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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 15.08.2005 06:00

Vlies verlangsamt Firnschmelze
Sommerdecke für Gurschengletscher

Damit das ewige Eis ein wenig länger bestehen bleibt, packten die Bergbahnen Andermatt den oberen Teil des Gurschengletschers in ein Vlies ein. Die Glaziologen der ETH Zürich nutzten die Gelegenheit für ein wissenschaftliches Experiment.

(per) Der Gurschengletscher im Kanton Uri schwitzt - und schmilzt. Jeden Sommer ein wenig mehr. Vor jeder Wintersaison mussten deshalb die Betreiber der Gemsstockbahn die Rampe, die von der Bergstation auf die Gletscher-Skipiste hinunterführt, mit viel Aufwand wieder aufschichten, vebrannten dabei über 3000 Liter Diesel und viele Mannstunden, dort oben, auf 3000 Meter über Meer.

Wissenschaftlicher Versuch

Doch jetzt soll die Plackerei ein vorläufiges Ende haben. Im Mai verlegten die Andermatter Bergbahnbetreiber(1) als erste in der Schweiz 2'500 Quadratmeter weissen Vlies, packten den obersten Bereich des Gurschengletschers und angrenzende Felspartien ein in eine Folie à la Christo und hofften, dass dadurch das Eis kühl und die Rampe bestehen bleibt. Die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH begleitet im Sinne eines wissenschaftlichen Versuchs die Verpackungskunst am Gletscher. Unten, am Fuss der Rampe, auf einer kleinen Hochebene hat Glaziologe Andreas Bauder auch ein Testfeld mit dem gleichen Material abgedeckt, um die Effektivität der Abdeckung zu bestimmen.

Schmelzrate deutlich kleiner

Die Zwischenresultate sind für die Bahnen ermutigend und für das Klima ein schlechtes Zeichen. Das Vlies wirkt und hat verhindert, dass der Firn und das Eis im gleichen Tempo wie bisher verschwunden sind. Nur rund 30 Zentimeter Masse ist von der Rampe unter der Abdeckung geschmolzen. Auf der Vergleichsfläche haben die ETH-Forscher sogar satte 150 Zentimeter Unterschied zum unabgedeckten Teil des Gletschers gemessen.

Im September werden die Bahnbetreiber das Vlies entfernen. Im nächsten Frühling, nach Ende der Skisaison, soll der Gletscher wieder seinen Sommermantel erhalten. Bauder wird die Messreihe weiterführen und den Versuch allenfalls sogar ausweiten. „Die Bahnbetreiber sind sich bewusst, dass sie dieses Experiment mehrere Jahre laufen lassen müssen, auch wegen der Variabilität der Witterung“, sagt der Glaziologe.


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Am Gemsstock auf 3000 Meter über Meer schützt ein Vlies eine Abfahrtsrampe aus Eis und Firn. ETH-Glaziologen messen den Dickenschwund (Bild: Andermatt Gotthard Sportbahnen AG). gross

Gletschertische stehen Pate für Abdeckung

Dass der Verpackungsversuch klappt, hat Bauder nicht bezweifelt: „Eis abzudecken, damit es nicht schmilzt, ist eigentlich nichts Neues.“ Am Phänomen der Gletschertische sehe man, dass eine Abdeckung das Abschmelzen des Firns verhindere, so der Wissenschaftler. Als Gletschertische bezeichnen die Glaziologen grosse Steinplatten, die auf einem Sockel aus Firn und Eis ruhen. Diese Steine schirmen lokal die Strahlung ab, so dass das Eis darunter nicht schmilzt. Rundherum jedoch, wo die Sonne direkt auf den Gletscher brennt, sinkt das Eisniveau ab.

Dennoch ist sich Andreas Bauder bewusst, dass man mit einem Vlies das Problem des Gletscherschwunds nicht aufhalten kann. „Für mich war es interessant zu sehen, wie unser Wissen in die Praxis umgesetzt wird“, sagt er. In der Schweiz erwärmt sich seit 150 Jahren das Klima und die Gletscher haben deutlich an Masse verloren. Das zeigen die Resultate des Schweizerischen Gletschermessnetzes (2). In den letzten 20 Jahren schrumpfte die Dicke der grösseren Schweizer Eisströme im Durchschnitt jedes Jahr um einen Meter.


Fussnoten:
(1) Pressemitteilung Andermatt Gotthard Bergbahnen AG: www.andermatt.ch/de/bergbahnen/gletscher-glacier-m454/
(2) Datenbank Schweizerisches Gletschermessnetz: http://glaciology.ethz.ch/swiss-glaciers/



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