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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.12.2003 06:00

Exportin-5 und MicroRNA
Bessere Sicht auf RNA-Welt

Die erst vor einigen Jahren entdeckten MicroRNAs versprechen eine neue Sicht auf die Genregulation. ETH-Forschende halfen mit, einen Teil ihrer Bildung in der Zelle und den damit verbundenen Transport aus dem Zellkern zu verstehen.

Von Christoph Meier

In der Mitte lag sie eigentlich schon immer. Doch lange wurde die RNA nur als Zwischending zwischen der DNA, dem Hort der Erbinformation, und den Proteinen als Vollstrecker in den Zellen betrachtet. Mit der Entdeckung der kleinen RNAs hat sich die Situation aber radikal geändert. Die RNA ist mehr als ein Botenmolekül, sie ist ein Schlüsselspieler im Genregulationsnetz. Entsprechend „adelte“ das Wissenschaftsmagazin „Science“ die kleinen RNAs im Dezember letzten Jahres, indem sie sie als Durchbruch des Jahres feierte. Denn es sind die kleinen zwischen 20 und 23 Nukleotid langen RNAs, denen nach ihrer Entdeckung beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans zunehmend das Forschungsinteresse gilt. Die Winzlinge helfen möglicherweise die Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten zu verstehen, da alleine aus den Genen die Diversität kaum erklärt werden kann.

Ein Teil der kleinen RNAs wird als MicroRNAs bezeichnet. Von diesen kennt man beim Menschen mittlerweile über 100 Varianten. Ihre Erbinformation liegt in Regionen der DNA, die nicht Proteine codieren. Zuerst werden sie von der DNA aus in längere, nicht funktionelle Vorläufer-MicroRNAs umgeschrieben, die im Zellkern vorkommen. Nach dem Transport ins Cytoplasma werden sie durch das Protein Dicer zu einer funktionellen Länge von rund 22-Nukleotiden gekürzt. Welche Form aber genau aus dem Zellkern hinaus transportiert wird und was für Faktoren darin involviert sind, war bis anhin unklar. Eine neue Arbeit unter Leitung der ETH-Professorin Ulrike Kutay (1) konnte nun diesen Export und den damit verbundenen Teil der Entstehung der MicroRNAs aufklären. Die Studie erscheint diese Woche im Wissenschaftmagazin „Science“ (2).

Welcher Rezeptor?

Mit dem Export von verschiedenen Substanzen aus dem Zellkern beschäftigt sich Ulrike Kutay schon lange. Dabei arbeitete sie auch mit dem Exportrezeptor Exportin-5. Es stellte sich heraus, dass dieser ein RNA-Rezeptor ist. Doch die Frage, welche Rolle er für die MicroRNAs spielt, war noch offen. Um sie zu beantworten, entwarfen die amerikanischen Partner von Kutay drei verschiedene mögliche Vorläufer-MicroRNAs (pre-miRNAs). Radioaktiv markiert injizierten die Forschenden diese Moleküle in den Zellkern von Eiern des Frosches Xenopus laevis. Bei der Analyse stellten sie fest, dass nach 30 Minuten die Moleküle vom Kern ins Cytoplasma transportiert worden waren. Wie weit Rezeptor-vermittelter Transport und insbesondere Exportin-5 in diesen Prozess involviert sind, wusste man damit aber noch nicht. Einen indirekten Hinweis auf die Bedeutung von Exportin-5 ergab sich durch die Verminderung von RanGTP. Es ist bekannt, dass dieses Molekül mit gewissen Export-Rezeptoren kooperiert. War es nicht mehr genügend vorhanden, wurde auch keine MicroRNA mehr aus dem Kern exportiert.

Verstehen die Biogenese der miRNAs dank ihrer Forschung nun besser: ETH-Professorin Ulrike Kutay und ihr Doktorand Stephan Güttinger. gross

Noch bessere Charaktersierung

Doch RanGTP ist an den meisten Exportwegen beteiligt. Als mögliche Rezeptoren für die pre-miRNAs kamen darum auch noch zwei weitere Proteine in Frage, CRM1 und Exp-t. Um zu untersuchen, welcher der drei Kandidaten nun den pre-miRNAs den Weg ins Zytoplasma ermöglicht, gaben die Forschenden den Froscheiern jeweils zusätzlich die entsprechenden menschlichen Rezeptoren bei.


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Ein entscheidender Hinweis darauf, dass der Exportrezeptor Exportin5 (und nicht CRM1 oder Exp-t) Micro-RNA bindet: die radioaktive miRNA Probe läuft nur bei Beigabe von Exportin5 (roter Kreis) nicht bis unten ans Gel. Die stärkste Bande entsteht, wenn noch RanGTP dabei ist und keine unmarkierte miRNA-Konkurrenz vorhanden ist. (Bild: U. Kutay) gross

Wenn nun die Zellkerne einen Überschuss an unmarkierter pre-miRNAs aufwiesen, konnten nur die Zellen mit zusätzlichen Exportin-5 die spärlicher vorhandene radioaktiv markierte pre-miRNAs exportieren. Das war ein klarer Hinweis, dass Exportin-5 der Hauptrezeptor für die pre-miRNAs sein musste.

Als nächstes wollten Kutay und ihre Kollegen wissen, wie die Interaktion zwischen Exportin-5 und den pre-miRNAs aussieht. Wiederum nahmen sie radioaktiv-markierte pre-miRNAs und gaben sie in eine Lösung mit Exportin-5. Liess man die gebildeten Komplexe über ein Gel laufen, gab es ein verschmiertes Signal. Das bedeutete, dass die pre-miRNAs und Exportin-5 alleine keine stabile Verbindung bilden. Gab man aber RanGTP dazu, sah man auf dem Gel eine klare Bande. Die beiden anderen Rezeptoren bildeten keinen Komplex. Um die Spezifität noch weiter festzumachen, wurde der Versuch wiederholt. Dieses Mal aber nicht mehr mit gereinigten Komponenten, sondern mit einem ganzen Zellextrakt. Es bildete sich wieder am gleichen Ort auf dem Gel eine Bande. Gab man auch noch einen Antikörper gegen Exportin-5 dazu, dann bewirkte das eine erwartete Verschiebung auf dem Gel.

Eine entscheidende Frage blieb aber noch: Ist Exportin-5 wirklich nötig für die Biogenese der MicroRNAs? Dafür reduzierten die Forschenden die Menge an funktionellem Exportin-5 in der Zelle mit einer "RNA-Interferenz" genannten Technik – die notabene auch auf kleinen RNAs beruht. Diesmal wurde keine künstliche pre-miRNAs mehr beigefügt. Es zeigte sich, dass die Reduktion von Exportin-5 auch die Entstehung von reifen MicroRNAs beeinträchtigte. Somit war klar, dass Exportin sowohl beim Transport als auch der Biogenese der MicroRNAs eine zentrale Rolle spielt. In weiteren Versuchen demonstrierte Kutays Gruppe noch, dass Exportin-5 bevorzugt eine bestimmte Form von pre-miRNAs bindet. Diese Form entsteht, wenn die von der DNA abgelesene Vorläuferform mit dem Protein Drosha behandelt wird. Dieses im Zellkern vorhandene Protein wurde erst kürzlich charakterisiert.

Insgesamt kristallisiert sich Exportin-5 als ein Protein heraus, das von Drosha prozessierte pre-miRNAs aufnimmt. Somit übt es auch eine Kontrollfunktion aus. Denn nur in der Drosha-Form können die pre-miRNAs nach den Transport ins Cytoplasma richtig vom erwähnten Dicer zu den maturen MicroRNAs weiter verarbeitet werden. Für den Transport der pre-miRNAs ist Exportin-5 der Träger, der aber auf die Hilfe von RanGTP angewiesen ist.

Weiter mit den kleinen RNAs

Für Ulrike Kutay ist die Arbeit in der neuen RNA-Welt mit dieser Arbeit nicht abgeschlossen. So will sie untersuchen, wie MicroRNAs in C. elegans exportiert werden, denn erstaunlicherweise kennt man bei diesem Wurm Exportin-5 nicht. Doch auch dieses Protein ist für die Forscherin noch nicht ausgereizt. Mit einer entsprechenden Knock-out-Maus will sie untersuchen, wie wichtig Exportin-5 für die Entwicklung eines ganzen Säugerorganismus ist. Ungeachtet ihrer eigenen Arbeit ist Kutay der Ansicht, dass Science zurecht die kleinen RNAs als eine entscheidende Entdeckung der letzten Jahre bezeichnet hat.


Fussnoten:
(1) Forschungsgruppe von Ulrike Kutay: www.bc.biol.ethz.ch/professors/kutay/kutay.html
(2) Elsebet Lund, Stephan Güttinger, Angelo Calado, James E. Dahlberg, Ulrike Kutay: "Nuclear Export of MicroRNA Precursors", Science 302 : www.sciencemag.org/



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