Der literarische Salon: ein Begriff mit grosser Tradition: Im 18. Und 19. Jahrhundert boten die Salons, die vor allem von grossbürgerlichen Frauen geführt wurden, Literaten, Journalisten, Wissenschaftlern und Künstlern ein Forum für den Austausch. Damals pflegte man in den guten Stuben der besseren Gesellschaft aber nicht nur die gelehrte Causerie; sondern man knüpfte auch Kontakte und machte mitunter handfeste Politik, namentlich liberale Politik.

Erinnert sei nur an die legendäre Madame de Staël, die in der Ära der Französischen Revolution mit Geistesgrössen aus ganz Europa verkehrte – und ob ihrer Auffassungen zur Zielscheibe Napoleons wurde. In den Berliner Salons des frühen 19. Jahrhunderts versammelten sich romantische Geistesgrössen wie Wilhelm von Humboldt, Schleiermacher, die Schlegels und die Tiecks.

Gab den Anstoss zum Internet-Portal "Schreiben am Netz" und wird es kommentierend begleiten: der österreichische Autor Walter Grond.

Das Collegium Helveticum der ETH eröffnet heute Freitag nun seinen eigenen SALON (www.collegium.ethz.ch/salon/) ; nicht in der Sternwarte selbst, sondern zeitgemäss im virtuellen Raum. Geöffnet bleibt er bis im Juni. Ganz im Sinne der Salonkultur soll dieser zur Bühne eines grossen Gesprächs werden. Thema ist das "Schreiben am Netz". Den Anstoss gab der Schriftsteller Walter Grond, 2002 literarischer Gast am Collegium, für dessen Schaffen das Internet eine starke Rolle spielt (vgl.: House (www.house-salon.net/sieben/siebenindex.htm) ).

Schreiben am Netz: noch ist nicht klar erkennbar, wie das neue Medium das Schreiben beeinflusst. Das Diskussionsprojekt des Collegiums will dieser Frage nachgehen.

Was heisst "schreiben", wer schreibt wo am Netz, was ist sichtbar, was nicht? Aber auch: welche Bedeutung kommt dem "Schreiben am Netz" für die Literatur zu, respektive worin besteht diese im "digitalen Zeitalter"? - Dies sind Fragen, die im Rahmen von "Schreiben am Netz" debattiert werden sollen. An den über das Netz geführten Diskussionen mitwirken werden neben den aktuellen KollegiatInnen unter anderen die AutorInnen Adolf Muschg, Peter Stamm, Matthias Politycki und Ulrike Draesner, die Publizistin Regula Bochsler, die Professoren Wolfram Groddeck (Germanistik, Basel) und David Gugerli (Technikgeschichte, ETH).

"Ich stelle fest, dass bei Schreibenden in Bezug auf das Netz vor allem kategorische Ansichten vorherrschen: totale Begeisterung und totale Ablehnung", sagt Johannes Fehr, Stellvertretender Leiter des Collegiums, Programmbeauftragter für Literatur und Kunst und Initiator des Projekts. Dieses Schwarz-Weiss gelte es aufzubrechen und zu diskutieren, denn Tatsache sei, dass das Internet sich auf das Schreiben und dessen Rezeption auswirke: "Die Frage ist nur: wie."

Gleichzeitig mit dem Salon, der neben Grond eine Reihe anderer Autoren, Wissenschaftler und Webaktivisten versammelt, sollen in einem LABOR (www.collegium.ethz.ch/labor/) genannten weiteren Raum insbesondere die Projekte und Produkte von KollegiatInnen und anderen Collegiumsgästen zur Diskussion gestellt werden. Als drittes Gefäss wird schliesslich die CHRONIK (www.collegium.ethz.ch/chronik/) von Walter Grond online über seinen Aufenthalt als literarischer Gast des Collegium Helveticum berichten.

Grond wird seine Sicht vom Schreiben am Netz wiedergeben und Beobachtungen aus dem Salon vermitteln. Eine redaktionell redigierte Fassung der Chronik erscheint wöchentlich im Dossier "Schreiben am Netz" unter NZZ Online (www.nzz.ch/dossiers/2002/schreiben-am-netz/index.html) .

Am Symposium "Schreiben am Netz", welches das Collegium vom 5. bis 7. Juni 2002 veranstaltet, werden die Erkenntnisse der virtuellen Diskussionsräume gebündelt werden.