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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.05.2003 06:00

100 Jahre Eternit
Ein Baustoff für die Ewigkeit

In diesem Jahr feiert die Eternit AG ihr 100-Jahr-Jubiläum. Die Fassadenplatten aus Faserzement haben die Architektur des letzten Jahrhunderts entscheidend geprägt. Grund für das ETH-Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, einen Blick zurück zu werfen – mit einer Tagung, einer Ausstellung und einem Buch.

Von Michael Breu

Es gibt nur wenige Industriestoffe, über die Geschichte geschrieben wurde. Einer davon ist Eternit, ein Faserzement. „Ein Jahrhundert lang hat dieser Baustoff die Architektur wesentlich beeinflusst: in einem Bereich, der dem Neuen Bauen als besonders wichtig und aussichtsreich und zudem sinnbildhaft für das Neue erschien“, schreibt Werner Oechslin, Vorsteher des ETH-Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur (1), im aktuellen Buch „Eternit Schweiz. Architektur und Firmenkultur seit 1903“. „Der neue Baustoff Eternit hat die 'formgiver' und selbst den Designer angeregt und herausgefordert, andererseits auch die traditionellen Erfordernisse der Architektur erfüllt.“ Eternit hat geprägt – Le Corbusier etwa, den „Monsieur Eternit“. Grund für die Architekten der ETH, einen Blick zurück zu werfen – mit einer Tagung, einer Ausstellung und einem Buch.

100 Jahre Eternit in der Haupthalle der ETH Zürich. gross

Den Grundstein für die Entwicklung des Faserzements legte Ludwig Hatschek, Sohn eines österreichischen Bierbrauers, als er ein eigenes Geschäft aufbauen wollte. In der Zeitung stiess seine Frau Rosa auf ein Inserat, in dem die Maschinen einer Asbestspinnerei zum Kauf angeboten wurden. 1893 gründete er die „Erste österreichisch-ungarische Asbestfabrik Ludwig Hatschek“ in Vöcklabruck. „Es reifte die Idee, ein leichtes Bedachungsmaterial unter Verwendung von Asbest herzustellen“, schreibt Linus B. Fetz, Bauingenieur, langjähriger ETH-Mitarbeiter und ehemaliger Kommunikationsleiter der Eternit AG. 1901 wurde Hatschek dafür das Patent mit der Nummer 5970 erteilt. „Der Werkstoff Asbestzement war geboren“, schreibt Linus B. Fetz, „als kluger Kaufmann gab Hatschek seinem Kind den einprägsamen Namen 'Eternit', vom lateinischen 'Aeternum': ewig, unvergänglich“ (2).

Beständig gegen Säuren und Chemikalien

Der Verbundwerkstoff wurde zum Erfolgsprodukt. Bis zu Beginn der 1980er-Jahre wurden über 3000 Anwendungen registriert, vom Aschenbecher über Hitzeschutzplatten und Minigolf-Anlagen bis zu Zählerbrettern. Ein Grund für den Erfolg ist die Beschaffenheit des Materials: seine Beständigkeit gegenüber Säuren und Chemikalien sowie die schlechte Wärme- und Hitzeleitfähigkeit. Verantwortlich dafür war das fasrige Silikat Asbest, das den Zement verstärkte und ihm zu Stabilität verhalf (heute werden anstelle von Asbest Zell- und Kunststofffasern verwendet).

Hier beginnt ein weiterer Teil der Eternit-Geschichte, über den man auch heute noch nicht gerne spricht; im aktuellen Buch und an der Ausstellung wird das Thema denn auch nur am Rande erwähnt: „Seit langem ist bekannt, dass eine grosse, lang andauernde Belastung mit Asbeststaub zu einer Staublunge (Asbestose) führen kann, mit der Möglichkeit, dass sich in seltenen Fällen daraus ein Lungenkrebs entwickelt“, heisst es knapp.


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Heute wird das Geheimnis gelüftet... gross

Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt geht heute davon aus, dass noch immer pro Jahr „rund ein Drittel der 90 Todesfälle, die auf anerkannte Berufskrankheiten zurückgehen, asbestbedingt sind“ (3). Anders Holte und Fredi Wittenwiler von der Geschäftsleitung der Eternit Schweiz AG finden: „Wir leben im Bewusstsein, dass bis heute rund fünfzig unserer Mitarbeiter an einem Mesotheliom, einem oft durch Asbeststaub verursachten bösartigen Tumor, verstorben sind. Das ist Teil unserer Geschichte, zu dem wir stehen und der uns betroffen macht.“

Gerichtsverfahren sind hängig

Die Asbestose ist in der Schweiz seit 1939 als Berufskrankheit anerkannt, ab den 1950er-Jahren wurden die Vorschriften über den Umgang mit Asbest verschärft, seit den 1960er-Jahren gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass Asbest Tumore auslösen kann, und seit 1989 ist Asbest in der Schweiz verboten. Seither werden viele Altlasten aufwendig und teuer saniert – vor allem dort, wo Spritzasbest eingesetzt wurde. Die Turiner Staatsanwaltschaft hat im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen bei ehemaligen italienischen Eternit-Angestellten ein Strafverfahren angestrengt und gelangte im Rahmen ihrer Ermittlungen gegen die Eternit AG im Jahr 2001 mit einem Rechtshilfeverfahren an das Bundesamt für Justiz. Die Eternit AG hat dagegen in letzter Instanz beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht. Ein Entscheid in dieser Sache steht noch aus.

Die Industrie hat sich den neuen Vorschriften angepasst. „Die Eternit AG Niederurnen hat seit 1980 als erstes Unternehmen erfolgreich stufenweise alle ihre Produkte asbestfrei hergestellt. Seit 1990 sind alle Hochbauprodukte, seit 1994 alle Tiefbauprodukte asbestfrei“, heisst es in einer Medienmitteilung. Das hat seinen guten Grund. Denn auch heute noch gilt Eternit als hervorragender Baustoff. „Kein Zweifel“, findet Werner Oechslin vom Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, „mit der hundertjährigen Geschichte der Eternit AG ist eine Kultur verbunden.“


Eternit feiert an der ETH

Die Ausstellung „Eternit Schweiz. Architektur und Firmenkultur seit 1903“ wird heute Mittwoch um 18 Uhr im Auditorium Maximum am ETH Zentrum offiziell eröffnet. Die Bedeutung des Baustoffs erläutern Prof. Adrian Meyer, Vorsteher des Departements Architektur der ETH, Prof. Werner Oechslin, Vorsteher des ETH-Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur, und Anders Holte, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Eternit AG. Anschliessend wird Prof. Jacques Gubler von der Accademia di architettura in Mendrisio ein Gastreferat halten. Das anschliessende Gespräch wird von Helen Issler, Leiterin der Redaktion „Menschen, Technik, Wissenschaft“ von SF DRS, moderieren. Die Ausstellung in der Haupthalle ist bis Donnerstag, 5. Juni, zu sehen.

Am gleichen Tag wird auch das gleichnamige Buch im Beisein von Bruno Maurer, Leiter des gta-Archivs der ETH, vorgestellt. Auf rund 270 Seiten wird die Bedeutung von Eternit für Design und Architektur hervorgehoben. Das Buch ist im Eigenverlag (gta-Verlag) erschienen und kostet 69 Franken.




Literaturhinweise:
Zum Thema erschienen in ETH Life: „Asbestopfer: Wer bezahlt?“ vom 4. September 2002 (http://www.ethlife.ethz.ch/articles/asbestrecht.html), „Asbest: Gefahren früher erkennen“ vom 18. März 2002 (http://www.ethlife.ethz.ch/articles/AsbestGefahrenfrher.html).

Fussnoten:
(1) Departement Architektur der ETH Zürich: http://www.arch.ethz.ch/; Institut für Geschichte und Theorie der Architektur: http://www.gta.arch.ethz.ch/d/index.html
(2) Eternit Schweiz AG: http://www.eternit.ch
(3) Schweizerische Unfallversicherungsanstalt zum Thema Asbest: http://www.suva.ch/de/home/portrait/medien/medienmitteilungen/asbestsanierungen.htm



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