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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.04.2007 06:00

Diskussionsforum Molekulare Wissenschaften
Technik, Emotionen und Autonomieverlust

Das Diskussionsforum Molekulare Wissenschaften wagt den Spagat zwischen Technik und Geist und nutzt den interdisziplinären Gedankenaustausch um aktuelle Themen zu ergründen. Drei Experten aus den Gebieten Chemie, Design und Ergonomie referierten und diskutierten zum Auftakt über das Auto der Zukunft – ein Gefährt, das Emotionen provoziert und Ästhetik mit Hochleistungstechnologie verbindet.

Samuel Schlaefli

Der Motor muss kraftvoll brummen und doch ökologischen Kriterien standhalten, die Karosserie schnittig aussehen aber gleichzeitig höchste Sicherheit versprechen. Das Auto von heute sieht sich mit einem zunehmend grösseren Anforderungskatalog der Autofahrer konfrontiert, den es zu erfüllen gilt. Es hat sich schon lange von seiner ursprünglichen Funktion als reines Transportmittel emanzipiert. Heute widerspiegelt es sowohl Lebensgefühl als auch Traumwelten der Automobilisten. Unter dem Titel „Das Auto der Zukunft: Emotionsgeladene Hochtechnologien oder sinnvolle Innovationen“ wagte das Collegium Helveticum gemeinsam mit dem Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften (D-CHAB) vergangenen Mittwoch einen Blick in die nahe Automobil-Zukunft.

Mehr Sicherheit dank Fahrassistenz-Systemen

Wie vom Collegium Helveticum gewohnt, fiel die Auswahl der Referenten bewusst interdisziplinär aus. ETH-Chemiker Renato Zenobi, Michael Krohn von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich sowie Wolfram Remlinger vom Lehrstuhl für Ergonomie der TU München, diskutierten mannigfaltige Aspekte des Themas - von den molekularen Strukturen im Fahrzeugkatalysator bis zu den sozialen Ursprüngen des heutigen Karosserie-Designs. Peter Uggowitzer vom Departement für Materialwissenschaft der ETH Zürich, sollte in seinem Referat näher auf Materialoptimierungen und Leichtmetalle eingehen, musste der Veranstaltung jedoch krankheitsbedingt fern bleiben.

Infrarot-Nachtsichtgerät zur Früherkennung von Gefahrenquellen. gross

Remlinger, selbst 10 Jahre als Konzeptentwickler und Ergonom bei Audi tätig, gab den Zuhörern einen Einblick in den Stand der heutigen Automobiltechnik und einen Ausblick auf zukünftige Trends. Auf dem Parkplatz vor dem HCL-Gebäude konnten sich Interessierte gleich von den neusten Errungenschaften der Automobilhersteller ein Bild machen. Remlinger erklärte an seinem eigenen Fahrzeug das im Armaturenbrett eingebaute Infrarot-Nachtsichtgerät, ein Fahrassistenz-System, welches dem Fahrer helfen soll, allfällige Gefahren auf der Strasse frühzeitig zu erkennen. Als zusätzliche Assistenz werden die Geschwindigkeitsanzeige und wichtige Fahrinformationen gleich auf die Frontscheibe projiziert, wie man dies bereits von Kampfflugzeugen her kennt. Dadurch kann der Lenker ohne Unterbruch auf die Fahrbahn blicken.


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Renato Zenobi (l), Michael Krohn (m) und Wolfram Remlinger im Gespräch über das Auto der Zukunft. gross

Auch Fahrassistenz-Systeme wie Adaptive Cruise Control (ACC), das vorausfahrende Fahrzeuge erkennt, deren Geschwindigkeiten ermittelt und durch Bremsen den gewünschten Abstand beibehält, kommen bei deutschen Automobilherstellern bereits zum Einsatz. Fahrassistenz-Systeme sind laut Remlinger momentan das Hauptforschungsgebiet der Automobilhersteller, nachdem die Fahrzeugsicherheit (Airbags, verstärkte Karosserien) die 80er und 90er Jahre und die Navigation sowie das Infotainment die Spanne zwischen 1990 und 2000 geprägt hatten. Die nächste grosse Herausforderung für die Automobilindustrie besteht darin, Systeme zu finden, welche die Fahrzeuge untereinander kommunizieren lassen, sagte Remlinger. Durch einen stetigen automatischen Datenaustausch des eigenen Fahrzeugs mit der Umwelt, könnte dieses Gefahren frühzeitig erkennen und automatisch darauf reagieren.

Entmenschlichung des Autofahrens?

Der Industriedesigner Krohn steht diesen Entwicklungen skeptisch gegenüber. Am Forum äusserte er seine Bedenken einer zu starken Entmenschlichung des Automobils, verbunden mit einem Verlust an Autonomie des Fahrzeuglenkers. Dies ziele an den Menschen vorbei, so Krohn. Die gleichen Fehler seien früher auch schon im Städtebau begangen worden, als man die Funktion und Technologie über sämtliche ästhetischen Bedürfnisse der Bewohner stellte – mit verheerenden Folgen. Gerade weil sich das Auto in den vergangenen Jahrzehnten vom rein technischen Artefakt zum Lifestyle-Produkt gemausert habe, spiele das Design eine zentrale Rolle, ist Krohn überzeugt. Ein gutes Design müsse expressiv sein und Möglichkeiten zur Abgrenzung bieten, nur so könnten beim Autofahrer die positiven Emotionen provoziert werden, die dieser vom Fahrerlebnis erwarte.

In einem Punkt waren sich die Redner während der anschliessenden Diskussion mit dem Publikum einig: Das Auto der Zukunft wird ein High-Tech-Produkt sein, sei dies nun im Bereich des Designs, in der Ergonomie oder dem Material. Der Chemiker Zenobi erläuterte in seinem Referat auch Chancen für Beiträge aus seinem Spezialgebiet, der molekularen Nanoanalyse. So könnten mit Kleinstpartikeln Beschichtungen mit optimierten Funktionen gefertigt oder Katalysatoren durch Optimierung im Nanobereich effizienter gestaltet werden. In der Diskussion mit dem Publikum thematisierte Zenobi auch ökologische Aspekte des zukünftigen Autos. Gerade in der Reduktion des Fahrzeuggewichts, das heute für den Verbrauch von bis zu 70 Prozent des Treibstoffs verantwortlich ist, und bei den alternativen Energien als Kraftstoff, liegt seiner Meinung nach noch grosses Potenzial für Innovationen. Dies verleitete Zenobi zur provokativen These: „Das Auto der Zukunft ist das Velo. Es emittiert kein CO2, trägt zu unserer Gesundheit bei und verhindert ein Warten im Stau “. Ein Vorschlag, der beim passionierten Autofahrer durchaus Emotionen hervorrufen könnte – wenn auch eher negative.




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