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Rubrik: Tagesberichte Sola 2007 Der Mitläufer |
Published: 07.05.2007 06:00 Modified: 27.06.2007 14:22 |
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Christoph Meier (mailto:christoph.meier@sl.ethz.ch)
Früher verlief alles in geordneten Verhältnissen. Anfang Jahr kam die Einladung zur Sola, der Laufstafette des Akademischen Sportvereins Zürich, danach diskutierte man noch ein bisschen über die Streckenverteilung, und schliesslich absolvierte man den Lauf. Als ein Team mit Ambitionen für die ersten Hundert analysierte die Gruppe dann am Sola-Abend bei spanischem Speis und Trank, wieso es doch wieder nicht ganz gereicht hatte. Mit den Jahren leiden aber auch feste Beziehungen. Die Antwort auf die Anfrage schob man hinaus. Zudem signalisierte man, dass man mit zunehmendem Alter kürzer treten wolle beziehungsweise müsse. So kam es, dass man plötzlich nicht mehr gefragt war. Trotzdem wollte man aber nicht auf die Sola verzichten. Denn allein der Gedanke, dass zwischen morgens halb acht und abends um sechs Uhr irgendwo auf der 120 Kilometer langen Strecke jemand unterwegs ist, der zum selben Team gehört, fasziniert. Kontaktbörse nützenWas sollte ich also dieses Jahr tun? Mein Commitment für ein Power-Team geben? Das schmeckte mir zu fest nach Vergangenheit und modernen Managern, die häufig von Team-Geist sprechen, aber eigentlich Leute suchen, die sich wie Sektenangehörige ihrem Diktat für die Anstellungszeit unterwerfen. Als Mensch, der in den Bergen aufgewachsen ist, und bei dem die Postmoderne erst gerade angekommen war, beschloss ich darum, mich auch mal als Teil der Multioptionsgesellschaft zu versuchen. Konkret hiess das, ich benutzte die Läuferbörse auf der Sola-Webpage. Als, wie erwähnt, älter werdender Mensch und Mann hatte ich natürlich ein seniles Faible für den Beginn des Inserates „Wir suchen DICH“. Der prosaische Teil „Läufer für Strecke 9, 11.3 Kilometer“ ignorierte ich geflissentlich. Ich meldete mich und erhielt umgehend eine positive Antwort. Als ich die Kontaktperson traf, erwähnte sie wie im Mail zuvor, dass es ihnen nicht um sportliche Höchstleistungen ginge. Dass glaubte ich schliesslich auch. Denn die Forscher im Umfeld der Quantum Photonics Group der ETH erbringen sicher in der Wissenschaft Leistungen in Grenzbereichen und müssen sich nicht noch ausserhalb immer mit Extremen beweisen, beruhigte ich mich. Selbst gab ich auch etwas verschämt meine berufliche Herkunft preis, hoffend, dass sie vielleicht der Rufpflege – im Sinne, endlich kann man jemanden von ETH Life für etwas brauchen – dienen möge. Wohl fühlen als Schnecke im RegenDann war der Sola-Tag da: Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster kam es mir vor, dass ich mit dem Dauer-Regen in die Traufe geraten war. Doch bereits bei meiner Ankunft an meinem Startort auf der Fluntern hob sich meine Stimmung. Da gab es wieder die unter Sportlern so verbreiteten Gespräche über die eigenen Arztgeschichten und sonstige Schwierigkeiten bei der Vorbereitung, bei denen ich zwar nicht mitreden kann, die mich aber bestens unterhalten. So bin ich immer wieder beeindruckt, wie viele Male man ein Knie operieren kann. Einmal im Regen stehend, erwies sich dieser als gar nicht so schlimm. Unterwegs auf der malerischen Strecke zur Forch war er schon fast berauschend. Geradezu lustvoll lief ich durch Schlamm sowie Dreck und erachtete das Hupen der Autos, die augrund von uns Läufern warten mussten, mit diebischer Freude wirklich erstmals als Konzert. Erstaunt stellte ich fest, dass sich meine Berglerprovenienz in den Steigungen auszahlte, indem ich da immer wieder andere Läufer überholen konnte. In den ebenen Passagen dafür erwies ich mich als Schnecke. Doch wie dieses Tier fühlte ich mich beim regnerischen Wetter wohl und bedauerte es fast, als ich nach rund einer Stunde in der Forch meinen Zeitmesser-Stick übergeben musste. Das charmante Lächeln meiner Nachläuferin war jedoch ein schöner Trost. Zu Hause unter der warmen Dusche fiel dann mein persönliches Fazit der Sola nur positiv aus: Fremdkriechen, -gehen und –laufen bewährt sich, wenn man auf ein tolerantes Team trifft. Zudem hat das Mitläufertum etwas befreiend Episodisches und entspricht doch bestens dem Breitensportmotto „Mitmachen ist Alles“.
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