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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.04.2004 06:00

Interview mit Ernst Buschor, ETH-Rats-Vizepräsident seit 1. Januar 04
„Gut sein allein reicht nicht mehr“

Der erfahrene Reform- und Bildungspolitiker Ernst Buschor ist seit drei Monaten ETH-Rats-Vizepräsident. Im Interview mit "ETH Life" spricht er über seine Sicht auf die ETH Zürich, auf Brennpunkte wie die ETH-Studiengebühren und seine Sorge über die Entwicklung der Schweizer Bildungsausgaben.

Interview: Norbert Staub

Herr Buschor, als ehemaliger Zürcher Bildungsdirektor haben Sie vor kurzem das Vizepräsidium des ETH-Rats übernommen. Hier wie dort sind Sie mit Hochschulfragen konfrontiert. Gibt es etwas, dass Sie in Ihrem neuen Amt dennoch überrascht hat?

Ernst Buschor: Die ETH ist mir nicht neu. Die engen Kontakte als kantonaler Bildungsdirektor haben mir viele Einblicke ermöglicht. Beeindruckt hat mich, wie sehr sich die ETH-Kultur an der Forschung orientiert. Diese Fokussierung wird von den kantonalen Universitäten im allgemeinen nicht erreicht.

Gerät dabei aber nicht die Lehre ins Hintertreffen?

Nein. Die ETHs verfügen im Vergleich zu den Philosophischen Fakultäten über bessere Betreuungsverhältnisse. Das erleichtert und verbessert die Lehre.

Sie kamen als politischer Verantwortlicher einer Voll-Uni, welche die Humboldtschen Ideale pflegt, in ein Umfeld, wo das Wort „Verschulung“ kein Schimpfwort darstellt. Täusche ich mich, oder entspricht der ETH-Bereich Ihren Vorstellungen von zeitgemässer Hochschulbildung eher als eine kantonale Universität?

Ich war früher Professor und Prorektor an der Hochschule St. Gallen, wo es ein der ETH ähnliches Studiensystem gibt. Als Zürcher Bildungsdirektor habe ich mich bemüht, an der UniZürich auch an der Philosophischen Fakultät strukturierte Lehrgänge einzuführen. Ich bin überzeugt, dass dies den Studierenden einen Mehrwert bringt. Die ETH ist schon sehr früh zu diesem modernen Studiensystem übergegangen. Im übrigen stimmt es nicht, dass die Uni das Generalistentum hochhält und die ETH nur auf Spezialisierung aus ist. Diese ist an der Universität genauso ausgeprägt wie an der ETH. Georg Christoph Lichtenberg sagte einmal: ‚Wer nur die Chemie versteht, versteht auch diese nicht.’ – Das vermeidet glücklicherweise auch die ETH.

Als geübter Reformer treffen Sie einen aufgeräumten ETH-Bereich an: Die Strukturen sind mit dem neuen ETH-Gesetz modernisiert, die „Bologna“-Reform ist, mindestens in Zürich, praktisch umgesetzt. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Sicher: Das Gesetz ist da, aber es braucht noch verschiedene Erlasse, um es umzusetzen. Zudem stehen weitere gewichtige Hausaufgaben an: die Überprüfung der Strukturen der Forschungsanstalten und die Hochschulreform 2008, welche den ganzen ETH-Bereich zentral betreffen werden. Dieser teilweise Neubau der Schweizer Tertiärbildungs- und Forschungslandschaft wird uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen.

Können Sie einzelne Bereiche nennen, wo besonders intensive Umbauten absehbar sind?

Möglicherweise wird sich die Stellung des ETH-Bereichs in der Hochschullandschaft verändern. Einerseits tendiert die naturwissenschaftliche Forschung, weil sie so breit und aufwendig sein muss, in den ETH-Bereich. Der Arc Lémanique (1) ist Ausdruck dieser Entwicklung, wie auch die Zunahme der Doppelprofessuren Uni/ETH Zürich. Wenn sich andererseits die kantonalen Universitäten aus Kosten- und Effizienzgründen zunehmend vernetzen, wird sich die Frage der Führungsrolle der ETHs in der naturwissenschaftlichen Forschung neu stellen. - Jedenfalls stehen wir vor einer nationalen Aufgabe der Bildung von Schwerpunkten und breiten Kompetenzzentren.

Wäre für Sie also eine Art „Arc Zurichois“ denkbar?

Warum nicht? Eine solche Konstruktion verdient nähere Prüfung. In welcher Form die Koordination geschieht, werden die nächsten Jahre zeigen. Es muss meiner Meinung nach in den breiten Bereichen ein Leading House geben, das die Koordination kompetent steuert. Das wird bei den Naturwissenschaften in der Regel der ETH-Bereich sein.

Der ETH-Rat hat vor einigen Tagen grünes Licht für die Schaffung einer von der ETH-Zürich geführten Institution für Systembiologie in Basel gegeben. Im Vorfeld gab es auch skeptische Stimmen, vor allem aus Zürcher Sicht, sowie zum Thema Finanzierung. Können Sie das Ja des ETH-Rats kurz erläutern?

Zugestimmt hat der ETH-Rat vorerst der Finanzierung der Aufbauperiode bis 2008. Wichtig dabei ist für uns der Grundsatz, dass neben der Universität Zürich und der chemischen Industrie Basels sich auch die Universität Basel mit einem substanziellen Betrag am Dauerbetrieb des neuen Forschungszentrums beteiligt. Es muss vermieden werden, dass nach der Startphase die Finanzierungslast vom ETH-Bereich allein getragen wird.


Die Hochschulreform 2008 wird den ETH-Bereich zentral betreffen, sagt Ernst Buschor, seit 1. 1. 2004 Vizepräsident des ETH-Rats. gross

Wo liegen für Sie bei der ETH Zürich in den kommenden Jahren die Schwerpunkte?

Zentral ist: Die Kernbereiche der ETH Zürich müssen sich weiterhin und vermehrt dem globalen Wettbewerb stellen, ausgehend von einer verstärkten lokalen und interdisziplinären Bündelung der Kräfte. Absehbare inhaltliche Schwerpunkte bilden die Life Sciences, die Nanowissenschaften, und ganz umfassend der mit drängenden Problemen konfrontierte Umwelt-, Wasser- und Klimabereich. Wichtige Beiträge zu Nachhaltigkeit und Ökologie sind auch von den Gebieten Bau und Architektur zu erwarten. Ich erhoffe mir zudem einiges von der Förderung des Zusammenwirkens mit den Forschungsanstalten.

Thema Studiengebühren: Die Rede ist von Erhöhungen bis zu einer Vervierfachung. Was erwartet da die ETH-Studierenden in den nächsten Semestern?

Ich bedaure, dass sich die Diskussion auf die Frage der Studiengebühren verengt. Für mich ist wesentlich, dass sich Parlament und Regierung weiterhin die zentrale Bedeutung von Lehre und Forschung für unseren künftigen Wohlstand erkennen und von Mittelkürzungen absehen. Weiter müssen Stiftungen für Forschungs- und Lehrzwecke steuerlich stärker begünstigt werden, als es der Ständerat jüngst tat. So würden wesentlich mehr Gelder in die Forschung und Bildung fliessen – die USA sind dafür das beste Beispiel. Ich bin auch enttäuscht über die Golddebatte. Das Geld soll überwiegend der AHV zufliessen. Im Sinne der Generationengerechtigkeit und Zukunftsorientierung wäre es angebracht, auch Bildung und Forschung profitieren zu lassen. Auf diesem Hintergrund befürworte ich eine Erhöhung der Studiengebühren, über Ausmass und Zeitpunkt lässt sich diskutieren. Ich finde, es ist ein Gebot der Stunde, dass die Studierenden ihren Beitrag zur Finanzierung der Hochschulen leisten. Eine grundlegende Darlehenslösung ist im Rahmen der geplanten Übernahme des Stipendienwesens durch den Bund zu prüfen.

„Wir sind nicht mehr Champions“, sagten Sie in einem „Weltwoche“-Interview bezogen auf die Schweizer Bildungslandschaft. Gilt das auch für die Hochschulen?

Die Hochschulen sind noch Spitze; wir haben pro Einwohner die weltweit höchste Zitierungsdichte. Die Betreuungsverhältnisse, zumal an den ETH, sind im Vergleich zum benachbarten Ausland immer noch gut. Diese Positionen drohen aber zu verloren zu gehen; die Politik tendiert derzeit zu unbedachten Kürzungen bei Forschung und Bildung. Dies, nachdem während der neunziger Jahre die Bildungsausgaben gemessen am Sozialprodukt leicht gesunken sind. Sie stehen in direkter Konkurrenz zu den Sozial- und Gesundheitsausgaben, die im gleichen Zeitraum massiv anstiegen. Eine Fortsetzung dieser Trends wäre für die Schweiz verheerend.

Haben Sie das dem Finanzminister schon gesagt?

Ich werde mit Herrn Bundesrat Merz das Gespräch aufnehmen. Wir sind uns ja nicht fremd, waren wir doch gemeinsam Assistenten im gleichen Institut. – Es geht darum, der Politik deutlich aufzuzeigen, was die Hochschulen leisten. Wir sind gut, zum Teil sehr gut, aber wir zeigen es zuwenig. Überzeugend zu kommunizieren ist heute für die Wissenschaft wichtiger denn je. Denn in diesem politischen Umfeld reicht gut sein allein nicht mehr.


Fussnoten:
(1) Unter diesem Begriff figuriert das Zusammenrücken der EPF Lausanne und der Universitäten Genf und Lausanne auf verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten und in der Lehre.



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