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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.11.2005 06:00

Neu-Regelung der Internet-Verwaltung am UNO-Weltinformationsgipfel.
Internet kommt nicht unter UNO-Kontrolle

Letzte Woche fand in Tunis der zweite UNO-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) statt. Das primäre Ziel bildete die Verbesserung des Zugangs zu Internet und Telefon, insbesondere für Menschen in Entwicklungsländern. Dabei wurde die zukünftige Verwaltung des weltweiten Internets neu geregelt. Der Schweizer Pavillon präsentierte ausgewählte Projekte, darunter auch solche aus dem ETH-Bereich.

Von Jakob Lindenmeyer

Die politisch und wirtschaftlich bedeutende Adressverwaltung des Internets wird seit 1998 durch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) betrieben. Die ICANN entscheidet beispielsweise über die Einführung neuer Top-Level-Domains wie .biz für Business oder .xxx für pornographische Angebote. Die ICANN steht unter enger Kontrolle des Handelsministeriums der USA. Daran stören sich Länder wie Russland, China, Brasilien oder der Iran. Im Vorfeld des UNO-Weltgipfels wurde daher verlangt, dass die Kontrolle über das Internet der UNO übergeben werden soll. Dagegen wiederum wehrten sich die USA.

Neues Internet Governance Forum

Nach dreitägigen intensiven Verhandlungen haben sich Ende letzter Woche die Regierungen der beteiligten Länder auf einen Kompromiss geeinigt, mit dem alle einigermassen leben können. Danach wird die ICANN wie bisher die Kernressourcen des Internets verwalten. Die USA werden somit ihren politischen Einfluss beibehalten. Die Ausübung dieser Funktionen soll aber neu in ein globales Regelwerk eingebettet werden, das die politischen Prinzipien vorgibt. Zudem soll der ICANN mit dem "Internet Governance Forum" eine von UNO-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Plattform aus Vertretern der Regierungen, der Industrie und von NGOs an die Seite gestellt werden, welche die Tätigkeiten der ICANN diskutiert und überwacht.

Das neue Gremium hat zwar keine Entscheidungskompetenzen, basiert aber gerade auch auf der Idee, dass es im Internet keine zentrale Macht braucht, sondern die Entscheide dezentral bei verschiedenen Fachgremien getroffen werden sollen, die über die notwendige Fachkompetenz verfügen. Für Domainnamen und IP-Adressen läge die Fachkompetenz weiterhin bei der ICANN, für e-Commerce bei der Welthandels-Organisation WTO und für die Cyberkriminalität bei Interpol.

Weiterhin Oberaufsicht durch USA statt UNO

Das Internet wird damit also nicht wie gefordert per sofort der UNO unterstellt, sondern bleibt zu grossen Teilen unter der Oberaufsicht der USA. Doch durch den zweiten UNO-Weltinformationsgipfel wurde ein politischer Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende tatsächlich eine UNO-Kontrolle übers Internet stehen könnte. Dies betonte auch Bundesrat Moritz Leuenberger, der am UNO-Weltinformationsgipfel eine Rede hielt. Er plädierte dafür, das Internet als Infrastruktur und öffentliches Gut anstelle der alleinigen Kontrolle durch die USA einer gemeinsamen Verwaltung aller Regierungen zu unterstellen, unter Einbezug der Zivilgesellschaft. (1)

Am Eröffnungstag der UNO-Konferenz prangerte Bundespräsident Samuel Schmid (am Rednerpult) an einer Pressekonferenz die Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland Tunesien an. gross

Der am Eröffnungstag der UNO-Konferenz anwesende Bundespräsident Samuel Schmid prangerte in seiner Rede und in der anschliessenden Pressekonferenz im Schweizer Pavillon mit deutlichen Worten die Menschenrechtsverletzungen und den Umgang mit Regimegegnern im Gastgeberland Tunesien an. (2) Seine Rede wurde im tunesischen Fernsehen zuerst live übertragen, die Kritik aber zensuriert.


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Ein Teil der Schweizer Delegation vor dem "Swiss Pavilion" am 2. UNO-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft. gross

Jedem Dorf seinen Internet-Anschluss

Neben den politischen Verhandlungen über die zukünftige Kontrolle und Verwaltung des Internets wurde in einer zweiten verabschiedeten Erklärung dazu aufgerufen, den digitalen Graben zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu überbrücken. Dazu beschlossen die Vertreter aus 176 Ländern einen Fonds zur Förderung von Computerprojekten in Entwicklungsländern zu errichten. Bis 2015 plant die UNO jedes Dorf auf der Welt ans Internet anzuschliessen.

Neben den offiziellen Erklärungen wurde im Rahmen des reichhaltigen WSIS-Konferenzprogramms in hunderten von Vorträgen und Podiumsveranstaltungen über alle möglichen Aspekte der Informationstechnologie diskutiert. In mehreren riesigen Ausstellungshallen präsentierten sich primär europäische und arabische Länder, die IT-Industrie und auch Nichtregierungsorganisationen an hunderten von Ausstellungsständen und in grösseren Pavillons.

"Swiss Pavilion" mit Bund und Forschung

Im "Swiss Pavilion" dominierten die Ausstellungen von Bundesämtern wie dem Staatssekretariat für Wirtschaft seco, der Entwicklungszusammenarbeit DEZA oder dem Kommunikationsamt BAKOM. Doch mit dabei waren auch Industrie-Vertreter, Forschungsorganisationen wie die EMPA oder das CERN, sowie Nichtregierungsorganisationen wie die Stiftung Zugang-für-alle oder die Initiative Design4All.ch.

Aus dem ETH-Bereich vertreten waren zwei von der EMPA koordinierte Projekte und Vorträge. In einem Vortrag thematisierte der EMPA-Forscher Thomas Ruddy beispielsweise die ökologischen Differenzen zwischen Web- und Print-Publikationen. (3) Solche ökologischen Ansätze der Informationsgesellschaft werden zusammen mit dem an der ETH lokalisierten Centre for Energy Policy and Economics (CEPE) weiter verfolgt. (4) Die EMPA präsentierte im Schweizer Pavillon noch ein weiteres Projekt. Im Rahmen von e-Waste (5) erforscht die EMPA in Zusammenarbeit mit dem seco in den drei Schwerpunktsländern Indien, China und Südafrika die Umweltauswirkungen der Elektroschrott-Entsorgung in Entwicklungsregionen.

Computer
Das im Swiss Pavilion am UNO-Weltgipfel präsentierte EMPA Projekt e-Waste versucht die Entsorgungswege alter Elektrogeräte aufzudecken. gross

Umweltschonende Aufarbeitung von Elektroschrott

Die Entsorgung und Aufarbeitung alter Elektronikgeräte ist in den Entwicklungsländern ein rentabler Industriezweig. Daher werden gemäss e-Waste Projektmitarbeiter Nicolas Boehmer speziell aus den Industrienationen USA, Australien und Japan immer wieder als Entwicklungshilfe getarnte Ladungen von Elektroschrott in die Entwicklungsländer überführt und dort in ihre Bestandteile zerlegt.

Die Ziele des EMPA-Projekts bestehen darin, diese Transportwege aufzudecken, sowie die Umweltbelastung bei der Aufarbeitung von Elektroschrott in Entwicklungsländern zu reduzieren. Dazu arbeiten die EMPA-Forscher eng mit der Schweizer Recycling-Industrie zusammen. So sollen die am UNO-Weltinformationsgipfel präsentierten Verfahren zur Entsorgung alter Elektronikgeräte auf die Strukturen in Entwicklungsländern zugeschnitten werden, die aufgrund der günstigen Arbeitskosten einen geringeren Automatisierungsgrad aufweisen. Die Projekte werden in einem späteren Bericht detaillierter vorgestellt.


Literaturhinweise:
Website des 2. UNO-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft: www.itu.int/wsis/
Täglicher Blog vom 2. UNO-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft aus Sicht des teilnehmenden Blindenhundes der Schweizer Delegation: www.zugang-fuer-alle.ch/de/wsis/leo.html

Fussnoten:
(1) WSIS-Website an der ETH Zürich, speziell zum Einbezug der Zivilgesellschaft: www.wsis.ethz.ch/
(2) Detail-Bericht zur Rede und Pressekonferenz von Bundespräsident Samuel Schmid am Eröffnungstag der UNO-Konferenz: www.zugang-fuer-alle.ch/de/wsis/Pressekonferenz.html
(3) Details zum ökologischen Unterschiede zwischen Web- und Print-Publikationen: www.wsis.ethz.ch/papertunis.pdf
(4) ETH Bulletin-Artikel über den 1. Weltgipfel über die Informationsgesellschaft: www.cc.ethz.ch/bulletin/
(5) Website des Projekts "e-Waste": www.e-waste.ch/



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