ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 31.08.2006 06:00

ETH-Studie zur Situation von Rückkehrern nach Bosnien-Herzegowina
Zurück nach dem Krieg

Die Rückkehr von Menschen nach Bosnien-Herzegowina verlief bisher relativ erfolgreich. Dies zeigt die ETH-Studie "Durable returns to a durable state?" des NADEL (Nachdiplomstudium für Entwicklungsländer), die von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Auftrag gegeben und finanziert wurde.

Jonas Baud

Vor elf Jahren ging der Bosnienkrieg zu Ende. Der blutige Konflikt dauerte von 1992 bis 1995 und forderte 250'000 Todesopfer. Rund 2,2 Millionen Personen wurden aus ihren Häusern vertrieben, flüchteten entweder ins Ausland oder wurden im Land selbst umgesiedelt. Seit dem Kriegsende kehrte etwa eine Million Flüchtlinge und intern Vertriebene zu ihrem früheren Wohnort zurück. Doch wie geht es diesen Menschen jetzt? Bisher lagen keine Daten über die persönliche Lebenssituation dieser Menschen vor. Die DEZA gab deshalb dem NADEL den Auftrag, diese Personen zu ihrer Situation zu befragen. „Wir wollten das Befinden dieser Menschen aus ihrer Sicht konkret beleuchten“, erläutert Marie-Laure Müller vom NADEL.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin erarbeitete darum zusammen mit Professor Rolf Kappel, Leiter des NADEL, die Konzeption und die Organisation der Studie. Die Befragung selbst führte das bosnische Meinungsforschungsinstitut „Prism Research“ im Sommer 2005 in ganz Bosnien insgesamt in 1'800 Haushalten durch. Davon waren 750 Flüchtlinge und 760 intern Vertriebene (diese werden zusammen als Rückkehrer bezeichnet) sowie 290 Personen, die während des Krieges in ihrem Wohnort geblieben waren. Das NADEL wertete die Umfrage aus und präsentierte vergangene Woche in Bosnien die nun vorliegende Studie „Durable returns to a durable state?“.

Zwei Drittel wollen in Bosnien bleiben

Ein wichtiger Aspekt der Umfrage betraf die wirtschaftliche Lage der Befragten. Armut ist für viele ein grosses Problem: Es zeigte sich, dass 13 Prozent der befragten Rückkehrer Mühe haben, ihre Familien ausreichend zu ernähren, gar 29 Prozent können sich keine Kleider oder Haushaltsgüter leisten. Bei 40 Prozent verschlechterte sich die finanzielle Situation seit Ende des Krieges; eine Verbesserung erlebten nur 20 Prozent der Befragten. Trotz dieser finanziellen Schwierigkeiten wollen immerhin zwei Drittel der Personen in Bosnien bleiben.

Eine grosse Mehrheit der Befragten anerkennt die multiethnische Gesellschaft Bosniens - die Bevölkerung in Bosnien besteht aus muslimischen Bosniaken, orthodoxen Serben und katholischen Kroaten - und ist bereit, friedlich miteinander zu leben. Dazu passt, dass sich heute 90 Prozent der Personen sicher fühlen vor Gewalt aufgrund ethnischer Spannungen.


weitermehr

Die Rückkehr von Menschen nach Bosnien-Herzegowina verlief gemäss einer neuen ETH-Studie erfolgreich. Im Bild sieht man Jugendliche vor der Brücke in Mostar. (Bild: DEZA)

Eher von Misstrauen geprägt ist das Verhältnis zu den politischen und religiösen Führern: mehr als 40 Prozent der Befragten glauben, dass politische Wahlen inkorrekt ablaufen; dieselbe Anzahl glaubt nicht an die Unabhängigkeit der Medien. Etwa ein Drittel fühlt sich ausserdem eingeschränkt in ihrer Meinungsfreiheit.

Prozess noch nicht abgeschlossen

Insgesamt aber kommen die Verfasser der Studie zum Schluss, dass der Rückkehrprozess in Bosnien bisher relativ erfolgreich verlaufen ist. Der Prozess sei jedoch noch nicht abgeschlossen: Es leben immer noch bosnische Flüchtlinge im Ausland und viele Personen, die während des Krieges aus ihren Wohnorten vertrieben wurden, warten auf ihre Rückkehr. Um eine dauerhafte Rückkehr zu gewährleisten, muss die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Sicherheit in Bosnien gestärkt werden. Ein besonderer Hemmschuh ist die hohe Arbeitslosigkeit. Die bosnische Regierung soll überdies die Diskriminierung von Minderheiten vermehrt berücksichtigen und die Versöhnung der drei Ethnien weiter vorantreiben. Diese Fragen bleiben für Bosnien und die internationale Gemeinschaft eine Herausforderung.

„Die Zusammenarbeit mit dem DEZA-Kooperationsbüro in Sarajevo und mit 'Prism Research' ist optimal verlaufen“, blickt Marie-Laure Müller zurück. Doch erst jetzt beginne die konkrete Arbeit. Das DEZA-Koordinationsbüro wird die Studie an bosnische Ministerien und Partnerorganisationen im Land verteilen. In den kommenden Monaten werden sie miteinander darüber beraten, welche Erkenntnisse aus der Studie in ihre jeweiligen Arbeitsbereiche einfliessen können und wie die Lebenssituation der Rückkehrer nachhaltig verbessert werden kann.


Literaturhinweise:
Webseite der DEZA in Bosnien: www.sdc-seco.ba/
Website des NADEL: www.nadel.ethz.ch/



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!