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Rubrik: Tagesberichte Was kostet ein Studium an der ETH? Der „Luxus“ liegt in der Infrastruktur |
Published: 03.05.2006 06:00 Modified: 03.05.2006 11:20 |
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„Bauern und Förster sind die Luxus-Studenten“ titelten jüngst die Schweizer Zeitungen. Stolze 112´000 Franken jährlich koste die Ausbildung eines Studenten der Agrar- oder Forstwissenschaften. Mit Abstand seien dies die teuersten Studienrichtungen in der Schweiz und zudem Fächer, die universitär exklusiv an der ETH Zürich angeboten werden. Die erste Kostenrechnung der Universitätskonferenz (SUK) hat hohe Wellen geschlagen. Anlass für ETH Life, einmal nachzuhaken. Michael Bartnik Michael Kreuzer und Ottmar Holdenrieder fielen aus allen Wolken, als sie von den Ergebnissen der Studie erfuhren. 112'000 Franken für ein Studium im Bereich Forst- und Agrarwissenschaften – das konnten sich die beiden ETH-Professoren nicht erklären. Holdenrieder, der frühere Vorsteher des inzwischen im Umweltwissenschafts-Departement (D-UWIS) integrierten Departements Forstwissenschaften, hatte vor einigen Jahren selbst einmal eine Rechnung aufgemacht, was die Ausbildung eines Forstwissenschafts-Studenten koste. Er kam auf einen Betrag, der weniger als halb so gross war. Inzwischen wurde zudem die Anzahl der forstwissenschaftlichen Professuren von sieben auf fünf reduziert, was mit erheblichen Einsparungen in diesem umweltrelevanten Bereich verbunden war. Forstwissenschaften in der Umstrukturierung„Ich nehme an, hier wurden die wenigen Studierenden des auslaufenden Diplomstudienganges Forstwissenschaften als Basis benutzt und die parallel 'nachwachsenden’ Bachelorstudenten komplett ignoriert“, mutmasst Holdenrieder. Im früheren Diplomstudiengang Forstwissenschaften waren im Untersuchungsjahr 2004 noch 112 Studierende immatrikuliert, inzwischen sind es nur noch 34. Heute kann man „Wald und Landschaft“ als Schwerpunkt beim Bachelorstudium „Umweltnaturwissenschaften“ vertiefen – das wird allerdings in der SUK-Kostenrechnung in der Gruppe „Naturwissenschaften“ geführt (an der ETH 88'000 Franken pro Student). Holdenrieder fügt hinzu: „Die Studierenden der Umweltnaturwissenschaften entscheiden sich erst am Ende des zweiten Studienjahres für eine Fachvertiefung. Somit ist in der derzeitigen Phase des Überganges eine Berechnung der aktuellen Kosten des 'Forststudiums’ nicht möglich.“ Schwäche: Fächergruppen statt konkrete Studiengänge„In der Studie wurde nicht das ganze Bild gezeichnet“, gibt Markus Knaus, Abteilungsleiter Controlling an der ETH Zürich, zu bedenken. Er hat die Kostenrechnung genau unter die Lupe genommen, nicht zuletzt weil er der SUK die Zahlen lieferte. „Die Zahlen stimmen. Aber man muss sie genau betrachten.“ Die 112'000 Franken pro Student stehen für eine ganze Gruppe von Studienfächern: Nicht nur Agrar- und Forstwissenschaft, sondern auch Lebensmittelwissenschaft.
Aber warum gehen diese Studiengänge so sehr ins Geld? Eine Antwort liegt in der Infrastruktur: In diesen Studiengängen werden schliesslich keine Bauern und Förster ausgebildet sondern hier lernen und forschen Spezialisten für die Pflanzen- und Tierproduktion, Lebensmittelingenieure und Fachleute für den Umgang mit grossräumigen, naturnahen Ökosystemen. „Die brauchen mehr als eine gut sortierte Bibliothek“, verdeutlicht Holdenrieder. Allein für das Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften (D-AGRL) fallen nach Auskunft von Knaus für die 36'000 Quadratmeter Fläche 12 Millionen Franken Raumkosten an – dazu gehören zum Beispiel die Forschungsstationen Chamau und Alp Weissenstein oder die Versuchsstation Lindau. Forschungsstationen erwirtschaften EinnahmenDoch da haken die beiden Professoren ein: „Die Forschungsstationen erwirtschaften Einnahmen, die fast die Hälfte der Betriebskosten decken“, sagt Kreuzer. „Des Weiteren wird die Versuchsstation Lindau vom D-AGRL und dem D-BIOL gemeinsam genutzt. Im Unterschied zu Forschungsanstalten des Bundesamtes für Landwirtschaft , welche angewandte Forschung betreiben, sind die departementseigenen Forschungsstationen unerlässlich für die Grundlagenforschung.“ Holdenrieder fügt hinzu: „Unser Lehrwald Uetliberg hat sich bisher durch den Holzverkauf weitgehend selbst getragen. Inzwischen ist er aber nicht mehr dem D-UWIS zugeordnet.“ Der ETH-Fachmann für Kostenrechnung räumt weiterhin ein: „Die 112'000 Franken müssen eigentlich um etwa 9'000 Franken niedriger angesetzt werden.“ Grund: Im Berechnungsjahr 2004 wurden 45 Mitarbeiter des Instituts für Pflanzenwissenschaften dem D-AGRL zugeschrieben, obwohl die Professuren zum Departement Biologie (D-BIOL) gehörten. Nicht die teuerstenAber egal ob 112'000 Franken oder 103'000 Franken: Der Betrag für die Studiengänge Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften ist im schweizweiten SUK-Vergleich noch nicht einmal der höchste. Jeder der 34 Studierenden an der Universität Neuenburg im Cluster „Maschinen und Elektroingenieurwesen“ koste 140'000 Franken im Jahr. Doppelt so viel wie diejenigen an der ETH Zürich. „Noch viel mehr werden wahrscheinlich die Mediziner kosten“, schätzt Knaus. „Für sie werden auch die höchsten interkantonalen Ausgleichszahlungen geleistet“. An dieser Stelle ist die erste SUK-Kostenrechnung unvollständig, da die Kosten der Unispitäler noch ausstehen. Abschliessend bemerkt Knaus: „Wir strukturieren unsere Zahlen ganz anders – nicht nach Gruppen von Studiengängen, sondern nach Departementen. Deshalb sind sie auch wenig vergleichbar.“ Ihr eigenes Zahlenwerk präsentiert die ETH heute auf ihrer Jahresmedienkonferenz. Ausserdem erscheint der neue Jahresbericht. Und zwar für das Jahr 2005. References:
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