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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 30.01.2003 06:00

Vorbereitung und Inhalt der ETH-Experimente im All
Erschwert zur Schwerelosigkeit

Mit der Raumfähre Columbia hoben am 16. Januar auch zwei ETH-Experimente ab. Bei den Vorbereitungen zeigten der 11. September 2001 und die Präsenz eines Israelis an Bord des Raumschiffes ihre Auswirkungen. Das erste ETH-Experiment konnte aber bereits abgeschlossen werden.

Von Marianne Cogoli und Christoph Meier

Bereits zum achten Mal seit 1983 reisen Forscher der ETH-Gruppe für Weltraumbiologie um Augusto Cogoli zur Vorbereitung von Weltraumexperimenten nach Florida (1) (2). Beste Erinnerungen sind verbunden mit dem Kennedy Space Center: Labor und Kontrollraum für die Experimente sind dort vorhanden, mittels Zugangspass konnte man sich auf dem Gelände frei bewegen und sich auch bis auf wenige Meilen dem Shuttle nähern. Dabei waren auch Beobachtungen von Alligatoren, Waschbären, Gürteltieren und vielen verschiedenen Wasservögeln möglich, denn der Weltraumbahnhof liegt mitten in einem Naturschutzgebiet, dem Merrit Island Wildlife Refuge.

Nicht ohne Amerikaner

Doch dieses Mal ist alles anders. Der 11. September 2001 und die daraus resultierenden Sicherheitsanforderungen werden spürbar. Die ETH-Forschenden müssen ihre Experimente als Gäste des "Florida Institute of Technology" (Florida Tech) in Melbourne, rund 35 Kilometer südlich vom Kennedy Space Center, vorbereiten und durchführen. Dort befindet sich diesmal auch das Kontrollzentrum für die Versuche. Denn Ausländer haben seit dem 11. September 2001 keinen Zutritt mehr zum Kennedy Space Center. Ausgenommen von dieser Regelung sind nur das Besucherzentrum oder Personen, die in Begleitung von Amerikanern auf das Gelände kommen. Um die biologischen Experimente rechtzeitig vor dem Start an Bord der "Columbia" zu bringen, fährt ein Vertreter der ESA, eskortiert von einem Angestellten des Florida Tech, einem US-Bürger, mit einem Van zum Kennedy Space Center. Dabei wird das Fahrzeug vor dem Transport genauestens überprüft. Auch der Fahrer wird speziell ausgewählt. Alle Experimentbehälter untersuchen die Sicherheitsleute bei der Übergabe mit einem Wischtest auf Anthrax.

Geladene Gäste

Für zusätzliche Vorsicht sorgt die erstmalige Präsenz eines Israelis an Bord: Das Hotel Hilton in Cocoa Beach, in dem die israelische Delegation einquartiert ist, wird zwei Tage vor dem Start in eine Festung verwandelt, Scharfschützen sind auf dem Dach postiert. Damit die Zürcher Forscher beim Abflug der "Columbia" dabei sein können, müssen sie als Gäste von der ESA eingeladen werden. Natürlich sind alle ihre persönlichen Daten wie zum Beispiel die Passnummer einen Monat im voraus der ESA mitgeteilt worden. Am Tag des Starts gibt es am Eingang des Besucherzentrums eine rigorose Sicherheitskontrolle. Es ist absolut verboten, irgendwelche scharfen Gegenstände mitzunehmen aber auch Rucksäcke und Esswaren. Auch die Busse werden kontrolliert, erneut wird nach Anthrax gesucht.

Der Countdown

Doch dann ist es soweit. Die Schweizer Forscher können den Start miterleben. Rund fünf Minuten vor dem Abheben wird die amerikanische Nationalhymne gespielt. Anschliessend singt eine Gruppe von Israelis vor der Tribüne ihre Nationalhymne. Dann geht alles sehr rasch.

Innenleben des Minilabors "Biopack": der Inkubationsraum ist herausgezogen. Vorne rechts sind die statischen Racks, in denen im Weltraum die Proben der Schwerelosigkeit ausgesetzt sind. Rechts hinten und links vorne Zentrifugen für die Kontrollexperimente mit einfacher Erdbeschleunigung. gross


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Verfolgen die Durchführung des Experimentes "LEUKIN" im All an der Konsole im Kontrollraum: der ETH-Weltraumbiologe Augusto Cogoli (links) und Enno Brinckmann von der ESA. gross

Ein Sprecher zählt die letzten zehn Sekunden rückwärts. Dann der Satz: "We have main engines started and liftoff, liftoff of Columbia for a 16 days research mission" Gleichzeitig hebt die "Columbia" um 10:39 Ortszeit von der Startrampe ab. Die ETH-Forscher sind verständlicherweise bewegt, nachdem sie mehrere Jahre mit den Vorbereitungen beschäftigt waren und der Start mehrere Male verschoben worden war. Gut zwei Minuten nach dem Start können sie beobachten, wie die Feststoffraketen abgetrennt wurden, Minuten später verschwindet die "Columbia" am Horizont.

Die Durchführung der Experimente

Doch aus den Augen ist nicht aus dem Sinn. Bereits zweieinhalb Stunden nach dem Start aktivieren die Astronauten, die aufgrund des dichten Forschungsprogramms in Zwei-Stundenschichten arbeiten, das "Biopack" (siehe Kasten). Den Forschern am Boden bleibt aber noch einige Zeit zum Schlafen und für einen Apero der ESA. Doch um 1:00 Uhr in der Nacht, verfolgten sie im Kontrollzentrum im Florida Tech, wie ihr Experiment "LEUKIN" aktiviert wird. Da die Spezialspritze, mit welcher der Astronaut die Aktivierungssubstanz der Proben einspritzen musste, nicht sofort funktioniert, helfen die ETH-Forscher mit Anweisungen vom Boden aus. Danach verläuft alles nach Plan. Zwei Stunden 40 Minuten später werden die ersten Zellkulturen aufgelöst und weitere zwei Stunden später die letzten. Das Bodenkontrollexperiment wurde mit einer Verzögerung von zwei Stunden vom "Erdenastronauten" Thomas Schopper durchgeführt. Nachdem alle Proben sowohl im Weltraum als auch am Boden im Gefrierfach verstaut sind, ist "LEUKIN" vorläufig abgeschlossen. Müde, aber zufrieden gehen die Schweizer Forscher am Morgen um 9:00 Uhr schlafen.

Die Mission der "Columbia" ist bis zum 1. Februar geplant. Während den letzten vier Tagen läuft das zweite ETH-Experiment "YSTRES".


ETH-Experimente im All

Die beiden ETH-Experimente, "LEUKIN" und "YSTRES", werden an Bord der Columbia im "Biopack" durchgeführt. Dieses Instrument enthält eine Brutkammer für Temperaturen zwischen 24 und 37°C, eine Handschuhbox, in welcher der Astronaut Operationen wie das Einspritzen von Flüssigkeiten oder die Probenentnahmen macht, sowie ein kleines Gefrierfach und ein Kühlschrank. Zudem sind Zentrifugen für die Kontrollexperimente mit einfacher Erdbeschleunigung installiert.

Beim Experiment "Leukin", für das die ETH mit der Universität Sassari sowie Millie Hughes-Fulford von der Kalifornia Universität in San Francisco zusammen arbeitet (3), will man testen, wie sich die Schwerelosigkeit auf die T-Lymphozyten genannten Abwehrzellen auswirkt. Im Speziellen soll gemessen werden, wie stark die Gene für Interleukin 2, das zentral ist für die von T-Zellen vermittelte Immunantwort, und für seinen Rezeptor abgelesen werden. Das heisst, man misst die Boten-RNA der zwei Gene. Dafür werden die T-Lymphozyten aktiviert und danach in Schwerelosigkeit oder unter einfacher Erdbeschleunigung bei 37°C kultiviert. Nach zwei respektive vier Stunden werden die Zellen aufgelöst und eingefroren.

Dem Verhalten von Hefezellen unter Stressbedingungen ist das Experiment "YSTRES" gewidmet. Dafür werden in einem Bioreaktor während mehreren Tagen die Hefezellen wiederum in Schwerelosigkeit oder unter einfacher Erdbeschleunigung kultiviert, um sie danach für 30 Minuten einem osmotischen oder einem Hitzeschock auszusetzen. Danach werden die Zellen fixiert und eingefroren.




Fussnoten:
(1) "ETH Life"-Bericht "ETH-Experimente im All" zum Start der laufenden Columbia-Mission: http://www.ethlife.ethz.ch/articles/news/cogolistart.html
(2) Gruppe Weltraumbiologie an der ETH:www.spacebiol.ethz.ch
(3) Millie Hughes-Fulford ist eine frühere Astronautin. Sie hat 1991 während der SLS-1 Mission ETH-Experimente mit Lymphocyten im Shuttle durchgeführt und dafür auch Blut gespendet.



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