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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.06.2007 06:00

Brückenbauer Christian Menn
Pontifex helveticus

Es gibt in der Schweiz kaum jemand, der mit Auto unterwegs ist und noch nie über eine Brücke des emeritierten ETH-Professors und Bauningenieurs Christian Menn gefahren ist. Seine Wahrzeichen prägen die Simplonstrasse, die Umfahrung von Klosters und viele weitere wichtige Verkehrsadern. Im Frühling ist der schweizerische Brückenbauer 80 Jahre alt geworden und nun wird er an der ETH mit einer Ausstellung über sein Schaffen und einer Spezialvorlesung geehrt.

Interview: Peter Rüegg

Man könnte Sie als Pontifex helveticus, den schweizerischen Brückenbauer, bezeichnen. Wie ist die Leidenschaft für Brücken entstanden?

Brücken haben mich schon als Kind fasziniert. Ich habe mich immer gefragt, wie man schwere Eisenträger hoch über einem Fluss bauen kann. Während meiner Gymnasialzeit ist die Faszination für das Bauwesen etwas abgeflaut. Mathematik interessierte mich mehr. Als ich dann aber doch Bauingenieurwesen studierte, begeisterte ich mich wieder für den Brückenbau. Damals war das aber eher ein Traum. Es wurden sehr wenige Brücken gebaut.

Weshalb?

Ich studierte von 1946 bis 1950. Damals in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden noch wenige Brücken, und die waren in den Händen sehr erfahrener Ingenieure.

Dennoch haben Sie sich in diesem Metier etablieren können. Wie haben Sie sich Ihre Position erschaffen?

Das kam eher etwas zufällig. Bei Professor Lardy, bei dem ich Assistent war, lernte ich viel über den neuen Spannbeton und hatte dann das Glück, dass ich im Kanton Graubünden mit dem Bau mehrerer Brücken beginnen konnte.

Das geht auch aus ihrer Homepage hervor: Von 1960 bis 1970 sind im Graubünden viele Brücken aufgrund ihrer Entwürfe entstanden.

In dieser Zeit hatte ich viel zu tun, lernte viel und konnte viele Erfahrungen sammeln. Da bekam ich den Eindruck, ich hätte nun den Brückenbau verstanden. Aber dann musste ich immer wieder feststellen, dass noch viel, sehr viel hinzu zu lernen war.

Welches waren denn die Knacknüsse?

Die normierten technischen Anforderungen müssen immer erfüllt werden, das ist imperativ, aber in der Regel auch ohne weiteres zu bewältigen. Schon schwieriger sind die menschlichen Probleme. Es ist nicht einer allein, der eine Brücke baut. Viele sind beteiligt. Sie sollten am gleichen Strick ziehen, sonst klappt es nicht. Was mich heute bei der Entwurfsarbeit besonders beschäftigt, ist der kulturelle Aspekt bei Brücken. Brücken sind ein wichtiger Sektor der Baukultur. Von San Francisco bis Sydney sind an exponierten Orten grossartige Brücken gebaut worden, die von der Öffentlichkeit oft mehr bewundert werden als die meisten architektonisch bedeutenden Hochbauten.

Welcher Ihrer Bauten ist Ihr Lieblingsobjekt?

Immer das Letzte, an dem man gerade arbeitet.

Wahrzeichen eines Schweizers in USA: Leonard P. Zakim Bunker Hill Bridge, Boston, USA (Bild: www.christian-menn.ch) gross


Ein Leben für Brücken

Christian Menn, geboren am 3.3.1927 in Chur, ist einer der wenigen international bedeutenden Schweizer Brückenkonstrukteure. Sowohl im In- als auch im Ausland hat der emeritierte ETH-Professor unzählige Brücken entworfen und gebaut. Zu seinen augen- und auffälligsten Entwürfen gehört etwa die Ganterbrücke an der Simplonpassstrasse oder die Sunnigbergbrücke bei Klosters (1). Daneben war Menn auch massgeblich am Projekt für die Felsenaubrücke beteiligt, die in der Verfilmung des Krimiklassikers "Der Richter und sein Henker" von Friedrich Dürrenmatt eine Rolle spielt, in dem am Ende der Täter mit seinem Auto über die unvollständig erbaute Brücke in den Tod fährt. Erst vor kurzem führte ETH-Professor Peter Marti Belastungstests an dieser Brücke durch, die zeigten, dass diese weiterhin ohne Einschränkung unter voller Last befahrbar ist, obwohl seit längerem eine Sanierung ansteht. Diese wird in den kommenden Jahren durchgeführt. Christian Menn hat auch im Ausland zahlreiche Wahrzeichen erschaffen, unter anderem die Leonard P. Zakim Bunker Hill Bridge, Boston. Menn lebt und arbeitet in Chur. Zu Ehren des emeritierten ETH-Professors findet heute Dienstag an der ETH Hönggerberg eine Vorlesung von Professor Peter Marti mit dem Titel „Christian Menn“ statt. Noch bis zum 14. Juni ist im HIL D, Eingangshalle, ETH Hönggerberg, die Ausstellung „Christian Menn – Brückenbauer“ zu sehen.




Der Brückenbauer: Christian Menn, emertierter ETH-Professor. (Bild: zVg) gross

Hätte ich Sie das vor 10 Jahren gefragt, wäre es gerade dasjenige gewesen?

Ja, genau.

Welches ist ihr neustes Projekt?

Am meisten beschäftigt mich zur Zeit die Brücke über den Grimselsee. Dann gibt es da noch ein paar Brücken in Amerika, unter anderem eine grosse Brücke über den Niagara River in Buffalo.

Sie haben den kulturellen Aspekt angesprochen. Wie beurteilen Sie den landschaftsästhetischen Aspekt?

An erster Stelle steht das Umfeld der Brücke: der Landschaftsmassstab, die Topographie, die Geologie, die bestehende Überbauung, der Gewässerverlauf und so weiter. Diese Gegebenheiten bestimmen das Tragsystem. Erst dann kommt die detaillierte Gestaltung der Brücke. Wir Ingenieure müssen unsere Brücken in ihr Umfeld einfügen. Die Architekten sind da meines Erachtens freier. Sie sagen: Wir prägen mit unseren Bauwerken das Umfeld. Ich würde mir das mit Brücken nicht anmassen.

Ist das der Reiz, der von der Architektur ausgeht?

Architektur ist ein sehr kreativer, künstlerischer Beruf. Funktion und Konstruktion werden da nicht immer gross geschrieben. Bei Bauingenieuren ist das nicht möglich. Wenn wir aber im Kulturellen etwas mehr tun würden und uns nicht nur auf die Naturwissenschaften beschränkten, wäre dies sicher von Vorteil.

Welcher wäre das?

Wir hätten vor allem auch im Ausland mehr Möglichkeiten und Chancen, und mit schönen Bauwerken würden wir zudem in der Öffentlichkeit mehr Anerkennung finden. Die Öffentlichkeit erwartet, dass unsere Bauwerke technisch in Ordnung sind und funktionieren. Das verdient kein Lob. Nur ein faszinierendes Erscheinungsbild beeindruckt.

Hauptsache die Brücke hält, wenn man darüberfährt ....

Natürlich. Nur wenn das Bauwerk technisch nicht in Ordnung ist, wird die Bedeutung der Technik erkannt, und der Ingenieur, der etwas falsch gemacht hat, bekommt Prügel (lacht).

Gibt es Bauwerke, die Sie nicht mehr so oder gar nicht mehr bauen würden?

Ja alle, wenigstens in gewissen Details! (lacht)

Weshalb?

Weil ich unterdessen wieder etwas hinzugelernt habe. Aber nur wenn man seine Bauwerke kritisch betrachtet, kommt man weiter.

Gibt es noch Projekte, die Sie reizen würden?

Ja, die gibt es schon, aber darüber mag ich nicht reden (lacht).

Die Strasse von Messina zu überbrücken vielleicht?

Nein. Die nicht.

Ist diese Brücke technisch machbar?

Ja, aber das ist nichts für mich. Das ist verständlicherweise ein Prestigeobjekt für Italien. Mich faszinieren nicht nur die grössten Brücken. Auch Fussgängerbrücken können interessant sein. Hier sind die Kosten nicht so entscheidend; es kann etwas mehr für die Gestaltung aufgewendet werden. Bei riesigen Brücken spielen die Kosten eine entscheidende Rolle, und bei diesen Brücken ist auch vieles bürokratisiert.

In der EU? In der Schweiz?

Das ist überall so. Auch in der Schweiz wird alles immer komplizierter. Es gibt zu allem und jedem Vorschriften. Ein Kollege zeigte mir kürzlich ein dickes Buch für eine Bauausschreibung. Der Ärmste muss nun alles genau lesen und studieren.

Verdirbt Ihnen diese Bürokratie die Lust am Bauen?

Alles wird verkompliziert. Ämter und Verbände ernennen unter Umständen unfähige Experten, für die es nur wichtig ist, sich wichtig zu machen. Das ist bedenklich und führt in einem Projekt zu unnötigen, teuren Reibungsverlusten.

Wieviele Brücken haben sie gebaut?

Ich habe keine Ahnung, denn ich habe sie nicht gezählt. Ich führe darüber auch nicht Buch.


Literaturhinweise:
Website von Christian Menn: www.christian-menn.ch

Fussnoten:
(1) vgl. ETH Life-Bericht "Prinz eröffnet preisgekrönte Brücke": www.ethlife.ethz.ch/articles/news/sunnibergbruecke.html



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