen Wahrheit nicht vergleichen lasse. Auf gar keine Sympathien stösst der Gedanke, dass der Zufall in der Welt eine Rolle spiele. Es wird auf Biologen hingewiesen, die Speziesbildung aufgrund zufälliger Mutationen für Unsinn erachtet hätten.


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Beten an der ETH
In der Gebetsgruppe wird Gott auch mit Liedern gedankt.

Einen weiteren Hinweis auf Gottes Existenz gebe eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung: Je mehr man erkennt, wie wohlorganisiert die Welt ist, umso wahrscheinlicher wird es, dass eine ordnende Kraft, sprich Gott, dahintersteht.

Glauben, nicht Wissen

Mit der Diskussion ist die Reservationszeit für das Musikzimmer verflossen, doch die bekennenden Christen zeigen sich bereit, in der Mensa weiter zu diskutieren. Zum Thema "Mission" befinden sie, dass diese in der Bibel begründet sei und jeder einen Auftrag hätte. Der Auftrag bestehe aber mehr im Vorleben als im aktiven Angehen. Auf jeden Fall könne der Glaube nur auf Freiwilligkeit basieren. "Der Wahrheitsanspruch des Christentums ist absolut", bemerkt jemand. Angesprochen darauf, wie die Bibel zu lesen sei, wird geantwortet, dass sie, geführt durch den Heiligen Geist, verständlich werde. Inwiefern die Inhalte der Bibel wissenschaftlichen Standards standhielten, sei nicht so wichtig, denn zu Gott komme man durch Glauben und nicht durch Wissen.

Wünschenswert: eine christliche ETH

Keinen Widerspruch können die Gebetsgruppenteilnehmer in der Allmacht Gottes und der persönlichen Freiheit erkennen. "Gott gibt uns Freiheit und bezeugt damit sein Vertrauen zu uns. Dass er uns gewähren lässt, ist ein Beweis seiner Liebe." Durch die Ausübung dieser Freiheit entständen auch immer wieder Fehler. Doch jeder habe die Möglichkeit, seine Schuld vor Gott zu bringen und so Vergebung und Gnade zu erfahren. Und wenn sich herausstellen sollte, dass die bekennenden Christen kein göttliches Gnadenprivileg geniessen können: würden sie sich nicht betrogen vorkommen? - Diese Frage stösst auf Unverständnis. Dieses wird für mich teilweise nachvollziehbar, als mir klar gemacht wird, dass ein christliches Leben im Hier und Jetzt schon ein Geschenk sei.

"Im Namen Gottes des Allmächtigen" steht in der Präambel der Bundesverfassung Untersuchung (1). Ob sie eine solche Formulierung auch für das ETH-Leitbild (2) begrüssen würden, frage ich. Daraufhin wird geantwortet, dass es nicht wichtig sei, ob eine entsprechende Wendung im Leitbild vorhanden sei, doch sei es selbstverständlich begrüssenswert, wenn die ETH sich nach christlichen Grundsätzen ausrichten würde.

Nachdenklich verlasse ich die Gruppe. Hatte Pascal recht mit seiner Auffassung, dass die Aussicht auf ewigen Gewinn den Einsatz eines lebenslangen Irrtums lohnenswert werden lässt?


Literaturhinweise:
Bibelgruppe für Studierende Zürich: www.vbg.ethz.ch/

Fussnoten:
(1) Bundesverfassung: www.admin.ch/ch/d/sr/101/
(2) Leitbild der ETH: www.ethz.ch/overview/profile_de.asp



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