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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.05.2007 06:00

Pauli-Vorlesung mit Roderick McKinnon
Lebendiges zur Elektrizität

In Lebewesen spielen elektrische Ströme eine entscheidende Rolle, obwohl sie wässrige Systeme sind. Wie das möglich ist, erläuterte in der ersten Pauli-Vorlesung in diesem Jahr unter dem Titel „Electricity in Biology“ der amerikanische Chemie-Nobelpreisträger Roderick McKinnon. Sein spannender Vortrag zeigte auch, dass man trotz fundamentaler Erkenntnisse in seinem Gebiet noch weit davon entfernt ist, das Funktionieren des ganzen Nervensystems zu verstehen.

Christoph Meier

Eine Cellosuite von Bach spielen oder nur schon den Finger beugen – beide Tätigkeiten benötigen eine schnelle und präzise Informationsübertragung im Körper. Sie ist nur möglich dank elektrischer Impulse, die durch die Nervenfasern wandern. Mit den erwähnten Beispielen machte Roderick McKinnon gleich zu Beginn seiner ersten Pauli-Vorlesung die zentrale Bedeutung der Elektrizität in höher organisierten Lebewesen klar. Dass das Versagen einer exakten elektrischen Informationsübertragung dramatische Konsequenzen haben kann, führte er am Schicksal der Cellistin Jacqueline du Prés – im Tonbeispiel am Anfang des Vortrages war sie die Interpretin – aus. Sie erkrankte an Multipler Sklerose und musste hilflos miterleben, wie ihr die Kontrolle über ihre Muskeln entglitt.

Zuckender Frosch inspirierte Physiker

Doch wie können Systeme wie Lebewesen, die hauptsächlich aus Wasser bestehen, überhaupt Elektrizität nutzen? Um diese Frage zu beantworten, holte der Nobelpreisträger aus und ging bis zu den Anfängen der Erforschung elektrischer Phänomene bei Lebewesen zurück. Er erwähnte, wie Luigi Galvani im 18. Jahrhundert mit einem bimetallischen Bogen Froschnerven zucken liess. Zudem war es bald eine öffentliche Attraktion, durch elektrische Stimulation Menschen zu manipulieren, beispielsweise mit einem so genannten Leyden-Glas. Doch Elektrizität interessierte über die Unterhaltung hinaus. Allesandro Volta, von Galvanis Versuchen inspiriert und auch irritiert, indem er glaubte, dass nur die Metalle für das elektrische Phänomen beim Froschzucken zuständig seien, entwickelte bald die erste Batterie. Daraus entwickelte sich dann das Gebiet in der Physik sehr schnell und fand einen Höhepunkt in den Gleichungen von James Clerk Maxwell, welche die Erzeugung von elektrischen und magnetischen Feldern durch Ladungen und Ströme, sowie die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Feldern beschreiben. Diese Entwicklung in einem Jahrhundert illustriert für McKinnon sehr schön, wie überraschend Wissenschaft funktionieren kann.

Die grosse und eingeschränkte Aussagekraft von Modellen

Zurück bei der Elektrizität der Lebewesen erläuterte der amerikanische Forscher die wichtigen Entdeckungsschritte, so die Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Nervenerregungen durch Hermann von Helmholtz oder das isolierte Messen von Ionenkanälen mit der so genannten Patch-Clamp-Methode.


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Ein Präzisionsgriff mit der Hand wäre ohne biologische Elektrizität nicht möglich. Roderick McKinnon bei der Pauli-Vorlesung 2007.

Danach kam er auf seine eigene bahnbrechende Forschung zu sprechen, die hochauflösende Strukturbestimmung eines Kaliumionen-Kanals. Er wies darauf hin, dass solche Forschung zu symbolischen Repräsentationen führt, die nicht als umfassendes Abbild der Natur verstanden werden sollten. McKinnon erlebte selbst bei Hochschulstudenten, dass sie eine Struktur, in der die Alpha-Helix-Darstellung wie üblich einem Telefonkabel glich, die Abstraktion nicht verstanden. Insofern sei es wichtig, hier klar die Beschränkungen aufzuzeigen. Die vereinfachten Modelle lassen aber auch gewissen Funktionen leichter verstehen. So erklärt sich die Selektivität des Kaliumkanals schon fast alleine aufgrund der Kanal- und Ionengrösse.

Erst die Basis verstanden

Roderick McKinnon erklärte im Verlauf seines Vortrages noch mehr Details zu Ionenströmen und wie die Fortpflanzung von elektrischen Impulsen erfolgt. Der Zuhörer erkannte dabei, dass viele grundlegende Mechanismen bereits verstanden werden. Das seien aber erst die physikalisch-chemischen Grundlagen, mahnte der Nobelpreisträger zur Bescheidenheit. Wie dann diese integriert werden in das Funktionieren des ganzen Nervensystems und das Spielen einer Cellosuite ermöglichen, das wisse man damit noch lange nicht. Grundsätzlich zeigte Roderick McKinnon in seinem spannenden Vortrag, dass Wissenschaft eine faszinierende Suche ist, deren Weg, Wirkung und Rezeption viele Überraschungen enthält. Zudem erfüllte er vollumfänglich auch den Anspruch an die erste Pauli-Vorlesung dieses Jahres, breit verständlich zu sein.

Wer Roderick McKinnon in einem fachspezifischeren Vortrag hören möchte, dem bietet sich am Donnerstagabend die nächste Gelegenheit. Der Nobelpreisträger spricht um 20:15 Uhr im Auditorium Maximum zum Thema „The Principles of Ion Selectivity in Potassium Channels“.


Literaturhinweise:
Wolfgang Pauli-Vorlesungen: www.math.ethz.ch/news_events/pauli



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