|
Rubrik: Tagesberichte |
Print-Version
|
Interview mit ETH-Weltraumbiologin Marianne Cogoli zur Columbia-Katastrophe "Columbia"-Tragödie trifft auch die ETH |
Von der Tragödie der während des Landeanflugs über Texas zerbrochenen Raumfähre „Columbia“ ist auch die ETH betroffen. Die Gruppe Weltraumbiologie um Augusto Cogoli hatte zwei Experimente an Bord, die jahrelange Vorbereitung in Anspruch nahmen (siehe Kasten, ETH Life berichtete kürzlich über den Start (1)). Mit den getöteten Astronauten hatten die ETH-Forscher während der ausgiebigen Trainings in der Vorbereitung einen kollegialen Kontakt aufgebaut. ETH Life sprach mit der ETH-Weltraumbiologin Marianne Cogoli über ihre Betroffenheit und die Folgen der Katastrophe für ihre Forschung. Interview: Norbert Staub Frau Cogoli, wie haben Sie von dem Auseinanderbrechen der Raumfähre erfahren?
Marianne Cogoli: Ich verfolgte die Landung über die Internet-Seite von "Spaceflightnow". Alles verlief normal, wenige Minuten vor dem Beginn der Landung, dem Zünden der Raketen, war aufgrund der Wetterlage nicht klar, ob die ‚Columbia’ tatsächlich schon landen kann. Für kurze Zeit wandte ich mich etwas anderem zu, als mein Mann (Augusto Cogoli, Leiter der ETH-Gruppe für Weltraumbiologie), der CNN schaute, plötzlich sagte: ‚der Shuttle ist überfällig’. Da waren dann auch schon die Bilder von den ersten Trümmern zu sehen.
Sie haben jahrelang für diesen Flug gearbeitet, und Sie hatten teilweise intensiven Kontakt mit den Astronauten. Was geht in Ihnen und in Ihrer Gruppe Weltraumbiologie jetzt vor?
Marianne Cogoli: Wir sind alle tief betroffen. Unsere Gedanken sind zuerst bei den sieben Opfern und ihren Familien. Man muss sich vorstellen, dass die Angehörigen erwartungsfroh die Ankunft der Raumfähre auf dem Kennedy Space Center mitverfolgten. Der Shuttle kam aber nicht, und irgendwann war auch ihnen klar, dass eingetreten war, woran niemand zu denken wagt. Unsere Mitarbeiterin Isabelle Walther hatte über das monatelange Training engen, kollegialen Kontakt zu den Astronauten aufgebaut. Und mein Mann hat kurz nach dem Start aus dem Kontrollraum Anweisungen zum ersten Experiment gegeben. Alle, auch unsere italienischen Forscherkollegen, die an den Experimenten beteiligt waren, haben sich bei uns gestern gemeldet; alle waren schockiert.Isabelle Walther befindet sich zurzeit noch in Florida, wo sie das zweite ETH-Experiment zum Wachstum von Hefezellen betreute. Haben Sie Kontakt mit ihr?
Marianne Cogoli: Ja. Sie berichtet, dass der ungehinderte Zugang zu unserem Kontrollzentrum im Florida Tech nicht mehr möglich sei. Wir hatten schon befürchtet, dass die an den Experimenten beteiligten Wissenschaftler von den Untersuchungsbehörden blockiert werden, aber das scheint nicht der Fall zu sein.Ihre beiden an diesem Flug mitgeschickten Experimente sind mit der „Columbia“ zertört worden.
|
Wieviele Ressourcen, wieviel Manpower steckte in den Experimenten?
Marianne Cogoli: Es fällt mir schwer, angesichts der menschlichen Tragödie jetzt daran zu denken. Aber man kann das schon ungefähr beziffern: allein an der ETH haben vier Wissenschaftler während vier Jahren an den Experimenten und ihrer Optimierung gearbeitet. Dazu kommen Kosten von ungefähr einer Million Franken, die sich ungefähr zu gleichen Teilen auf die ETH, die Universität Sassari und die NASA verteilen.Erst vor einigen Monaten wurde ein in Ihrer Gruppe entstandenes Studenten-Experiment beim Start einer russischen Rakete zerstört (2) Wie geht es angesichts dieser Rückschläge weiter mit der ETH-Weltraumbiologie?
Marianne Cogoli: Es wird Verzögerungen geben, aber wir rechnen damit, unsere bisher erfolgreiche Arbeit fortsetzen zu können. Denn vieles ist gut aufgegleist. Ich selbst habe zum Beispiel ein fertiges, ‚peer-reviewtes’ Experiment zur Untersuchung der Kommunikation zwischen Lymphozyten und Monozyten. Die Zusage für einen Shuttleflug schien so gut wie sicher. Auch Isabelle Walther hat ein Projekt, das von der ESA schon akzeptiert war. Zudem ist ein weiteres ETH-Studierenden-Experiment für eine bemannte Mission der ESA vorgesehen. Doch nach diesem Unglück ist natürlich wieder alles offen. Einiges hängt davon ab, ob der für kommenden April vorgesehene ‚Taxi-Flug’ einer russischen Rakete zur Internationalen Raumstation ISS von der Forschungsmission zum Versorgungsflug umgepolt wird.Sie sind nahe an der Materie. Wie lautet Ihre Prognose für das Shuttle-Programm der NASA für die kommenden Jahre?
Marianne Cogoli: Sehr schwer zu sagen. Nach der Challenger-Explosion vor 17 Jahren dauerte es zwei Jahre bis zum nächsten Flug. Jetzt wird es ebenfalls lange, minuziöse Untersuchungen zur Aufdeckung und Behebung der Unfallursache geben. Aber vielleicht ist die Tatsache, dass sich heute permanent drei Personen in der internationalen Raumstation befinden, eine treibende Kraft, um mittelfristig über diese Tragödie hinwegzukommen.
|
||||||||
Fussnoten:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |