ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 21.02.2005 06:00

Resistenz gegen Schädlinge und mehr Ertrag: die Erfolge der Cassava-Forschung
Eine starke Wurzel

Cassava ist eine wichtige Nutzpflanze. Über 800 Millionen Menschen ernähren sich von ihr. Wilhelm Gruissem, Professor für Pflanzenbiotechnologie am ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften (1), erforscht seit vier Jahren, wie die Pflanze dank Gentechnologie gegen Krankheiten geschützt werden kann. Nun wurde Gruissem’s Team von der Eiselen-Stiftung(2) mit einem Förderpreis ausgezeichnet.

Von Michael Breu

Cassava (Manihot esculenta) – in Europa ist sie eher als Maniok bekannt – ist eine der wichtigsten Nutzpflanzen. Ihre Wurzel dient über 800 Millionen Menschen als Grundnahrungsmittel. Die Weltproduktion nimmt stetig zu (178.8 Mio. Tonnen weltweit; 93.9 Mio. Tonnen in Afrika, Stand: 2001) und stellt nach Reis, Mais und Zuckerrohr die viertwichtigste Kalorienquelle für die tropische Bevölkerung dar. „Cassava stellt sehr geringe Ansprüche an Bodenqualität, Düngung und Bewässerung“, schreiben Wilhelm Gruissem und sein Mitarbeiter Peng Zhang in einem Fachaufsatz.

Cassava wird vor allem von Kleinbauern angebaut. Sie verwenden die Blätter als vitaminreiches Gemüse und die Wurzel zur Herstellung verschiedener stärkehaltiger Nahrungsprodukte. Sowohl Blätter als auch Wurzelknollen müssen dabei sorgfältig behandelt werden, denn die Pflanzenteile enthalten die giftigen Salze der Blausäure (Cyanide).

Keine Anpassung möglich

Das ist nicht das einzige Problem: „Im Gegensatz zu anderen Kulturpflanzen konnte Cassava nur in geringem Mass durch klassische Zuchtmethoden den Bedürfnissen angepasst werden“, finden Gruissem und Zhang. Grund dafür sei, dass Maniok genetisch ähnlich heterogen (heterozygot) ist wie unsere einheimischen Obst- und Weinsorten, daher erzeugen Kreuzungen stets völlig neue Sorten. Genetische Kreuzungen sind deshalb kaum möglich. „Es existieren kaum genetisch gut definierte Zuchtlinien. Die heute angebauten Sorten werden fast ausschliesslich vegetativ vermehrt.“

Für Cassava biete die Gentechnologie eine ideale Alternative zur klassischen Züchtung. „Durch Gentechnologie können für Cassava einige der wichtigsten Probleme gelöst werden“, ist Gruissem überzeugt.

Cassava: Ihre Wurzel dient über 800 Millionen Menschen als Grundnahrungsmittel. gross

Drei Beispiele:

- Beispiel eins, Schädlingsresistenz: „In Teilen von Ost- und Zentralafrika ist der Anbau von Cassava in den letzten Jahren durch eine Viruserkrankung stellenweise komplett zum Erliegen gekommen. Die Krankheit wird durch das Geminivirus African Cassava Mosaic Virus (ACMV) verursacht“, schreiben die Experten. Dieses Virus existiert in verschiedenen genetischen Varianten und wird durch Weisse Fliegen (Bemisia tabaci) übertragen. Verhindern lässt sich die Übertragung bislang nur durch massiven Insektizideinsatz. Mittels Gentechnik sei es jedoch möglich, die pflanzliche Abwehr gegen Viren spezifisch zu aktivieren. „Dazu werden kleine Teile der viralen Genome in die Pflanzen eingebracht, die entweder direkt gegen Viren aktiv sind oder eine gezielte Abwehrreaktion in Gang setzen“, erklärt Gruissem und vergleicht das Resultat mit einer Impfung. Am ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften wurden dafür drei Strategien getestet: die Verhinderung der viralen Genexpression durch anti-sense RNA gegen früh im Infektionszyklus benötigte ACMV-Proteine; die Erzeugung einer Hypersensitiv-Antwort nach der Virusinfektion; und die Verhinderung der viralen Vermehrung durch induziertes „gene silencing“. Dabei wird durch Expression von virusspezifischer doppelsträngiger RNA ein pflanzeneigener Abwehrmechanismus in Gang gesetzt, der zur Zerstörung von viraler RNA und/oder zur Verhinderung ihrer Expression führt.

Das Geminivirus African Cassava Mosaic Virus hat die Cassava-Pflanze befallen. gross


weitermehr

ETH-Forscher im Feld: Hier wird die Pflanze untersucht. gross

Nach Angaben von Gruissem ist die anti-sense-Strategie im Augenblick am weitesten fortgeschritten. „Eine grosse Zahl von transgenen Pflanzen mit mehreren verschiedenen Genkonstrukten wurde produziert und mit verschiedenen Methoden auf Virusresistenz getestet. Unter Gewächshausbedingungen zeigten mehrere Pflanzenlinien gute bis sehr gute Resistenz gegen verschiedenen ACMV-Stämme.“

Cassava hornworm - ein weiteres Problem

Ein anderes Problem bilden die Larven des Cassava hornworm (Erinnyis ello). Sie verursachen durch Blattfrass Ertragseinbussen von 10 bis 50 Prozent. „Transgene Cassavapflanzen, die das CryIA(b)-Protein aus Bacillus thuringiensis exprimieren, wurden in unserem Labor produziert und werden gegenwärtig für Tests zur Resistenz gegen den Cassava hornworm am International Center for Tropical Agriculture in Kolumbien vorbereitet“, erklärt Gruissem.

- Zweites Beispiel ist die Verlängerung des Blattalters. „Cassavapflanzen haben oft nur wenige Blätter, da diese in der Regel rasch welken und abfallen. Blätter altern natürlicherweise in einem aktiven Prozess, der durch Pflanzenhormone gesteuert wird. Eine Verzögerung dieses Prozesses würde die Zahl der Blätter pro Pflanze erhöhen und so die Pflanzen ertragreicher machen und auf jeden Fall mehr Blattmaterial als Nahrungsmittel zur Verfügung stellen“, hoffen Gruissem und Zhang. „Wir haben nun transgene Cassavapflanzen produziert, in denen gezielt beim Einsetzen der Blattalterung ein Cytokinin-Biosynthese-Gen aktiviert wird. Cytokinine sind Pflanzenhormone, die den Alterungsprozess verzögern können. Die transgenen Pflanzen tragen tatsächlich ihre Blätter länger; alle Aspekte, die sonst bei der Blattalterung beobachtet werden, sind verzögert. Die Pflanzen produzieren Speicherwurzeln früher als nicht-transgene Pflanzen, haben eine erhöhte Blattausbeute und sind darüberhinaus sogar noch resistenter gegen Wassermangel“, haben die beiden ETH-Experten herausgefunden.

Nahrungsmittelqualität kann verbessert werden

- Das dritte Beispiel befasst sich mit der Verbesserung der Nahrungsmittelqualität. Obwohl die Cassava Wurzel reich an Stärke ist, so reicht der Proteingehalt nicht aus um den täglichen Bedarf an essentiellen Aminosäuren zu decken. „Wir haben transgene Cassava Pflanzen entwickelt, die ein künstliches Speicherprotein (ASP1) produzieren. Dieses Protein ist natürlichen Speicherproteinen, wie sie zum Beispiel in Maiskörnern vorkommen, nachgebildet und in seiner Aminosäuresequenz für die menschliche Ernährung optimiert. Der Proteingehalt dieser Pflanzen wird gegenwärtig getestet. Gleichzeitig werden weitere transgene Pflanzen produziert, in denen durch spezifische Expressionssignale ASP1 speziell in der Speicherwurzel und in höherer Konzentration erzeugt werden soll“, machen Gruissem und Zhang Hoffnung.


Cassava-Forschung an der ETH

(mib) Vor rund zehn Jahren startete Ingo Potrykus (3), heute emeritierter Professor für Pflanzenwissenschaften, an der ETH die Forschung an Cassava. Die Arbeit konzentrierte sich zu Beginn auf Methodenentwicklung und Analyse des Vermehrungszyklus des African Cassava Mosaic Virus. Seit der Emeritierung von Potrykus im April 1999 werden die Arbeiten von Wilhelm Gruissem, ETH-Professor für Pflanzenbiotechnologie weitergeführt. Mit dem Forschungsprojekt Cassava ist sein Mitarbeiter Peng Zhang betraut.

Finanziert wurde und wird das Projekt durch Beiträge des Zentrums für Internationale Landwirtschaft (ZIL) der ETH Zürich (d.h., indirekt durch das DEZA, die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit), und durch den ETH-Lehrstuhl der Pflanzenbiotechnologie. Im Rahmen des Deutschen Tropentages 2004 in Berlin wurde die Forschergruppe um Wilhelm Gruissem von der Ulmer Eiselen-Stiftung mit einem Förderpreis in der Höhe von 25'000 Euro ausgezeichnet. Die Eiselen-Stiftung unterstützt weltweit Forschungsaktivitäten, die dazu beitragen, die Ernährungslage in Mangelgebieten der Welt zu verbessern. Die Cassava-Forschung der ETH erhält seit Anfang 2004 ebenfalls Fördermittel von der Eiselen-Stiftung.




Fussnoten:
(1) ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften: www.ipw.ethz.ch/
(2) Eiselen-Stiftung: www.eiselen-stiftung.de/
(3) Über die Forschungsarbeiten von Ingo Potrykus – insbesondere über den Golden Rice – berichtete ETH Life am 15. November 2004 unter dem Titel „Karriere einer Forschung“: www.ethlife.ethz.ch/articles/golrice.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!