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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.09.2005 06:00

Die Bedeutung der Quervernetzung im Herzgewebe
Mathematik mit Herz

Indem er den mittleren Abschnitt der linken Herzkammer als Zylinder approximiert und ein entsprechendes mathematisches Modell entwickelt, kann ein ETH-Forscher zeigen, wie wichtig die Quervernetzung der Herzfasern für die Stabilität des zentralen Organs ist. Seine Ergebnisse entsprechen Messungen an einem Schweineherzen.

Christoph Meier

Das Herz ist ein ganz spezielles Organ. So hat es beispielsweise nur eine beschränkte Regenerationsfähigkeit, oder ist, neben Harnblase und Uterus, der wichtigste Hohlmuskel beim Menschen. Dank seiner zentralen Stellung verloren auch viele Forscher ihr Herz an das Zentrum der Blutversorgung. Trotz dieses hohen Interesses ist aber bis heute nicht klar, wie genau die Herzfasern angeordnet sind. Denn Computertomographie und Magnetresonanz geben nur ein unscharfes Bild des inneren, mikroskopischen Herzaufbaus am lebenden Menschen. Dazu kommt, dass Gewebeschnitte zwar eine genügende Auflösung haben, mit ihren zwei Dimensionen jedoch auch nur beschränkt Aufschluss geben. Das führt dazu, dass die Herzmechanik in Bezug auf Kräfte, welche auf die Fasern sowie in diesen wirken, nur ansatzweise verstanden wird. Peter Niederer, ETH-Professor für Biomedizinische Technik, ist es nun gelungen, mit einem mathematischen Modell zu zeigen, dass die Quervernetzung der Herzfasern einen bedeutenden Einfluss auf die Stabilität er Herzwand ausübt. Die Arbeit des Forschers erschien in der Zeitschrift „Biomechanics and Modeling in Mechanobiology“ (1).

Modell mit lösbaren Gleichungen

Der Physiker Niederer ging bei seiner Untersuchung von einem vereinfachten Herzmodell aus, indem er das zentrale Organ als Hohlzylinder auffasste. Diese Vereinfachung führt zu mathematischen Gleichungen, die sich lösen lassen. „Natürlich modellieren wir das Herz auch realitätsnäher mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente“, kommentiert der Forscher: „Doch dann ist es schwierig und aufwendig, allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen.“ In seinem Zylinderherz untersuchte Niederer den Einfluss der Quervernetzung der Herzfasern. Dafür berechnete er in einem ersten Schritt die Stabilität der Herzwand, wenn alle Fasern einfach parallel verlaufen. In einem zweiten Schritt verglich er diese Ergebnisse mit solchen, die resultierten, wenn noch Scherkräfte zwischen den Fasern eingeführt wurden. Die Scherkräfte sollten dabei die Wirkung der Quervernetzung simulieren. Die Gesamtanalyse ergab schliesslich, dass die Quervernetzung notwendig ist für die Stabilität des Herzens.


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Das Herz stellt ein dicht verbundenes Netz aus Herzfasern dar, was aber in einem Herzgewebeschnitt nur beschränkt erkennbar ist. (Bild: P. Lunkenheimer) gross

Den Schweinetest bestanden

Natürlich ist sich Niederer bewusst, dass das reale Herz wesentlich komplexer ist als sein Modell. Doch Messungen am Schweineherzen bestätigten, dass die Quervernetzung den vom ETH-Forscher prognostizierten Effekt auf die Herzwandstabilität ausübt. Niederer dazu: „Die Übereinstimmung meines Modells mit den Messungen im Tier überraschen mich nicht.“ Denn die basalen mechanischen Eigenschaften in Bezug auf die Quervernetzung seien in einer Kugel, einem Ellipsoid oder einem herzförmigen Gebilde vergleichbar mit denen, die in einem Zylinder auftreten.

Kein Fortschritt ohne Verständnis der Mechanik

Doch was bedeuten nun die Erkenntnisse? Niederer macht darauf aufmerksam, dass für Fortschritte beispielsweise in der Technik mit künstlichem Gewebe – im Englischen bekannt als Tissue Engineering – die Mechanik verstanden werden müsse. Das Tissue Engineering wiederum sei gerade in Bezug auf das Herz wiederum von Bedeutung, da trotz des grossen Wirbels um die Herztransplantationen die Zukunft in Organ erhaltender Therapie liege. Denn es gebe immer zuwenig Spender und die Xenotransplantation liege auch in weiter Ferne. Weniger weit weg liegt die Pensionierung von Peter Niederer. Er wird in einem Jahr emeritiert. Das Zylindermodell wird er nicht weiter entwickeln, da es weitgehend erschöpft ist. Er wird aber mit seinem Know-how über Herzmechanik gerne Kollegen beraten und mit ihnen weiterhin zusammenarbeiten. Der Forscher bezeichnet diese Aufgabe scherzhaft als „letzte wissenschaftliche Zuckungen“.


Fussnoten:
(1) Niederer PF, Lunkenheimer PP, Cryer CW: "On the significance of fiber branching in the human myocardium": BIOMECHANICS AND MODELING IN MECHANOBIOLOGY 3 (1): 1-5 SEP 2004



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