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Rubrik: Tagesberichte

Junior-Gedächtnisweltmeisterin bei ACAP
Wenn die Tulpe mit der Lampe tanzt

Published: 28.06.2006 06:00
Modified: 28.06.2006 12:02
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Zur Prüfungsvorbereitung der Studierenden wartete das Academic and Career Advisory Program (ACAP) der ETH Zürich letzte Woche mit einem besonderen Workshop auf (1) . Die Gedächtnisweltmeisterin Christiane Stenger verriet den Studierenden ihre persönlichen Techniken und erklärte warum die Zahl Eins auch ein Baum ist.



Claudia Naegeli (mailto:claudia.naegeli@cc.ethz.ch)

Visualisieren, Verknüpfen, Wiederholen – das sind die Zauberwörter, die helfen unsere Gedächtnisfähigkeit zu verbessern. „Es ist einfacher, sich Dinge zu merken, die man sich bildlich vorstellt“, sagte die gerade einmal 19-jährige Junior-Gedächtnisweltmeisterin Christine Stenger. Wenn man beispielsweise an das letzte Weihnachtsfest denkt, wird klar, dass Erinnerungen häufig als Bilder, Gerüche, Stimmungen oder Geräusche im Kopf gespeichert werden. „Vor allem Aussergewöhnliches bleibt besser in unserem Gedächtnis haften als Alltägliches“, fügte sie an. Ein Mann im Froschkostüm bleibe einem eher in Erinnerung als einer im grauen Anzug.

Phantasie als Basis

Die Phantasie ist deshalb ein entscheidender Faktor beim Gedächtnistraining. „Je aussergewöhnlicher, je kunterbunter die Bilder sind, die wir in unseren Köpfen malen, desto leichter können wir uns Fakten und Zusammenhänge merken“, erklärte Christiane Stenger. Doch die Kreativität werde in der Schule häufig nicht genug gefördert und visuelle Medien wie das Fernsehen verhindern das Entstehen von eigenen Bildern im Kopf. Doch auch Kreativität lasse sich trainieren, betonte die junge Frau aus München.

Überhaupt müsse man kein Genie sein, um lange Zahlenreihen oder Vokabeln einer Fremdsprache in kurzer Zeit zu lernen. Die Technik macht den Unterschied oder um es mit den Worten der Weltmeisterin auszudrücken: „Man muss lernen, den Schalter im Kopf umzudrehen“. Und das setzt gleichzeitig eine gewisse Motivation voraus. Denn Gedächtnistraining ist auch mit Anstrengung verbunden und das leichtere Lernen führt zuerst über Umwege.

Verknüpfungen machen und Routen planen

Ein gedankliches Bild von einem bestimmten Begriff allein reicht häufig nicht aus, um sich etwas nachhaltig einzuprägen. „Wer sich Dinge merken will, muss sie mit etwas Bekanntem verknüpfen“, erklärt Christiane Stenger. Bei schwierigen Begriffen wie Fremdwörtern oder Fachausdrücken kann das der Phantasie jedoch einiges abverlangen. Welches Bild soll sich beispielsweise ein Laie von dem Ausdruck Polycarbonat machen? Der weltmeisterliche Rat lautet hier, die Wörter ruhig einmal in ihre Einzelteile zu zerlegen. Poly ist ein Vorname, Pol könnte auch der Südpol sein und Carbonat erinnert manch einen vielleicht an Spaghetti Carbonara – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Das Buch mit den weltmeisterlichen Tipps konnten die Studierenden nach der Veranstaltung erstehen. Natürlich mit Widmung der Autorin (Bild: Jürg Waldmeier).

Christiane Stenger im gestreiften T-Shirt im Gespräch mit Studierender der ETH (Bild: Jürg Waldmeier).

Eine grössere Anzahl von Begriffen, merkt man sich laut Christiane Stenger am einfachsten, wenn man sich eine Geschichte ausdenkt. Da geschieht es allerdings leicht, dass man die richtige Reihenfolgen missachtet oder doch den einen oder anderen Begriff vergisst – insbesondere, wenn es schnell gehen muss. Hier schafft die so genannte Routentechnik Abhilfe. Wenn man eine Reihenfolge bestimmter Punkte in dem Raum, in dem man sich befindet festlegt, kann man die verbildlichten Begriffe mit diesen Punkten verknüpfen. Die Poly, die Spaghetti Carbonara isst, sitzt dann zum Beispiel auf der Fensterbank.

Hilfe, aber kein Zaubermittel

Einen weiteren Trick verriet Christiane Stenger für das Auswendiglernen von Zahlen. Auch hier helfen Bilder. Eine Eins könne man sich beispielsweise als einen Baum vorstellen, weil jeder Baum nur einen Stamm hat, die Sieben als einen Zwerg, weil in der Geschichte mit Schneewittchen sieben Zwerge vorkommen. Komplexere Zahlenreihen oder mehrstelligen Ziffern, merkt sich Christiane Stenger, indem sie den einzelnen Zahlen einen Buchstaben zuweist. „Die Buchstaben kann im Grunde jeder für sich selber bestimmen“, sagte Christiane Stenger. Wichtig sei nur, dass man sich die Zuordnung leicht merken könne und man immer die gleichen Bilder für die gleichen Ziffern wähle. So werden aus Zahlreihen ganze Wörter und aus diesen lassen sich wiederum Geschichten formen.

Das klingt nach viel harter Arbeit. Lernt man nicht schneller, wenn man versucht sich die Dinge direkt einzuprägen? „Am Anfang ist das Lernen in der Tat etwas anstrengender“, räumt Christiane Stenger ein. Doch mit der Zeit funktioniere die Denkweise automatisch. „Zudem merkt man sich auf diese Weise die Dinge nachhaltiger, weil man die Bilder und Geschichten richtig verinnerlicht.“ Die Lernfortschritte würden sich jedoch schnell – bereits nach ein bis zwei Wochen – einstellen und das führe dann auch zur notwendigen Lernmotivation. Auf den Hinweis einer Studentin, die Lerntechnik sei schwierig auf ein Studium zu übertragen, bei dem es vor allem um die Anwendung richtiger Methoden und nicht um auswendig gelernte Fakten gehe, meinte die Gedächtnisweltmeisterin, dass sich die Methode durchaus auch auf Formeln anwenden lasse. „Meine Technik ist kein Zaubermittel, aber eine Hilfe“, fügte sie an. Es sei unglaublich, was das Gehirn alles leisten könne und die gewohnte Denkweise schalte sich aufgrund einer neuen Lernmethode nicht aus.

Jadwiga Gabrys vom ACAP zeigte sich sehr erfreut über die gelungene Veranstaltung. In diesem Semester haben sie und ihr Team zwei Themenanlässe für Studierende organisiert, die letzten Herbst das Studium der Maschineningenieurswissenschaften begonnen haben. "Die Anlässe geben ihnen entweder einen Einblick in die spätere Berfuswelt oder sollen sie bei der Prüfungsvorbereitung unterstützen", sagt sie. Während bei der ersten Veranstaltung mit einem Referenten aus der Praxis mehr die spätere Anwendung des Fachwissens im Zentrum stand, ging es beim letzten Workshop klar um die Prüfungsvorbereitung. "Die Anlässe sollen aber auch für das Studium motivieren und Gelegenheit zum Austausch bieten", erklärte Jadwiga Gabrys.


Eine der erfolgreichsten Gedächtniskünstlerinnen

Die 19-jährige Christiane Stenger ist eine der erfolgreichsten Gedächtniskünstlerinnen der Welt (2) . Sie gewann seit 1999 mehrfach die Junioren-Gedächtnisweltmeisterschaft und zählt in der Rangliste der Erwachsenen zu den TOP 10. Christiane Stenger absolvierte mit gerade 16 Jahren erfolgreich ihr Abitur anschliessend begann anschliessend mit dem Studium der Politikwissenschaften in München. Trotz ihres herausragenden Erinnerungsvermögens ist die junge Deutsche aber keinesfalls nachtragend: „Ich merke mir nur die schönen Dinge“, sagt sie.


Footnotes:
(1 Website des Academic and Career Advisory Programs der ETH: www.acap.ethz.ch
(2 Mehr Informationen über Christiane Stenger: www.gedaechtnistraining-stenger.de


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