www.ethlife.ethz.ch    
ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuftETH Life - wissen was laeuftETH LifeDie taegliche Web-Zeitung der ETHETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuftETH Life - wissen was laeuft


Rubrik: Tagesberichte

Joseph Weizenbaum eröffnet die Digital Art Week
"Verkabeltes Irrenhaus"

Published: 13.07.2007 06:00
Modified: 13.07.2007 09:34
druckbefehl

(flo)Der Informatiker und Medienkritiker Joseph Weizenbaum eröffnete am vergangenen Dienstag die Digital Art Week (DAW) (1) mit einem Vortrag. Eine Koryphäe wie Weizenbaum braucht besonders im Rahmen einer Veranstaltung wie der DAW eigentlich nicht vorgestellt zu werden. Jürg Gutknecht, Vorsteher des Departements für Informatik, liess es sich dennoch nicht nehmen, den Vortrag des Professors anzukündigen und in den Kontext der Veranstaltung einzubinden. Dies war auch nötig, da Weizenbaum seinen Vortrag sehr assoziativ hielt und nie lange bei einem Thema verweilte.

Weizenbaum machte zu Beginn seines Vortrags auf zwei Gefahren im Zusammenhang mit Kunst und Computertechnologie aufmerksam. Erstens bestehe bei Kunst, welche mit Hilfe von Computern geschaffen werde, das Risiko, dass die Inhalte durch die Mittel verdrängt würden. Andererseits würden Computer, welche selbst zu Künstlern würden, die Kunst per se vernichten. Dies werde jedoch nicht geschehen, so Weizenbaum, da Computer auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, selbst Kreativität zu entwickeln. Überhaupt würden die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz von seinen Berufskollegen überschätzt, so der kritische Informatiker. Weizenbaum hatte in den 60er Jahren das Programm „Eliza“ entwickelt, mit welchem er die Verarbeitung natürlicher Sprache durch einen Computer demonstrieren wollte. Er war entsetzt darüber, dass einige praktizierende Psychiater tatsächlich glaubten, mit einer Variante von „Eliza“ eines Tages die Psychotherapie automatisieren zu können. Dadurch wurde der Informatiker zum Kritiker seiner eigenen Branche.

Laut Weizenbaum kann Wissenschaft nicht wertfrei sein. Es gelte viel zu viele Fragen zu beantworten und allein die Auswahl der Fragen, welche als beantwortungswürdig eingestuft würden, sei eine Wertung. Er wies darauf hin, dass nicht alle Werte kalkulierbar seien und der Mensch kein „Set of Information“, wie dies gewisse Berufskollegen behaupten würden. Information definiert Weizenbaum gerne als „Difference that makes the difference“. Gerade weil der Mensch mehr sei als nur ein Speicher von Informationen, sei es äusserst wichtig, Kreativität und Ideen richtig auszudrücken. Die höchste Priorität in der Bildung habe deshalb die Meisterung der eigenen Sprache und die Artikulation eigener Ideen. Gemäss Weizenbaum sei mindestens ein Drittel der Studierenden am MIT (Massachusetts Institute of Technology) nicht in der Lage, ihre Gedanken korrekt in Worte zu fassen.

Joseph Weizenbaum eröffnet die Digital Arts Week

Wenn sie etwas nicht verstehen, würden sie zuerst auf Internet-Suchmaschinen wie Google, also automatisierte Informationsauswahl zurückgreifen, anstatt die Bibliothek zu nutzen oder einen Dozenten zu fragen.

Sowohl das Internet als auch die Medien generell würden nur Signale verbreiten, so Weizenbaum weiter. Die Information entstehe erst durch die individuelle Verarbeitung der Signale und der Einordnung in bereits vorhandene Schemata. In der Bevölkerung der USA würden diese Schemata über die Gesellschaft und das Bildungssystem vorgegeben. Dies mache die Gesellschaft krank. Weizenbaum spricht in diesem Zusammenhang von einem „Verkabelten Irrenhaus“. Es sei kein Zufall, dass die meisten Informatikabsolventen des MIT von der Rüstungsindustrie angeworben würden. „Die USA sind zu einer Kriegernation geworden“, sagt Joseph Weizenbaum. Wenn ihn Studenten fragen, ob sie eine Arbeit in der Rüstungsindustrie annehmen sollen, antwortete er jeweils: „Versuche die Distanz zwischen deinem Handeln und den Konsequenzen deines Handelns so gering wie möglich zu halten.“ Nur weil man die Konsequenzen nicht immer abschätzen könne, heisse das nicht, dass man es nicht versuchen solle, so der Informatikprofessor. „Allein die Tatsache, dass etwas technologisch machbar ist, bedeutet noch lange nicht, dass es auch tatsächlich getan werden muss.“

Footnotes:
(1 Weitere Informationen über die Digital Arts Week: www.digitalartsweek.ethz.ch


Copyright 2000-2002 by ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zurich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
ok
!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!