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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.07.2006 06:00

Die Entstehung der Weizenblattdürre
Transfer eines Giftgens

Der Pilz Pyrenophora tritici-repentis wurde zum Weizenschädling, weil vermutlich Mitte des letzten Jahrhunderts ein Gen vom Pilz Stagonospora nodorum auf ihn überging. Diese Erkenntnis publizierten Wissenschaftler, zu denen auch ETH-Forscher gehören, in der Fachzeitschrift „Nature Genetics“. Zum ersten Mal hat man damit einen überzeugenden Beleg für horizontalen Gentransfer bei Pilzen.

Christoph Meier

In den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschah Seltsames auf den Weizenfeldern in Australien und Afrika: Man beobachtete auf den Pflanzenblättern plötzlich gelbe oder bräunliche Flecken von abgestorbenem Gewebe. Bald fand man heraus, dass dieses Phänomen einhergeht mit dem Befall durch Pyrenophora tritici-repentis – eines seit der vorherigen Jahrhundertwende her bekannten, bis dahin aber harmlosen Pilzes. Doch die Harmlosigkeit wurde immer mehr zu Vergangenheit. Denn die Flecken wurden häufig dunkler und die Weizenblattdürre, wie die Krankheit nun genannt wurde, breitete sich aus. 2003 war sie die häufigste Weizenkrankheit in Kanada und gemäss einer Studie aus Deutschland im Jahre 2004 reduzierte sich in unserem Nachbarland der Weizenkörnerertrag wegen des Pilzes um 10 bis 36 Prozent.

Parallel zur Zunahme der Krankheit nahm auch die entsprechende Forschung zu. Sie ergab, dass der Pilz seine schädliche Wirkung über den Stoff ToxA entfaltet. Ein weiterer Befund zeigte, dass nur Weizenpflanzen empfindlich auf das Gift sind, die das Tsn1-Gen tragen. Doch wie kam der Pilz überhaupt dazu, zum Schädling zu mutieren? Auch auf diese Frage gibt es seit Kurzem eine Antwort: Es war keine klassische Genmutation, sondern Pyrenophora tritici-repentis (Ptr) hat das Gen für ToxA von Stagonospora nodorum (Sn) übernommen, einem Pilz, der auch in Weizen vorkommt. Zu diesem Schluss gelangten die ETH-Forscher Bruce McDonald und Eva Stukenbrock vom Institut für Integrative Biologie zusammen mit Kollegen aus den USA und Australien (1). Die Studie, die erstmals horizontalen Gentransfer bei Pilzen zeigt, erscheint in der neuen Nummer von Nature Genetics (2).

Uniformität spricht für historisch junges Ereignis

Am Anfang der neuen Studie stand ein Genomprojekt von Sn, des Pilzes, der die Blattbräune genannte Weizenkrankheit auslöst und seit Ende des 19 Jahrhunderts bekannt ist. Als Richard Oliver von der Murdoch University in Australien dabei die Liste der 17'000 Pilzgene scannte, fiel ihm die Nummer 16571 auf. Diese stand für ein Gen, das grosse Ähnlichkeit mit dem ToxA Gen von Ptr aufwies. Das war überraschend, da niemand bisher vorgeschlagen hatte, dass ToxA auch in Stagonospora vorkommt. In Zusammenarbeit mit Tim Friesen vom US-Landwirtschaftsministerium fand man weiter heraus, dass ToxA bei beiden Pilzen nötig ist, um bei Weizen mit Tsn1-Genen eine Krankheit auslösen zu können.

Ausgehend von diesen Verdachtsmomenten untersuchten Bruce McDonald und Eva Stukenbrock ihre Sammlung von Sn und Ptr. Es zeigte sich bei den rund 800 Pilzisolaten, welche aus der ganzen Welt stammten, dass 80 Prozent der Ptr und 24 Prozent der Sn ToxA enthielten. Dabei waren die ToxA-Gene in Ptr praktisch identisch, in Sn aber stark variabel. Die Forscher fanden zudem heraus, dass auch die flankierenden Sequenzen der ToxA Gene in beiden Pilzen grosse Ähnlichkeiten besitzen und an Gene erinnern, sogenannte Transposons, die für die nicht sexuelle Übertragung von anderen Genen verantwortlich sind.


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Der Pilz Pyrenophora tritici-repentis führt zu braunen Flecken auf Blättern des Weizens. ETH-Forscher fanden heraus, wie der Pilz zum Erreger der Weizenblattdürre wurde.

Alle Befunde zusammen stellen den ersten Beleg für den horizontalen Gentransfer bei Pilzen dar. Sie erklären auch das plötzliche Auftreten der Weizenblattdürre Mitte des letzten Jahrhunderts. „Die Uniformität des ToxA-Gens in Pyrenophora steht im Kontrast zur Variabilität der anderen Gene dieses Pilzes“, erläutert Bruce McDonald. Insofern sei der Gentransfer die bessere Erklärung als ein genetischer Flaschenhals in der Geschichte von Ptr, der auf alle Gene hätte wirken müssen. Die hohe Frequenz von 80 Prozent in Ptr erklärt sich der Forscher damit, dass ToxA bei Pyrenophora stark bei seiner Verbreitung hilft. Testen könnte man diese Hypothese, indem man schaut, ob Pilzstämme mit ToxA vor allem in Gegenden vorkommen, wo der Weizen das Tsn1-Gen trägt.

Nächstes Ziel: Wie verschieben Pilze Gene?

Käme ein solcher Zusammenhang zustande, dann könnte man den Pflanzenzüchtern empfehlen, das Tsn1-Gen zu eliminieren, so McDonald. „Für die Praxis der Farmer ergibt sich aber im Moment noch keine direkte Anwendung aus unserer Studie.“ Rückblickend kann aber gesagt werden, dass sich eine Änderung in der Bewirtschaftung der Weizenfelder, die man als nachhaltig erachtete, negativ auswirkte. So schützt das Liegenlassen von Stroh und anderen Resten nach der Weizenkornernte wohl vor Bodenerosion, doch gleichzeitig begünstigt dieses Vorgehen die Ausbreitung von Prt. Bruce McDonald zur Situation in der Schweiz: „Hierzulande wurden die Bauern verschont vor der Weizenblattdürre, da viele von ihnen noch immer die Felder pflügen. Damit entfernen sie auch die Weizenstoppeln, auf denen die schädlichen Pilze bis zur nächsten Weizengeneration überleben.“

Für den Forscher stehen aber nicht agrarpraktische Überlegungen im Vordergrund. Er will, nachdem er gezeigt hat, dass bei Pilzen horizontaler Gentransfer vorkommt, ergründen, wie das geschieht. Die Vermutung besteht, dass dabei bestimmte röhrenförmige Verbindungen von Pilzsporen, conidial anastomosis tubes genannt, eine Rolle spielen. Denn solche konnten bei Ptr und Sn beobachtet werden, die auf derselben Weizenpflanze vorhanden waren. Ist der horizontale Gentransfer bei Pilzen einmal aufgeklärt, kann man besser abschätzen, ob auch in diesem Reich der Lebewesen gleich leicht heikle Gene verschoben werden können, wie das bei Bakterien und Viren geschieht.


Fussnoten:
(1) Forschungsgruppe „Plant Pathology“ von Bruce McDonald: www.path.ethz.ch/
(2) TL Friesen et al: „Emergence of a new disease as a result of interspecific virulence gene transfer“, Nature Genetics, 9 July published online. 2006



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