ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 07.01.2003 06:00

ETH-Studie zu erneuerbaren Energien: Noch viel ungenutztes Potenzial
Ohne Pioniere geht nichts

Die Politik tut sich noch schwer damit, der Sonnen-, Wind- und Bioenergie zum Durchbruch zu verhelfen. Auch die Bevölkerung ist ungenügend über die sogenannten "neuen erneuerbaren Energien" informiert. Ein Ökonom der ETH Zürich geht den Gründen nach und fokussiert auf den Alpenraum.

Von Lukas Denzler

Angenehm fühlen sie sich in der Hand an, die kleinen Stäbchen. Keine Spur von modrigem Geruch oder verfaultem Holz. Diese Stäbchen - im Fachjargon "Holzpellets" genannt - sind ein hochwertiger Energieträger für Heizzwecke. In der Bevölkerung haben Holzheizungen immer noch ein schlechtes Image. Deren Betrieb und Wartung gelten als aufwändig und nicht mehr zeitgemäss. "Mit den Pellets bricht für die Holzenergie ein neues Zeitalter an", ist Reinhard Madlener vom Centre for Energy Policy and Economics (CEPE) der ETH Zürich überzeugt. Die Vorteile: Holzpellets können ähnlich wie Heizöl gehandelt und per Tankwagen angeliefert werden. Die Lagerung ist günstiger als bei Holzschnitzeln und der vollautomatische Betrieb funktioniert auch bei kleinen Anlagen. Das ist wichtig, weil neue Technologien auch bezüglich Bedienerfreundlichkeit und Komfort an den heute üblichen Heizungssystemen gemessen werden.

Der Sozial- und Wirtschaftsforscher Reinhard Madlener beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit Energiefragen, insbesondere mit der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Speziell interessiert er sich für die sozio-ökonomischen Aspekte innovativer Technologien sowie deren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Zum UNO-Jahr der Berge ist im Oktober 2002 ein Buch über die globalen Umweltveränderungen in alpinen Regionen erschienen. Der aus Vorarlberg stammende Wissenschaftler hat dazu ein Kapitel über die Bedeutung der erneuerbaren Energien im Alpenraum beigesteuert.

Holzpellets bestehen aus zusammengepressten Holzspänen. Dank guten Verbrennungswerten entstehen neue Chancen für die Holzenergie auch in urbanen Gebieten. (Bild: L. Denzler) gross

"Johannesburg": magere Ergebnisse

Der Einsatz erneuerbarer Energien schreitet nur schleppend voran. Die am UNO-Gipfel in Johannesburg erzielten Ergebnisse sind bescheiden. Im Umsetzungsplan zur Agenda 21 wird lediglich von einer "substantiellen Erhöhung" des Anteils der erneuerbaren Energien gesprochen. Die Europäer forderten, diesen Anteil bis ins Jahr 2010 auf 15 Prozent zu steigern - sind aber gescheitert. Viel vorgenommen hat sich die Europäische Union: Im sogenannten Weissbuch von 1997 hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2010 auf zwölf Prozent zu verdoppeln. "Dank diesem klar formulierten und ambitionierten Ziel hat das Weissbuch bereits sehr viel bewirkt", erklärt Reinhard Madlener. In Deutschland und auch anderen Ländern der EU würden erneuerbare Energien bereits als Chance für Industrie und Gewerbe wahrgenommen. Der Sektor sei zu einem Wirtschafts- und Exportfaktor geworden und schaffe auch neue Arbeitsplätze. In der Schweiz habe der Elan in den letzten Jahren leider etwas nachgelassen. Laut Madlener exisitiert hierzulande kein dem "Weissbuch" vergleichbares Dokument.


weitermehr

Forscht über erneuerbare Energien: Reinhard Madlener, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler am CEPE. (Bild: L. Denzler)

Entscheidende Rolle der Pioniere

Die Gründe für den langsamen Vormarsch der erneuerbaren Energien sieht Reinhard Madlener einerseits darin, dass die breite Bevölkerung immer noch zu wenig informiert sei. Andererseits spielten die immer noch recht hohen Kosten eine wichtige Rolle.

Die finanziellen Anreize der öffentlichen Hand seien relativ gering; ein Teil der Mehrkosten werde aber immerhin über staatliche Investionshilfen aufgefangen. "Eine neue Technologie im Markt einzuführen, ist immer schwierig. In der Anfangsphase spielen deshalb Pioniere eine entscheidende Rolle", sagt Madlener. Unterstützt die öffentliche Hand die Bemühungen der Pioniere, so wirke sich das rasch auf die Verbreitung und die Preise einer Technologie aus. Dank Serienfertigung sänken die Kosten, und die Fördergelder könnten sukzessive wieder abgebaut werden.

Die Macht des Faktischen

Die Energieversorgung eines Landes kann nicht von heute auf morgen umgestellt werden. Zu stark sind die Industrienationen auf fossile Brennstoffe ausgerichtet. Ein Wechsel zu alternativen Energien erfordere deshalb grössere Anstrengungen als aus technischer und ökonomischer Sicht eigentlich erforderlich wären, erklärt Reinhard Madlener und vergleicht die Problematik mit der Tastatur des Computers. Die Anordnung der Buchstaben sei aus Sicht des Benutzers nicht optimal. Man habe diese einfach von den mechanischen Schreibmaschinen übernommen. Bei den Schreibmaschinen seien die Buchstaben so angeordnet worden, damit sich diese beim Schreiben möglichst wenig verkeilten. Bei einer elektronischen Tastatur spiele das jedoch überhaupt keine Rolle mehr, sagt Madlener. Und trotzdem könne man die Tastatur nicht einfach ändern, weil sich die Leute daran gewöhnt hätten und die Umstellungskosten sehr hoch wären.

Chancen für den Alpenraum

Eine spezielle Situation ergibt sich im Alpenraum: Die Region ist ökologisch sehr empfindlich und die durch die Klimaerwärmung verursachten Schäden fallen vermutlich höher aus als im Flachland. Reinhard Madlener ist deshalb überzeugt, dass Gebirgsbewohner für den Schutz ihres Lebensraumes stärker sensibilisiert seien als die Bewohner anderer Regionen. Die Nutzung erneuerbaren Energien werde positiv aufgenommen, weil mit der Nutzung heimischer Biomasse auch Arbeitsplätze im Berggebiet gesichert würden. Die Globalisierung schaffe jedoch neue Bedingungen, die aus ökologischer Sicht zu hinterfragen seien. Madlener: "Holzpellets lassen sich problemlos in riesigen Mengen herstellen und auch über grössere Distanzen transportieren. Somit entscheidet Angebot und Nachfrage, wo diese produziert werden."

Bei der Etablierung innovativer Technologien spielen Planer, Architekten und Handwerker eine entscheidende Rolle. Diese hätten oft gute Ideen und präsentierten Lösungen, die sich auch finanziell lohnen würden, sagt Madlener. Und trotzdem geschehe in vielen Fällen nichts. "Das hat aber weniger mit der Technik an sich zu tun", ist der Ökonom überzeugt, "sondern viel mehr mit kulturellen Aspekten, Werthaltungen und Vorurteilen der Käufer."


Literaturhinweise:
Weissbuch der Europäischen Kommission zur Förderung erneuerbarer Energien: http://europa.eu.int/comm/energy/eu/altpres.html
EU-Forschungsprojekt mit Schweizer Beteiligung "Energy Wood Production Chains in Europe": www.echaine.org
Angaben zum Buch: Reinhard Madlener ist Autor von Kapitel 11 "Climate Change Mitigation in the Alps by Means of Renewable Energy Use". In: Steininger, K. and Weck-Hannemann, H (Hrsg.): Gobal Environmental Change in Alpine Regions: Recognition, Impact, Adaption and Mitigation. Edward Elgar, Cheltenham, 2002, 288 S., ISBN 1 84376 183 1.



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!