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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.04.2006 06:00

Textur-Unterscheidung mit Kunst-Vibrissen
Signale von Tasthaaren entschlüsselt

Indem ETH-Forscher Schnauzhaare von Ratten nachgebaut haben, konnten sie herausfinden, welche Signale dem Tier helfen, mit seinen Tasthaaren Oberflächen zu erkennen.

Peter Rüegg

Nagetiere wie Ratten oder Mäuse haben hinter der Nasenspitze lange Tasthaare. Diese so genannten Vibrissen sind für die Tiere wichtige Sinnesorgane. Mit ihrer Hilfe können sie sich in vollständiger Dunkelheit orientieren oder sie erhalten Informationen über die Beschaffenheit von Gegenständen. Die Tiere können zum Beispiel ihre Tasthaare rhythmisch hin und her bewegen und so die Textur von Oberflächen “abtasten“.

Die Forschung ist an der Mechanik des Tasthaarsystems und an der Signalverarbeitung stark interessiert. „Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist das Tasthaar-System ideal, um den Weg von einem sensorischen Signal über die Signalverarbeitung im Gehirn bis hin zur motorischen Antwort zu untersuchen“, sagt Joerg Hipp, der unter der Leitung von Peter König am Institut für Neuroinformatik der ETH und der Uni Zürich für seine Doktorarbeit erforschte, welche Signaleigenschaften, die eine Vibrisse beim Abtasten erzeugt, spezifisch für gewisse Oberflächen sind (1). Diese Arbeit war Teil des EU/BBW-Forschungsprojekts „AMOUSE“. Dieses hat zum Ziel, einen Roboter zu entwickeln, der sich wie sein natürliches Vorbild mit Vibrissen orientieren sowie Oberflächen abtasten und erkennen kann.

Schnauzhaare aus Stahl

Um herauszufinden welche Signale einer Ratte helfen, Texturen richtig zu unterscheiden, bauten Hipp und seine Kollegen im Labor ein künstliches Tasthaarsystem, das dem natürlichen Vorbild nachempfunden war. Er fixierte Stahldrähte von unterschiedlicher Länge und Stärke und liess diese mit der Spitze über verschieden raue Schleifpapiere streichen. Ein Sensor mass die dabei erzeugten Signale - ein Berg an Informationen. Ähnliche Test führten die Forscher auch mit Ratten durch.

Weil die Forscher überzeugt waren, dass bei einer echten Ratte nur die wichtigsten Reize ans Hirn weitergereicht werden und nicht das ganze Signal, mussten sie das Arsenal an Informationen eingrenzen. Die Analyse zeigte schliesslich, das nur gerade zwei Messgrössen bereits 75 Prozent der Informationen über die Textur beinhalten. Diese Masse hängen davon ab, mit welcher Geschwindigkeit eine Vibrisse über eine Oberfläche streicht, wie stark dabei die Haarspitze an den Oberflächenstrukturen ausgelenkt wird und wie gross die Frequenz dieser Auslenkung ist. „Streicht eine Vibrisse über eine raue Textur, dann ist die Auslenkung an der Haarspitze grösser und die Frequenzen tiefer“, erklärt Hipp.

Nachempfinden kann man das, wenn man mit dem Daumennagel über die Zinken eines Kamms fährt. Bei groben Zinken „rattert“ es weniger schnell als bei einem feinen Kamm.


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Die zahlreichen Schnauzhaare sind wichtige Sinnesorgane, die dem Tier bei der Orientierung im Raum und der Erkennung von Gegenständen wichtige Dienste leisten. gross

Dafür wird der Daumen mehr nach hinten gedrückt. Bei den Tasthaaren ist das ähnlich: Streichen sie über ein feines Schleifpapier, dann tastet die Haarspitze mit einer höheren Frequenz bei kleiner Auslenkung die Unebenheiten ab.

Künstliche Ratte muss Auslenkung und Frequenz trennen

Der Forscher konnte mit diesem Abtast-Versuchen verschiedene Werte für Frequenz und Amplitude von diversen Oberflächen ermitteln. Fütterte Hipp dem Computer die Messdaten, konnte ein Klassifizierungs-Algorhitmus in 40 Prozent der Fälle die Rauheit von acht unterschiedlichen Schleifpapieren richtig zuordnen. Bei Daten aus Messungen an natürlichen Vibrissen einer Ratte konnte die Rechenmethode sogar in vier von fünf Fällen die Oberflächen erkennen. Das zeigte den Forschern, dass sie die Informationen richtig eingegrenzt hatten.

„Wenn man also eine künstliche Ratte bauen will, die Oberflächen erkennen soll, dann muss sie Frequenz und Amplitude auseinanderhalten können“, sagt der Deutsche, der demnächst eine Postdoc-Stelle in Hamburg antreten wird. Das allerdings steht in einem gewissen Widerspruch zu dem, was Neurophysiologen im Rattenhirn gemessen haben. „Dort liegt leicht zugänglich quasi nur das Produkt von Amplitude und Frequenz vor.“

Anstoss für Hirnforschung

Die Forscher vermuten deshalb, dass die Informationen zusätzlich in einer anderen Hirnregion verarbeitet werden als im so genannten „barrel cortex“. Dieses Hirnareal galt bisher als Ort, wo die Vibrissensignale abgelegt werden. Möglicherweise ist ein höheres Hirnareal in der Lage, die Information in ihre Einzelteile zu zerlegen und so die Tasthaar-Signale richtig zu interpretieren. „Meine Forschung mit den künstlichen Tasthaaren zeigt Ansätze, wo die Wissenschaftler zukünftig weitersuchen müssen“, schliesst Joerg Hipp daraus.


Fussnoten:
(1) Hipp J. et al. (2006):. Texture signals in whisker vibrations. J. Neurophysiol. 95: 1792–1799.



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