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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 30.05.2003 06:00

Genetpig
Eine Gendatenbank für Schweine

Während drei Jahren haben Forscher aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz die Grundlagen für eine Gendatenbank geschaffen, aus der Teile des Schweine-Erbgutes abrufbar sind. Züchtungsbiologen der ETH Zürich haben der Datenbank Sequenzen über aktive Gene im Fettgewebe beigesteuert.

Von Michael Breu

Neuseeland steht am Anfang der vier Jahre dauernden Zusammenarbeit: An einer Konferenz im Jahr 1998 stellen Forscher um Joël Gellin vom Laboratoire de Génétique Cellulaire im französischen Toulouse das EU-Projekt Bio4-CT98-0237 vor. Die Begeisterung am Projekt ist gross. Denn mit ihm soll die Grundlage für eine Datenbank geschaffen werden, die möglichst viel Informationen über Schweinegene enthalten soll. Darauf warten die Züchtungsbiologen schon lange. Mit dem Wissen, so hofft man, können Hinweise für die Schweinezucht gewonnen werden, etwa für bessere Fleischqualität oder über Krankheitsresistenzen. "Weil die Schweiz nicht EU-Mitglied ist, haben wir erst später von der Konferenz erfahren", sagt Stefan Neuenschwander, damals Oberassistent am Institut für Züchtungsbiologie der ETH und heute im Bereich Tissue Engineering am Departement Chirurgie des Zürcher Universitätsspitals tätig. "Ich habe mich sofort mit den Leuten in Verbindung gesetzt und unser Interesse an einer Zusammenarbeit mitgeteilt." Zuerst vergeblich, denn die EU-Kommission befand, dass dies aus „formalen Gründen“ nicht möglich sei; zu spät sei der Antrag in Brüssel eingereicht worden. Die Zusammenarbeit kam trotzdem zustande: Wissenschafter aus Dänemark, Deutschland, Frankreich und Italien haben Gene kartiert, die im Dünndarm, in der Leber, in den Ovarien und im Muskel aktiv sind, während dem sich die Zürcher den aktiven Genen des Fettgewebes angenommen haben. So wurden insgesamt über 700 Gene zugewiesen und in die Datenbank "Genetpig" integriert (1).

Wichtiger Schritt für eine Genkarte

"Die Idee von Genetpig ist, dass man eine Genkarte für das Schwein erhält, die man mit Hilfe der Ergebnisse des humanen Genomprojekts vergleichen kann. Denn man hat festgestellt, dass die Anordnung der Gene auf gewissen Chromosomenabschnitten beim Schwein und beim Menschen sehr ähnlich ist", sagt Stefan Neuenschwander. Man schätze, dass rund 90 Prozent aller exprimierten Sequenzen zwischen Mensch und Schwein gleich sind. "Das Genetpig-Projekt ist ein wichtiger Schritt zur systematischen Kartierung von ökonomisch wichtigen Eigenschaften. Neben den klassischen Wachstums- oder Reproduktionseigenschaften wird die Suche nach Genen, welche die Qualität der tierischen Produkte oder die Gesundheit der Tiere beeinflussen, immer wichtiger."

Vergleichende Genkarte: Gleiche Farben bedeuten homologe Chromosomenabschnitte. Beispiel: Homologe Gene auf Chromosom 3 des Schweines (oben) findet man auf den humanen Chromosomen HSA 2 und HSA 3, Gene auf SSC 6 auf HSA 1, 16, 18 und 19. gross

In der ersten Phase versuchten die Forscher, möglichst viele Gene den einzelnen Chromosomen zuzuweisen", erklärt Peter Vögeli, Professor für Züchtungsbiologie am Institut für Nutztierwissenschaften der ETH Zürich (2). Eine aufwendige Arbeit. Gene kann man mittels Familienanalyse, markierten Gensonden oder somatischen Zellhybriden zuordnen. „Die meisten Gruppen benutzten Zellhybride“, erklärt Vögeli. Dabei fusionierten sie Schweine- mit Nagerzellen, die nach der Teilung unterschiedliche Chromosomenstücke vom Schwein aufweisen. Mittels der Polymerasen-Kettenreaktion (PCR) kann aus der DNA einzelner Hybridzelllinien das Vorhandensein von schweinespezifischen Sequenzen festgestellt werden. Ist eine amplifizierte Sequenz eines unbekannten Gens gleich wie das Muster eines bereits kartierten Gens oder Markers, so kann es derselben chromosomalen Region zugewiesen werden. Auf diese Weise konnten die ETH-Forscher nicht nur fettgewebespezifische Gene kartieren, sondern auch die


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Das Schwein wird genetisch untersucht. Die Daten liefern den Züchtungsbiologen wichtige Informationen.

chromosomale Lage des Spastingens (SPG4) bestimmen, ein Kandidatengen für die "congenitale Ataxie und spastische Parese" auf Chromosom 3 des Schweines. Dabei handelt es sich um Krankheiten des Muskels, die bis zur Lähmung führen können. Ein gleiches Gen kennt man übrigens auch beim Menschen: "Auf dem Chromosom 2 ist der Phänotyp angelegt, der für die Paralyse verantwortlich ist", sagt Peter Vögeli. "Weil vergleichbare Krankheiten oft die gleichen Ursachen haben, kann man im Tiermodell genau studieren, wie sie vererbt werden und welche Gene zu welchem Zeitpunkt in welcher Form daran beteiligt sind."

Fünf Krankheiten im Visier der Forschung

Die ETH-Forscher vom Institut für Nutztierwissenschaften haben sich neben congenitaler Ataxie und spastischer Parese auf drei weitere Krankheiten des Schweines spezialisiert: auf die Ascorbinsäure-Defizienz, die Arthrogrypose und die Adhäsion des Bakteriums Escherichia (E.) coli an die Darmschleimhaut. Der Reihe nach:

- "Wie die meisten Tiere können Schweine Vitamin C selbst herstellen", erklärt Stefan Neuenschwander (Ausnahmen sind das Meerschweinchen und Primaten). Doch gäbe es Tiere, die ein beschädigtes Gulonolacton Oxidase-Gen (GULO) haben; die Umwandlung von L-Gulonolacton in Ascorbinsäure könne nicht mehr katalysiert werden. Diese Schweine müssen – wie der Mensch – Vitamin C über die Nahrung aufnehmen und stellen deshalb ein geeignetes Tiermodell zum Studium von Vitamin C-Wirkungen dar. Wegen den grossen physiologischen Parallelen zwischen Schwein und Mensch (Gewicht, Verdauungssystem, Herz-Kreislauf) seien diese Schweine den Nagern vorzuziehen.

- Die Arthrogrypose manifestiert sich als dauernde Gliedmassenkontraktion bei der Geburt. Sie wurde vor drei Jahren in der Schweiz zum ersten Mal entdeckt. "14 der 60 Schweizer Edelschwein-Hochzuchteber tragen die Genvariante für diese Krankheit", sagt Peter Vögeli. "Ein katastrophaler Zustand." Die Forscher des Institutes für Nutztierwissenschaften planen nun einen Test, der die rezessiv vererbbare Genvariante aufspüren kann. So, hofft Vögeli, könne bei der Zucht die Krankheit ausgemerzt werden.

- Eine weitere Erbkrankheit wird durch die Adhäsion des Bakteriums E. coli an die Darmschleimhaut hervorgerufen. Das Colibakterium kann sich so rasch vermehren und Gifte produzieren, die zu Durchfall führen. Die Forscher der ETH waren die ersten, die mit einem Test die anfälligen Schweine feststellen konnten. "Wir bestimmen, ob die Darmzellen über Rezeptoren für das Bakterium verfügen", erklärt Peter Vögeli. Der molekulargenetische Test für die Entdeckung der E. coli F18-Rezeptoren ist seit September 1997 patentiert – mittlerweile in 120 Ländern.

Forschung steht noch am Anfang

"Das sind Beispiele für eine Anwendung in der klassischen Genetik", sagt Stefan Neuenschwander. Die Datenbank Genetpig sei dazu sehr hilfreich. "Die Untersuchung von exprimierten Sequenzen gibt uns Anhaltspunkte, wie die Gene funktionieren." Mit der Gendatenbank des Schweins stehe die Forschung jedoch noch am Anfang; das Genom ist noch nicht vollständig entschlüsselt. "Bestrebungen dazu gibt es", sagt Stefan Neuenschwander – vor allem in China und Dänemark. "Doch diese sind auf privater Basis. Da werden wir wohl nicht so schnell an die Daten herankommen, wie dies beim menschlichen Genom der Fall ist."

Die Datenbank Genetpig wird (bis auf weiteres) von der Firma Infobiogen aus dem französischen Evry betreut. Das EU-Projekt Bio4-CT98-0237 wurde Ende 2001 abgeschlossen, im Januar 2003 wurden die Daten im Fachmagazin "Nucleic Acids Research" publiziert (3).


Fussnoten:
(1) Identification of GENes controlling Economic Traits in PIG: babbage.infobiogen.fr/services/Genetpig/
(2) Institut für Nutztierwissenschaften: www.inw.agrl.ethz.ch
(3) "The GENETPIG database: a tool for comparative mapping in pig (Sus scrofa), Nucleic Acid Research, 2003 Jan 1; 31 (1): 138-141: nar.oupjournals.org/cgi/content/full/31/1/138



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