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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.12.2006 06:00

Nachhaltigkeits-Wettbewerb Science City
"Wir wollen viel weiter gehen"

Science City erhält Gebäude mit vorbildlichen Energiebilanzen, vielleicht eine Tramlinie, eine durchmischte Nutzung. Doch damit nicht genug. Mit einem international ausgeschriebenen Wettbewerb suchen Gerhard Schmitt, ETH-Vizepräsident Planung und Logistik, und Science City-Projektleiter Michael Salzmann nach neuen Impulsen für eine integrierte Nachhaltigkeit des Campus Hönggerberg.

Interview: Peter Rüegg

Science City nimmt immer konkretere Gestalt an. Weshalb wird jetzt ein Wettbewerb zur Nachhaltigkeit von Science City ausgeschrieben?

Gerhard Schmitt: Das Science City-Projekt stand von Beginn an unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Dies ist bereits in den ersten Dokumentationen festgehalten. Die ETH Zürich will Nachhaltigkeit nicht nur erforschen, definieren und lehren, sie will sie auch bei ihren Infrastrukturmassnahmen praktisch umsetzen. Für zukünftige Gebäude wurde und wird dieser Aspekt in die Wettbewerbsausschreibungen aufgenommen. Aber jetzt, nach dem Vorliegen des Masterplans und den in den Sonderbauvorschriften festgehaltenen Nachhaltigkeitsbedingungen ist es an der Zeit, die global innovativste integrierte Lösung mit einem Wettbewerb auf konkreten Grundlagen zu finden.

Welche Aspekte der Nachhaltigkeit wollen Sie mit dem Wettbewerb besonders fördern?

Schmitt: Der ETH-Bereich hat eine grosse Kompetenz im Bereich Nachhaltigkeit. Doch die Gesamtschau eines Campus, der nach diesem Gesichtspunkt gebaut wird, gibt es noch nicht. Wir erachten es als notwendig, dass dies nun geschieht. Wichtig dabei ist, dass sich Nachhaltigkeit, wie wir sie für dieses Projekt definieren, nicht nur auf einzelne Gebäude bezieht, sondern auf die Integration der Umwelt, der Gesellschaft und der wirtschaftlichen Entwicklung. Wir haben nach der Diskussion mit Fachleuten von inner- und ausserhalb der ETH, besonders auch mit VertreterInnen von mehr als 40 NGOs, diese drei grossen Gebiete als wichtig definiert.

Sie haben aber bei der bisherigen Planung diese drei Aspekte ja sicher schon berücksichtigt. Was kann der Wettbewerb noch beitragen?

Schmitt: Wenn wir bisher einen Wettbewerb zu einem Gebäude ausgeschrieben haben, konnten wir definieren, welche Nachhaltigkeitsanforderungen zu berücksichtigen sind. Aber wir konnten von den Planern nicht verlangen, dass sie Science City als nachhaltigen Organismus definierten und ihr Projekt als Teil davon entwarfen. Diese Hintergrundinformation, vor allem ein klar definiertes Energie- und Nachhaltigkeitssystem, fehlte. Jetzt geht es darum, für den gesamten Campus im Verbund mit dem Energiekonzept der Stadt Zürich eine Grundlage zu schaffen, welche die wichtigen Wechselwirkungen zwischen den Nutzerinnen und Nutzern, den Gebäuden und der Umgebung als Ganzes optimiert. Aus dieser Systembetrachtung lassen sich weit positivere Entwicklungen ableiten, als wenn man nur auf ein Gebäude schaut. Ein wichtiger Teil ist auch das Verkehrskonzept, das weit über Campus hinausgeht und die ganze Stadt umfasst. Dieses muss ebenfalls integriert werden.

Wie weit sind denn die Ideen zum Verkehr schon gediehen? Die Rede war von einer neuen Tramlinie bis auf den Campus.

Schmitt: Eine neue Studie zeigt, welche Massnahmen getroffen werden müssten, um auch im Verkehr eine möglichst grosse Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Gewährleistung der Mobilität zu erzeugen. Es geht also nicht um ein einzelnes Verkehrsmittel, sondern eine Kombination von Massnahmen in einem Verbund von öffentlichem Verkehr, Langsamverkehr und motorisiertem Privatverkehr.

Michael Salzmann: Ganz neu ist, dass die Tramlinie von den VBZ und dem ZVV als Option in den offiziellen Strategiedokumenten aufgeführt ist. In der langfristigen Planung wird eine der drei Hauptlinien zur Realisierung vertieft angeschaut.

Um welche Tramlinie handelt es sich?

Salzmann: Es wäre die 15, die vom Bucheggplatz auf den Hönggerberg hochgefahren wird, wobei allenfalls ein Austausch der Linie 11 und 15 diskutiert wird.


Nachhaltigkeits-Wettbewerb: Anmelden bis Ende Dezember

Im Oktober dieses Jahres hat die Projektleitung von Science City einen offenen internationalen Nachhaltigkeits-Wettbewerb für Science City lanciert. Der Wettbewerb richtet sich an interdisziplinär zusammengesetzte Projektteams von Fachhochschulen und Hochschulen. Wichtige Voraussetzung für eine Teilnahme am Wettbewerb sind fundierte Kenntnisse und Erfahrungen in Bereich der Nachhaltigkeit. Die ETH Zürich erhofft sich von den Ergebnissen der eingereichten Projekte zusätzliche wichtige Grundlagen für die weitere Planung und Realisierung sowie zum nachhaltigen Betrieb von Science City, unter anderem in den Bereichen Gesellschaft und Wirtschaft, schonende Nutzung von Raum und Wasser, erneuerbare Energien, Stoffflüsse und Verkehr. Noch bis Ende Dezember dieses Jahres können sich internationale Projektteams am Nachhaltigkeits-Wettbewerb beteiligen. Die Anmeldefrist läuft bis zum 31.Dezember 2006. Die Projekte müssen bis zum 16. Februar 2007 eingereicht werden. (1)




Wie viel Nachhaltigkeit darf sein? Michael Salzmann und Gerhard Schmitt diskutieren über über die Vorgaben für Science City. gross

Solche Planungen nehmen aber den Wettbewerbsteilnehmern Arbeit ab.

Schmitt: Einen Teil. Wenn man es integriert betrachtet, ist es wichtig, dass man den Verkehr berücksichtigt und die Mobilität als notwendige Eigenschaft voraussetzt. Aber durch inhaltliche Planung kann man sehr viel an Verkehr verursachen oder vermeiden. In der Vergangenheit hatten wir viele Fächer, die an beiden Standorten gelehrt wurden, was zu erheblichem Verkehr zwischen den Standorten führte. Durch räumliche Zusammenführung von Departementen und durch Stundenplanveränderungen ist es gelungen, diesen Verkehr zu reduzieren. Dies ist Teil der strategischen Planung der ETH, aber es ist auch ein wichtiges Steuerelement für die Nachhaltigkeit. Dazu kommt die Tatsache, dass wir in Science City Wohnraum für Studierende errichten wollen. Dadurch wird den Studierenden jeden Tag für Lehre und Forschung Zeit geschenkt - im täglichen Durchschnitt Reisezeiten von 20 Minuten bis zu einer Stunde. Damit wird die Belastung durch den Verkehr geringer.

Gibt es weitere konkrete Beispiele für gelebte Nachhaltigkeit in Science City?

Salzmann: Die ETH Zürich hat sich mit den gesetzlichen Grundlagen dazu verpflichtet, für alle Wohnbauten den heute gültigen Minergie-Standard, Minergie P, zu erfüllen. Wir haben uns sogar verpflichtet, dass wir viel weiter gehen wollen und Nullenergie anstreben oder Energie erzeugende Häuser bauen möchten. Diese Zusage ist nicht in gesetzlichen Vorschriften festgehalten, weil dies heute noch nicht Standard ist.

Das betrifft vor allem Bauten. Was ist mit dem gesellschaftlichen Aspekt?

Schmitt: Der Masterplan sieht vor, dass die Funktionen gemischt sind und dass der ganze Campus autofrei sein wird. Die Natur wird einbezogen. Das wird dokumentiert mit dem Zertifikat „Naturpark“ für Science City, das wir Anfang November erhalten haben.

Salzmann: Im Masterplan sind viele Überlegungen zur soziologischen Entwicklung eingeflossen. Man kommt weg von grossen monolithischen Strukturen und bewegt sich hin zu kleinräumigen modularen Formen, wo Kommunikations- und Begegnungsmöglichkeiten gegeben sind. Zurzeit läuft die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Treffpunkt Science City“. Die Belebung und die Öffnung des Areals für die Bevölkerung ist ein wichtiger Aspekt, den wir während des viermonatigen Testlaufs anstreben. Das sind Anliegen, die von den Quartieren gewünscht worden sind, dies im Sinn der nachhaltigen Verankerung und Vernetzung des jetzt etwas abgeschotteten Science City-Areals.

Findet die Durchmischung nun statt? Kommt die Quartierbevölkerung nach Science City?

Schmitt: Oh ja! Bei den Anlässen jeweils am Sonntag Morgen stammten 50 bis 80 Prozent der TeilnehmerInnen aus den Quartieren. Und nicht nur aus den Quartieren, sondern aus der ganzen Stadt Zürich und darüber hinaus.

Salzmann: Schön ist, dass nicht nur ältere Leute kommen, sondern auch jüngere Leute und Kinder. Das ist wirklich die Durchmischung, die wir anstreben.

Wie steht es mit dem Stand der Anmeldungen für den Wettbewerb?

Salzmann: Die Anmeldefrist läuft noch, bis vor 2 Wochen waren bereits 15 Anmeldungen eingetroffen. Und es kommen laufend welche bei uns an.

Schmitt: Wichtig ist, dass der Wettbewerb global ausgeschrieben ist. Wir wollen, dass wo immer auf der Welt neue Ideen zur Nachhaltigkeit existieren, wir diese erfassen. Wir wollen keine Eigenschau betreiben.

Was zeigen die Erfahrungen von ähnlich gelagerten Wettbewerben? Können die Ideen so wirklich abgeholt werden?

Schmitt: In dieser integrierten Sicht für einen gesamten Campus ist uns nichts Gleiches bekannt. Für einzelne Aspekte gibt es natürlich internationale Wettbewerbe. Wir wissen, dass Nachhaltigkeit ein riesiges Thema für die Länder Asiens und zunehmend auch Amerikas wird. Deshalb ist es langfristig relevant, was wir hier als Prototyp bauen. Wir wollen die Ergebnisse dieses Wettbewerbs und deren Umsetzung auch als Lehr- und Forschungsinstrument in der Zukunft verwenden. Die Kombination von neuen Finanzierungsmethoden für den Bau von Gebäuden und neuen Forderungen oder Wettbewerbsbedingungen führt zu einer neuen Art der Planung. Dies hat beim soeben abgeschlossenen Wettbewerb für die Life Science Platform HPL zu sehr innovativen Lösungen geführt. Dieses Gebäude wird, wenn es so umgesetzt werden kann, das Laborgebäude mit dem niedrigsten Energieverbrauch in der ganzen Schweiz werden.


Fussnoten:
(1) Projektunterlagen unter www.sciencecity.ethz.ch/internationalcompetition



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