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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.11.2004 06:00

Gesangs-Casting für die Hauptrollen im ETH Jubiläums-Musical
Die ETH sucht den Musical-Star

Von Jakob Lindenmeyer

Ein Samstag im Spätherbst. Vor dem GEP-Pavillon auf der Polyterrasse blinzeln die Kandidatinnen fürs ETH-Musical noch etwas verschlafen in die wärmende Mittagssonne. Sie wirken ruhig und gefasst. Doch der erste Eindruck täuscht, denn es geht um viel. Drinnen im Pavillon wird mit Inbrunst um die Rollen für das musikalische ETHeater „WELCOME TOMORROW“ (1) gesungen. Insgesamt zwölf Frauen und neun Männer bewerben sich für eine der Hauptrollen.

Der erste Eindruck entscheidet

Die Teilnahme am Casting ist kurz, aber hart. Der Stressfaktor hoch. Den meist jungen Hobby-Sängern bleiben nur wenige Minuten, um die professionelle Jury aus Regisseur, Choreografin und musikalischem Leiter vom eigenen Talent zu überzeugen. "Eine schwierige Sache", gesteht selbst ETH-Musical-Regisseur Mathis Kramer-Länger, "denn oft entscheidet man bereits aufgrund des ersten Eindrucks." Während dieser kurzen Minuten stehen die Kandidierenden unter massivem Erfolgsdruck.

Weniger verbissen

"Ein Laien-Casting ist jedoch weniger verbissen", beruhigt Musical-Autor Roman Ricklin, "denn hier geht es nicht wie bei den Profis um einen Job und damit ums Überleben." Doch auch die beiden Hauptrollen sind beliebt. Obwohl die meisten Bewerber ETH-Studierende sind, ist ihnen das Musikbusiness nicht gänzlich unbekannt. Für einige ist es denn auch nicht das erste Casting.

Zum laut scheppernden Background-Chor der Playback-Version zieht ETH-Studentin Anna O. eine Bühnenshow ab wie MusicStar-Siegerin Carmen Fenk. gross

So zum Beispiel für Anna O., eine 22-jährige Pharmazie-Studentin im dritten Semester: "Ich habe mich immer schon für Musicals interessiert und meine Hobbies sind Singen und Tanzen", erzählt die gebürtige Kanadierin aus dem Misox. Die Exposition im Casting empfindet sie als Nervenkitzel, denn sie sei ein sehr emotionaler Mensch und Selbstvertrauen sei nicht immer ihre Stärke. Zudem schied sie vor wenigen Wochen aus dem Rekrutierungsprogramm für die zweite Staffel der Casting-Show "MusicStar" (2) des Schweizer Fernsehens aus. Umso nervöser ist sie nun vor dem heutigen Casting.

Kämpfen für Träume

"Im Unterschied zum ETH-Casting hatten die MusicStar-Kandidaten wesentlich ausgeprägtere Star-Allüren und auch die Konkurrenz war härter", vergleicht O. Zudem musste sie fürs MusicStar-Casting die Einwilligung geben, dass ihr Scheitern vor laufender Kamera nächstes Jahr zum Gaudi Hunderttausender TV-Zuschauer unter der Rubrik "Leider nein" schweizweit verbreitet wird. Doch der Versuch war es ihr wert, denn: "Ich bin überzeugt, dass man für seine Träume kämpfen muss!"

Der Weg zu einer Karriere als Sängerin ist hart. Das erfährt auch Anna O. Ihren ersten Song beginnt sie zögerlich. Das eingedeutschte "Denk an mich" aus O.'s Lieblings-Musical "Phantom der Oper" entspricht zwar ihrer hellen Sopran-Stimme. Doch der Regisseur bevorzugt eine Begleitung durch den Korrepetitor anstelle des eingeübten Playbacks. Die geringere Unterstützung durch das Elektropiano enthüllt gnadenlos alle nervösen Patzer.

Hölzerner Aufriss

Auch bei der Schauspiel-Aufgabe hat Anna O. wenig Glück. "Wir sind in einer Bar", schildert der Regisseur das Setting. "Versuch nun bitte den Korrepetitor André aufzureissen." O. versucht's mit "Hätten Sie gerne Gesellschaft?" und "Was tun Sie denn so in ihrem Leben?" Doch die schauspielerische Leistung vermag den etwas hölzernen Korrepetitor nicht hinter dem Ofen hervor zu locken. "Ich bin halt nicht so der Aufriss-Typ", entgegnet O.

In der Schlussaufgabe gelingt der Durchbruch: Die Bühnenshow zu MusicStar-Siegerin Carmen Fenks Song "Mama" kommt an. Ein einfacher, aber rockiger Song mit körnigem Refrain. Hier zeigt Anna O. ihr volles Talent: Zum laut scheppernden Background-Chor der Playback-Version rockt sie über die ganze Bühnenbreite und singt mit einer dunklen starken Soul-Stimme "Mama won't you listen to me" in ein imaginäres Mikrofon am Ende einer Rolle Pappbecher. Das sitzt! Die Jury nickt sich zu. Es geht also doch.


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Den Hobby-Sängern bleiben nur wenige Minuten, um die professionelle Jury aus Regisseur, Choreografin und musikalischem Leiter vom eigenen Talent zu überzeugen. gross

"Ich hoffe, der singt nicht allzu gut"

Beeindruckt war die Jury an diesem Samstagnachmittag auch von einem weiteren Casting-Teilnehmer: Der heute 31-jährige Gregory P. schloss bereits vor einigen Jahren sein Sportlehrer-Studium an der ETH ab. "Für Tanzstunden komme ich aber hin und wieder in den ASVZ und an die ETH, und da habe ich vom Casting fürs ETH-Musical gehört." So hat sich P. als einer der wenigen Männer auch fürs Tanz-Casting angemeldet - neben über zwei Dutzend Frauen. "Ich hoffe, der singt nicht allzu gut", kommentiert darum die Choreografin Christine Enz vor P.'s Auftritt, denn sie benötigt noch einige Männer für ihre Tanz-Szenen.

Viel Kitsch und Pathos

Pech für die Choreografin, denn ETH-Alumnus Gregory P. erweist sich im Gesangs-Casting als wahrer Glückstreffer. In seinem Auftritt zeigt P. nicht nur, dass er intonatorisch sicher ist und eine starke und wohlklingende Stimme besitzt. Im Show-Teil legt er erst richtig los: Vom harten Abrocken, übers wilde Luftgitarre-Spielen (siehe Bild unten) bis zur sanft und glaubwürdig gespielten Liebesszene präsentiert P. eine breite Palette schauspielerischen Talents.

ETH-Alumnus Gregory P. wechselt mühelos vom harten Abrocken, übers wilde Luftgitarre spielen zur sanften Liebesszene. gross

Den schmelzend vorgetragenen Love-Song von Billy Joël will der Regisseur gleich noch einmal hören, diesmal aber gespielt in einer Liebesszene mit der sich auf dem Sofa räkelnden Regie-Assistentin. Gregory P. spielt den Lover mit viel glaubwürdigem Gefühl in seiner warmen und weichen Tenor-Stimme. Ein Plus fürs ETH-Musical, in dem sich - wie in jedem Musical - mit viel Kitsch und Pathos alles um die grosse Liebe dreht. Dass er sich dabei in den hohen Tonlagen etwas versteckt und die Linien nicht immer durchzieht, ist wohl auf die Nervosität während des Castings zurückzuführen und eine Frage des Trainings.

"Eine Fussnote an der ETH"

Neben dem Dutzend Studierenden nehmen an diesem Samstag aber auch zwei altgediente ETH-Mitarbeiter am Casting teil. Obwohl der 60-jährige Hausmeister Heinz L. seit 20 Jahren hier arbeitet, bezeichnet er sich selbst als "nur eine Fussnote an der ETH". Den Schlager "Die kleine Kneipe" hat er extra fürs Musical-Casting eingeübt, denn das langsame Lied und der fragile Text seien optimal, um singend eine Geschichte zu erzählen.

Weichheit und Schmelz

Ebenfalls schon länger an der ETH ist Willy M. vom Institut für Werkzeugmaschinen. Mit "All I ask of you" aus "Phantom of the Opera" entschied sich der Operetten-erprobte Bass für ein Duett, "weil ich gehofft hatte, hier am Casting noch einen passenden Sopran zu finden." Trotz fehlender Duettpartnerin war der Song gut gewählt; passend zur starken und sonoren Bassstimme von Willy M., der die Töne auch gut aushalten kann und den Klang ohne Verlust nach aussen dringen lässt. Die für ein Liebeslied noch etwas fehlende Weichheit und der Schmelz wären rasch eingeübt.

Wer kriegt die Hauptrolle? Wie verlaufen die Proben? Man darf gespannt sein. Die Uraufführung findet am 28. Juni des Jubiläumsjahres statt. Doch „ETH Life” berichtet schon in den nächsten Monaten über die weitere Probenarbeit, den Autor und die Premiere.


Fussnoten:
(1) Das musikalische ETHeater „WELCOME TOMORROW“ ist ein Jubiläums-Projekt der ETH Personal-Kommission (PeKo): www.peko.ethz.ch
(2) Website der Schweizer Casting-Shows "MusicStar": www.sfdrs.ch/musicstar2/



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