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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.09.2005 06:00

Kohlenstoff-Fluss im Hitzesommer 2003
Wälder wurden Kohlendioxid-Quellen

Im Hitzesommer 2003 litten in den gemässigten Breiten nicht nur die Menschen, sondern auch die Ökosysteme. Unter dem Strich setzten Wälder und Wiesen in Europa mehr Kohlenstoff frei als sie binden konnten – und machten sich damit zu einer unerwartet grossen Kohlendioxid-Quelle.

Peter Rüegg

Wärmeres Klima lässt Pflanzen immer besser wachsen. So können Wälder in gemässigten Zonen als Kohlenstoffsenken wirken, weil sie insgesamt mehr Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen als sie abgeben. Das erwarten Wissenschaftler für unsere Breiten, wenn die Temperaturen in Zukunft weiter steigen. Doch der Hitzesommer 2003 hat genau das Gegenteil bewirkt. Die Ökosysteme Mitteleuropas setzten viel Kohlenstoff frei; so viel sogar, wie sie sonst in vier Jahren langfristig speichern. Das zeigen Forscherinnen und Forscher anhand einer Kombination von Stoffkreislauf-Messungen und Modellberechnungen, die sie soeben in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht haben (1), (2).

Ausmass überraschte Fachleute

Die Wissenschaftler analysierten dabei die Stoffflüsse von 14 Wäldern und einem Grassland-Ökosystem in Nord- bis Südeuropa in den Jahren 2002 und 2003. Einer der wichtigsten Befunde: die Primärproduktivität der Ökosysteme ist während der Hitze und Dürre im Sommer massiv gesunken und hat sich auch im Laufe des Jahres kaum mehr erholt. ETH-Professorin Nina Buchmann, Ko-Autorin des Artikels, hat dies zwar erwartet. „Aber über das Ausmass bin ich wirklich überrascht“, betont sie.

In ihrer Arbeit zeigen die Wissenschaftler, dass aufgrund der Dürre die Photosynthese der Pflanzen über längere Zeit auf Sparflamme lief. Dadurch verringerte sich die so genannte Bruttoprimärproduktion, also die gesamte Aufnahme von CO2 durch die Pflanzen, im Vergleich zum Vorjahr um fast einen Drittel. Am stärksten gelitten hatte die Produktivität der Buchenwälder nördlich der Alpen und der Wälder des nördlichen Mittelmeerraums. Dies deshalb, weil Pflanzen bei Trockenheit die Spaltöffnungen der Blätter schliessen, um das Austrocknen zu verhindern.

Dadurch können sie aber auch kein CO2 aufnehmen. Die Photosynthese, der Vorgang, mit dem die grünen Pflanzen Kohlendioxid aus der Luft in Pflanzenmasse umsetzen, kommt zum Stillstand. Einige der untersuchten Standorte entwickelten sich im Laufe des Hitzesommers sogar zu Kohlendioxid-Quellen, weil die Wälder mehr CO2 durch ihre eigene Atmung abgaben als die Pflanzen über die Photosynthese fixierten.


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Die Hitzekarte macht es deutlich: Im Sommer 2003 litten weite Teile Europas unter Dürre und Hitze. (Bild: Nasa Earth Observatory) gross

Ins Stocken kam während der Hitzewelle aber auch die gesamte Atmung der Ökosysteme, obwohl die Wissenschaft davon ausgeht, dass wärmere Temperaturen die Atemleistung eines Ökosystems erhöhen sollten. Die Atmung fiel in den meisten der untersuchten Standorte parallel zur Bruttoprimärproduktion stark ab, denn während der unfreiwilligen Hitzepause waren unter anderem auch Bodenmikroorganismen „ausser Betrieb“.

Magere Ernte

Doch nicht nur die Kohlenstoff-Bilanz von natürlichen Ökosystemen konnten die Forscher modellieren. Statistiken zeigen, dass in den von der Hitzewelle betroffenen Ländern auch die Ernteerträge zurückgingen. Die Hitze hemmte die Nahrungsmittelproduktion in Frankreich und Norditalien, die Dürre setzte den Kulturpflanzen in Rumänien und der Ukraine zu. Besonders hart traf es den Mais in der Po-Ebene. Dort wiesen die Pflanzen bis zu 36 Prozent weniger Nettoprimärproduktion auf als im Durchschnitt von 1998 bis 2002. Aufgrund der Modellrechnungen und der Rekonstruktion historischer Daten haben die Wissenschaftler berechnet, dass es in den letzten 100 Jahren keine vergleichbare Minderernte gegeben hat.

Aus Senken werden Quellen

„Und es gibt auch einen Gedächtniseffekt“, sagt Nina Buchmann. Denn die Bäume hätten sich von der Dürre nur schlecht erholt und auch im Jahr 2004 weniger ausgetrieben, was ihre Produktivität auch im Folgejahr herabsetze.

Die Modelle der Klimaforscher lassen befürchten, dass sich solche Extremereignisse häufen und selbst die Effekte einer verlängerten Vegetationsperiode wettmachen. So können häufigere Hitzewellen die Ökosysteme der gemässigten Zone von Kohlenstoff-Senken in Kohlenstoff-Quellen verwandeln und damit die globale Erwärmung sogar noch verstärken.


Fussnoten:
(1) Ciais, Ph et al. (2005): Europe-wide reduction in primary productivity caused by the heat and drought in 2003, Nature 437 / 7058
(2) Übersicht der Inhaltsangabe von Nature: www.nature.com/nature/index.html



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